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Die UNO als Spiegel der Welt

Flaggen vor der UNO in New York: Nur die Schweiz und der Vatikan flattern nicht mit. Keystone

Der Ständerat befürwortet einen Vollbeitritt der Schweiz zur UNO: Die Kleine Kammer sagte am Donnerstag (21.06.) Ja zur Volksinitiative "Für den Beitritt der Schweiz zur UNO". "Wollen wir für voll genommen werden, müssen wir Vollmitglied sein" - so lautete der Grundtenor.

«Das ist gut so, dass wir nicht so viel mit der UNO zu tun haben. Über die UNO hat man schon viel Schlechtes gehört.», meint ein junger Mann in Bern.

«Nobody is perfect», das gelte auch für die UNO, war im Bundeshaus zu hören, als in der Kleinen Kammer über die Volksinitiative «Für den Beitritt der Schweiz zur UNO» debattiert wurde. Die UNO sei zwar kein Paradies auf Erden, sie sei aber eine Plattform, auf der sich die Konflikte dieser Welt etwas zivilisierter austragen liessen.

Für und Wider scheinen sich im Bundeshaus in Bern die Waage zu halten. Die UNO habe ihre Mängel, war während der Debatte zu hören. Sie sei halt Spiegel der Welt. Die Gewalt im Nahen Osten zeigten ihre Grenzen. China werde wegen seinem Vetorecht sanfter angefasst. Alles in allem überwögen aber die Erfolge. Manch einer fand in der seltsamen Lage kaum Gründe gegen einen Beitritt, aber auch keine Gründe dafür zu finden.

Gründe für und wider, Gedanken weshalb die Schweiz nicht dabei ist, sind aber vor dem Bundeshaus zu hören: «Die Schweiz will unabhängig sein, neutral bleiben. Sie will sich nirgends einmischen.» Oder: «Weil wir neutral sind, sind wir nicht dabei.»

Derweil wird im Bundeshaus über die Abtretung von Souveränitäts-Rechten debattiert: Davon könne nämlich nicht die Rede sein. Die fundamentalen Grundwerte des Staates – Föderalismus, direkte Demokratie und Neutralität – würden bei einem Beitritt zur UNO nicht verletzt, argumentierten die Befürworter. Die Neutralität werde von der UNO als Staatsmaxime ausdrücklich anerkannt.

Bei der Abstimmung werde es jedoch entscheidend darauf ankommen, die Neutralität mit Inhalt zu füllen, nicht nur sie juristisch zu deuten. In der ersten Deklaration vor der UNO-Generalversammlung werde stehen: «Die Schweiz tritt der UNO als neutraler Staat bei.»

Auf der Strasse schwebt die Neutralitätsfrage wie ein Damoklesschwert über dem anvisierten UNO-Beitritt: «Die Schweiz neigt zu einem gewissen Isolationismus und will 100% Selbstbestimmung. Die Hauptangst ist wohl, dass man nicht mehr unabhängig ist und fremdbestimmt wird.», versucht ein älterer Herr den Status quo zu erklären.

Viele Menschen verstehen nicht, weshalb die Schweiz nicht dabei ist, sie verstehen nicht, dass 1986 das Volk zu einem Beitritt Nein gesagt hat. «Die Schweizer haben wohl irgendwie Angst, Angst sich zu öffnen, Neues einzugehen.» Oder: «Faktisch handeln wir, als ob wir Mitglied wären. Wir stellen uns nicht quer zu den Entscheiden der UNO. Es ist mehr als peinlich, dass die Schweiz nicht dabei ist.», erzürnt sich eine Mutter mit Kind. Und eine junge Frau meint lakonisch: «Die Schweizer haben halt Angst vor dem Fremden.»

Im Bundeshaus wird zur gleichen Zeit von tatsächlich Befremdlichem gesprochen: Der Beobachterstatus entspreche nicht mehr der internationalen Stellung der Schweiz. Er sollte vielmehr Vertretern ferner Galaxien vorbehalten sein, so ein Votum.

Und gleichzeitig ist das Fremde so nah, dann nämlich, wenn im Rat die UNO beispielsweise als «Landsgemeinde der Welt» bezeichnet und davon gesprochen wird, dass die Schweiz sich nicht wie Schaulustige an den Rand des Ringes drängen dürfe.

Passend in diesem Zusammenhang ist der Einwand eines Passanten, der die UNO mit einem Kaspertheater vergleicht, das man nicht sponsern dürfe. Überhaupt taucht das Argument Kosten auf der Strasse häufig auf: «Wofür brauchen wir die UNO? Zum Zahlen?» Oder: «Das kostet viel Geld – Millionen. Heute zahlen wir ja nicht so viel.»

Tatsache ist: Die Schweiz bezahlt heut rund 450 Mio. Franken an die UNO und ihre Unterorganisationen. Eine Vollmitgliedschaft würde zusätzlich rund 50 Mio. Franken kosten. Der Einwand, dass in der UNO einfach Geld verlocht werde, lässt man im Ständerat nicht gelten. Die UNO arbeite nach einer Reform ihrer Institutionen heute wesentlich kostengünstiger, war zu hören.

Und überhaupt, herrschte im Rat die Meinung vor: Gäbe es die UNO nicht, läge es im Interesse der Schweiz und anderer Kleinstaaten, eine solche Organisation zu schaffen.

Auf dem Bundesplatz war von einer Lehrerin Grundsätzliches zu hören: «Viele wissen gar nicht was die UNO ist. Die Schweizer sind zu wenig informiert.», meint sie. Eine treffende Aussage, wenn man dem alten Mann zuhört, der erklärt: » Es ist schon recht, wenn man in die UNO geht. Wegen den Jungen. Die sehen Vorteile. Die sollen eine Chance haben wegen der Arbeit.» Dass der Mann die UNO mit der EU verwechselt, scheint ihm gar nicht bewusst zu sein.

Rebecca Vermot

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