

Heute in der Schweiz
Liebe Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer
In der Schweiz sind Kollektivstrafen verboten. Denn sie treffen immer auch Unschuldige. Das gilt aber nicht für den Schweizer Fussball. Seit kurzem können die Behörden in den Stadien die Fankurven schliessen, wenn einzelne Hooligans gewalttätig geworden sind. Ist das ein Zeichen von Hilflosigkeit?
Mit besten Grüssen aus Bern

Es war der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Im Januar gerieten rund 100 Anhänger des FC Zürich mit der Polizei aneinander.
Die Konfrontation im Anschluss an einen Match gegen den FC Basel war für die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) zu viel: Für das nächste Heimspiel sperrten sie kurzerhand die gesamte sogenannte Südkurve, also den Fansektor hinter dem südlichen Tor.
Ähnliche Entscheide gab es in den letzten Wochen auch in Bern, Lausanne, Luzern und St. Gallen.
Der Protest vereint die Fans für einmal, statt dass sie aufeinander losgehen. Auch der Präsident des FC Zürich und mehrere Politiker:innen aus dem links-grünen Lager solidarisieren sich mit den friedlichen Fans, die von den Strafen betroffen sind.
Auch Präventionsfachleute melden Skepsis an und raten zu abgestimmten Massnahmen, die aus einem Dialog von Polizei, Vereinen, Fanbetreuung etc. hervorgehen.
- Hooligans: Schweizer Behörden wählen die harte Gangart – Bericht von SWI-Kollege Domhnall O’Sullivan.
- Schweizer Fans sind besser als ihr Ruf – mein Hintergrund von 2013.
- “Die Ultras leben vom Lokalen” – Interview mit dem Soziologen Thomas Busset aus dem SWI-Archiv von 2008.

Das Verbot eines Bündner Bergrestaurants, keine Schlitten mehr an Jüdinnen und Juden zu vermieten, ist laut einer Expertin «strafrechtlich relevant».
Der krasse Fall von Antisemitismus, den ich bereits im gestrigen Briefing geschildert hatte, zieht weitere Kreise. Zwar hat sich der Betreiber des Bergrestaurants am Montag für die Aktion entschuldigt.
Doch damit dürfte er laut der Berner Juristin Manuela Hugentobler nicht aus dem Schneider sein.
«Ein Verbot, das sich explizit gegen Jüdinnen und Juden richtet, hat meiner Meinung nach eine strafrechtliche Relevanz – auch bei der Polizei wird das so eingeschätzt, schliesslich hat sie jetzt Ermittlungen in dem Fall aufgenommen», sagt sie.
Als rechtliche Grundlage erwähnt die Expertin Artikel 261bis im Strafgesetzbuch. Dieser verbietet «Diskriminierung und Aufruf zu Hass».
- Keine Schlitten an Juden: «Dieser Aushang ist wohl strafrechtlich relevant»Externer Link – SRF News.
- Davoser Tourismusdirektor Reto Branschi (64) gibt Juden Mitschuld am Schlittel-Eklat: «Ein Teil der jüdisch-orthodoxen Gäste verweigert jede Form von Anpassung»Externer Link – Blick.
- Das Fremde fordert die Schweizer Gastgeber heraus – Analyse von SWI-Journalist Simon Bradley.

Genau 175 Jahre hat es gedauert. Dann erhielt der Kanton Nidwalden seine erste Nationalrätin.
Der kleine Kanton in der Zentralschweiz hat sich lange Zeit gelassen. Sehr lange. Dann, im Oktober letzten Jahres war es dann soweit: Regina Durrer-Knobel von der Mitte-Partei schaffte als erste Nidwaldnerin den Sprung in die grosse Kammer.
Die 53-Jährige, die an der Berufsschule Stans Wirtschaft unterrichtet, liebt das Debattieren. «Es gibt nichts Langweiligeres als eine brave Klasse», sagt sie. «Zum Unterrichten ist das sehr mühsam.»
Noch lieber mag sie die Arbeit in einer parlamentarischen Kommission. Was viele mit Langeweile verbinden, ist für sie die Essenz von Demokratie-Arbeit: Alle seien vorbereitet. Echte Diskussionen seien möglich. Sie könne andere Haltungen nachvollziehen und bringe Verständnis für politische Gegner:innen, rechts wie links, auf, sagte sie meinem Kollegen Benjamin von Wyl, der die Nidwaldner Volksvertreterin zum Gespräch getroffen hat:
- Regina Durrer-Knobel: Die erste Frau aus Nidwalden im Nationalrat.
- Daniel Sormanni, ein hartnäckiger Einzelkämpfer in Bern – Porträt von SWI-Kollege Samuel Jaberg.
- Wahlen in der Schweiz 2023: Diese acht Erkenntnisse bleiben – die SWI-Analyse.
- Wahlen in der Schweiz 2023: SVP gewinnt 9 Sitze, Grüne und GLP verlieren deren 11 – die Resultate.

Hinterbliebene eines Mannes, der wegen einer Krebserkrankung durch Asbest gestorben war, haben Anspruch auf eine Genugtuung.
Dies entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Er verurteilte den Entscheid des Bundesgerichts von 2019, dass die Forderung verjährt sei.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Schweiz gerüffelt wurde: Die Hinterbliebenen des Mannes, der an Brustfellkrebs erkrankt war und verstarb, konnten vor einem Schweizer Gericht ihre Ansprüche auf Entschädigung nicht durchsetzen.
Der erkrankte Mann verstarb 2006. Er hatte in seiner Kindheit von 1961 bis 1972 in unmittelbarer Nähe einer Eternit-Fabrik gelebt. Seine Krebserkrankung war erst nach Ablauf der früher geltenden absoluten Verjährungsfrist von zehn Jahren ausgebrochen.
Seine Ehefrau und sein Sohn führten das Verfahren weiter.
- Asbest-Opfer: Schweiz muss Hinterbliebenen Genugtuung zahlenExterner Link – Bericht im Bund (Paywall).
- Opferhilfe für Familie nach Asbest-Tod des VatersExterner Link – Bund-Artikel von 2013.
- An Asbest sterben… und es beweisen müssen – Hintergrund von SWI-Kollege Daniele Mariani.

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