
Eidg. Wahlen 1999: Schweizerische Volkspartei SVP legt gesamtschweizerisch massiv zu
Rund 4,6 Millionen wahlberechtigte Schweizerinnen und Schweizer waren am Wochende aufgerufen, die beiden Kammern des Parlaments neu zu wählen. Erste Resultate und Hochrechnungen deuten auf massive Stimmengewinne der Schweizerischen Volkspartei SVP hin.
Rund 4,6 Millionen wahlberechtigte Schweizerinnen und Schweizer waren am Wochende aufgerufen, die beiden Kammern des Parlaments neu zu wählen. Erste Resultate und Hochrechnungen deuten auf massive Stimmengewinne der Schweizerischen Volkspartei SVP hin.
Nationalratswahlen:
Gemäss der ersten nationalen Hochrechnung der ‚SRG SSR idée suisse‘ (19.00 Uhr MEZ) legt die SVP im Vergleich zu den letzten Wahlen (1995) um 7,9 Prozent auf 22,8 Prozent zu. Sie steigt damit zur wählerstärksten politische Kraft in der Schweiz auf. Die übrigen Regierungsparteien können ihren Besitzstand in etwa halten. Die SPS darf gemäss Trendrechung mit 21,5 Prozent (minus 0,3 Prozent) der Stimmen rechnen, die FDP mit 20,2 (unverändert) und die CVP mit 15,6 Prozent (minus 1,2 Prozent).
Gemäss Hochrechnung ergab der Urnengang für den Nationalrat (200 Sitze) folgende Sitzverteilung:
Sozialdemokraten (SPS): 46 Sitze (minus 8)
Freisinnig Demokratische Partei (FDP): 45 Sitze (unverändert)
Christlich Demokratische Volkspartei (CVP): 30 Sitze (minus 4)
Schweizerische Volkspartei (SVP): 44 Sitze (plus 15)
Grüne: 9 Sitze (unverändert)
Freiheitspartei (FPS): 0 Sitze (minus 7)
Liberale Partei (LPS): 6 Sitze (minus 1)
Schweizer Demokraten (SD): 4 Sitze (plus 1)
Landesring der Unabhängigen (LdU): 1 Sitz (minus 2)
Evangelische Volkspartei (EVP): 3 Sitze (plus 1)
Partei der Arbeit (PdA): 4 Sitze (plus 1)
Lega dei Ticinesi (Lega): 2 Sitze (plus 1)
Andere: 6 Sitze (plus 3)
Erste Reaktionen…
Der Zürcher SVP-Nationalrat Christoph Blocher fordert nach dem sich abzeichnenden klaren Sieg der SVP eine Mitte-Rechts-Regierung. Sollte die SVP stärkste Partei werden, sei die Forderung nach einem zweiten Bundesratssitz eine natürliche Folge, sagte Blocher. Seine Partei habe in den letzten vier Jahren ‚ein klares Programm mit ganz klaren Forderungen‘ vorgelegt. Der SVP-Gewinn sei umso bemerkenswerter, als seine Partei von den anderen drei Bundesratsparteien in die Ecke gedrängt und von der Presse
‚versaut‘ worden sei, erklärte Blocher weiter.
Neben einer scharfen Schelte an den Medien, deren Rechnung nicht aufgegangen sei, ritt Blocher eine scharfe Attacke auf den Bundesrat: ‚Die Mitte-Links-Regierung steht nicht mehr zu diesem Land‘. Vor allem deren Politik im Asylwesen sei gescheitert. Jetzt sei eine Mitte-Rechts-Politik notwendig. FDP und CVP müssten nun entscheiden, ob sie mit der SVP oder weiterhin mit der SPS Politik betreiben wollten.
SPS-Präsidentin Ursula Koch hat sich über die Verluste ihrer Partei in einer ersten Reaktion sehr enttäuscht gezeigt. ‚Wir dachten, dass wir die Stimmenkraft halten könnten. So wie es jetzt aber aussieht, haben wir vielerorts Stimmen verloren‘, sagte sie im Schweizer Fernsehen DRS. Jetzt müssten aber zuerst die Auswirkungen auf die Sitzverteilung abgewartet werden. Es sei der SP offenbar nicht gelungen, ihre Leute zu mobilisieren. ‚Der Rechtsrutsch ist massiv, obschon die SVP auch viele Stimmen von rechts aussen einsackte‘, meinte Koch weiter.
CVP-Präsident Adalbert Durrer hat sich am frühen Sonntagabend erleichtert über die bis dahin bekannten Ergebnisse seiner Partei gezeigt. Nachdem der CVP allgemein ein Wahl-Destaster prophezeiht worden sei, sehe das Ergebnis am frühen Abend recht gut aus, sagte Durrer. Das voraussichtliche Gesamtbild der Wahlen beurteilte er ambivalent: Froh sei er darüber, dass nicht in erster Linie die CVP habe Haare lassen müssen, erklärte Durrer. Anderseits müsse man sich angesichts des Rechtsrutschs ernsthafte Fragen stellen etwa über die künftige Regierungsform. Es sei jetzt nötig, die Gemeinsamkeiten und Differenzen genau zu analysieren.
Ständeratswahlen:
Im Ständerat (kleine Parlamentskammer) wird es auch in den kommenden vier Jahren eine klare bürgerliche Dominanz geben. Zwar gewann die SP im Kanton Solothurn nach zwölf Jahren einen Sitz zurück, im Kanton Freiburg verlor sie jedoch gleichzeitig ein Mandat an die FDP. Im Thurgau eroberte die CVP erstmals in ihrer Geschichte einen Ständeratssitz.
Wie 1995, als die FDP und CVP insgesamt 33 von 46 Sitzen besetzten, gehörten die beiden Parteien auch bei den Wahlen ’99 zu den Gewinnern in der Kleinen Kammer. Die Angriffe der SP, die in den Kantonen Bern und Schaffhausen die bisherige bürgerliche Doppelvertretung knacken wollten, blieben ohne Erfolg.
Einzig im Kanton Solothurn gelang es dem ehemaligen Nationalratspräsidenten, Ernst Leuenberger, den vor zwölf Jahren an die CVP verlorenen Ständeratssitz für die Sozialdemokraten zurück zu erobern. Im Kanton Freiburg hingegen wurde der bisherige SP-Standesvertreter, Pierre Aeby, nach nur vier Jahren abgewählt. Sein Mandat wird neu vom FDP-Vertreter Jean-Claude Cornu besetzt.
In verschiedenen Kantonen (Aargau, Basel-Landschaft, Luzern, Sankt Gallen, Thurgau und Wallis) sind Stichwahlen nötig, um den Ständerat zu komplettieren.
SRI und Agenturen

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