
EU-Beitritt: Brüssel gibt sich bedeckt

Nach dem Ja zur Ausdehnung der Personen-Freizügigkeit will Brüssel keine Stellung zu einem allfälligen EU-Beitritt der Schweiz nehmen.
Es liege nun an der Schweiz, zu entscheiden, ob sie den bilateralen Weg weiterverfolge oder der EU beitrete, sagte EU-Kommissarin für Aussenbeziehungen Benita Ferrero-Waldner.
Als Alternative zu einer Mitgliedschaft bei der Europäischen Union (EU) schlug die Schweiz den bilateralen Weg ein. Dieser hat zu 16 Abkommen mit Brüssel in zwei verschiedenen Verhandlungsrunden geführt, den Bilateralen I und II.
Am letzten Wochenende hat die Schweizer Stimmbevölkerung mit 56% Ja-Stimmen der Erweiterung der Personen-Freizügigkeit auf die neuen EU-Staaten zugestimmt. Das Freizügigkeits-Abkommen ist Teil der Bilateralen I. Bei der vorletzten europapolitischen Abstimmung am 5. Juni war das EU-Sicherheits-Abkommen Schengen/Dublin mit gut 54% gutgeheissen worden.
Nachdem die Schweizer Stimmbevölkerung engere Beziehungen zur EU gleich zweimal bestätigt hat, wendet sich die öffentliche Aufmerksamkeit nun der Frage zu, was die Schweiz mit ihrem Beitrittsgesuch tun soll, das in Brüssel seit 1992 auf Eis liegt.
Während der Bundesrat, die Landesregierung, diese Frage im nächsten Monat erörtern will, sagt Brüssel klar, die Entscheidung über eine Mitgliedschaft müsse von der Schweiz ausgehen.
Am Dienstag wird Ferrero-Waldner mit der Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey in Strassburg zusammentreffen.
Der bilaterale Weg hat ausgedient
Ebenfalls am Dienstag reist Diana Wallis, die Vorsitzende der EU-Delegation für die Beziehungen mit der Schweiz, nach Bern zu einem Treffen mit Schweizer Parlamentarierinnen und Parlamentarier, um über mögliche Folgen des Abstimmungsergebnisses vom letzten Sonntag zu diskutieren.
«Meiner Ansicht nach, sollte die Schweiz eine volle Mitgliedschaft jetzt ernsthaft erwägen», sagte Wallis gegenüber swissinfo. Sie glaube nicht, dass diese unübliche und komplizierte Art von Beziehung zwischen der Schweiz und der EU längerfristig funktioniere. «Ich möchte keine dritte Runde von bilateralen Gesprächen erleben.»
Zurzeit führen die EU und die Schweiz Verhandlungen über eine Zusammenfassung der bilateralen Abkommen unter ein Dach. Ein allfälliges Rahmen-Abkommen sei nicht als Fortschritt zu werten, so Wallis weiter. Viel eher handle es sich dabei um ein administratives Aufräumen in bestehenden Verträgen.
Offen für Diskussion
«Die Frage einer Mitgliedschaft bei der EU, müssen alleine die Schweizer entscheiden», sagte auch der Kommissar für Arbeit, soziale Angelegenheiten und Gleichberechtigung, Vladimir Spidla. In den letzten beiden europapolitischen Abstimmungen hätten sie gezeigt, dass sie den bilateralen Beziehungen bisher trauten.
«Die EU hat bisher noch niemanden zu einem Beitritt gezwungen. Wir sind offen für Diskussionen, aber die Initiative dazu muss von der Schweiz kommen», so Spidla weiter.
In der Zwischenzeit gehen die Alltagsgeschäfte der Schweizer Mission in Brüssel weiter. Vorbereitungsgespräche zu vier verschiedenen Themen wurden aufgenommen: die Öffnung des Elektrizitätsmarkts in der ganzen EU, eine Mitgliedschaft bei dem europäischen Satellitennavigations-System Galileo, eine Zusammenarbeit mit dem EU-Zentrum für die Prävention von Krankheiten und eine Anerkennung der AOC-Ursprungsbezeichnungen.
Es handle sich dabei nicht um neue bilaterale, sondern um Einzelabkommen, sagte Bernhard Marfurt, Leiter der Schweizer Mission in Brüssel. «Die positiven Abstimmungsergebnisse haben unsere Partnerschaft gestärkt und uns eine solide Basis für eine künftige Zusammenarbeit gegeben.»
swissinfo, Matthew Allen in Brüssel
(Übertragung aus dem Englischen: Nicole Aeby)
Die Schweiz und die EU haben bisher 16 bilaterale Abkommen abgeschlossen.
Die Abstimmung vom Sonntag über die Ausdehnung des Personenfreizügigkeits-Abkommens auf die 10 neuen EU-Staaten war der 7. europapolitische Volksentscheid in 13 Jahren.
Brüssel legte das Gesuch der Schweiz um eine EU-Vollmitgliedschaft 1992 auf Eis, nachdem die Schweizerinnen und Schweizer einen Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) abgelehnt hatten.

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