
ThyssenKrupp-Vertrauensleute wollen Vorstand nicht entlasten
DUISBURG/DÜSSELDORF (awp international) – Bei der ThyssenKrupp-Hauptversammlung an diesem Donnerstag in Bochum wollen Vertrauensleute erstmals seit Jahrzehnten dem Vorstand die Entlastung verweigern. «Wenn wir Verlust machen, muss das Geld im Unternehmen bleiben», sagte der Sprecher der Vertrauensleute bei ThyssenKrupp Steel Europe, Wilfried Müller, am Dienstag. «Wir lehnen eine Dividende ab.» Mit dem neuen Werk in Brasilien seien «Milliarden im Ausland verbuddelt worden». «Den Stahl hätten wir auch hier machen können.» Die Vertrauensleute kündigten an, mit «50 bis 100 Kollegen» zur Versammlung zu reisen, um ihren Anträgen Nachdruck zu verleihen.
Der Aufsichtsrat des Unternehmens hat der Hauptversammlung vorgeschlagen, trotz des Verlustes von unter dem Strich knapp 1,9 Milliarden Euro im vergangenen Geschäftsjahr 2008/2009 und eines Umsatzeinbruchs um knapp ein Viertel 30 Cent Dividende pro Aktie auszuschütten. Das entspricht knapp 140 Millionen Euro, die das Unternehmen aus den Rücklagen nehmen will. Dividendenkontinuität liege im Interesse auch der Kleinanleger, hatte Thyssen-Krupp-Chef Eckehard Schulz die Haltung begründet. ThyssenKrupp habe in guten Jahren moderate Dividenden gezahlt, werde dafür in weniger erfolgreichen Jahren die Dividende aber nicht streichen.
Der Dividendenvorschlag sei im Aufsichtsrat auch von den Arbeitnehmervertretern akzeptiert worden, sagte Unternehmenssprecher Alexander Wilke. Er rechne mit Diskussionen, aber nicht mit einer hoch kontroversen Hauptversammlung. «Wir blicken der Sache gelassen entgegen.»
Den Zorn der Arbeitnehmervertreter erregt vor allem auch die Kostenexplosion bei den zwei neuen Stahlwerken in Brasilien und in den USA. Nach einem Bericht der Zeitung «Handelsblatt» (Dienstag) sollen die Projektkosten inzwischen von zuletzt geplanten rund 4,7 Milliarden Euro auf rund 5,96 Milliarden Euro gestiegen sein. Für Verärgerung bei Investoren sorgt laut «Handelsblatt» ausserdem die verspätete Inbetriebnahme der Hütte. Ursprünglich sollte die Produktion im vergangenen Jahr anlaufen. Nun ist der Start bis zur Jahresmitte geplant. Wilke wollte sich zu diesen Zahlen nicht äussern.
Im laufenden Geschäftsjahr will ThyssenKrupp seine Mitarbeiterzahl drastisch um rund 20.000 reduzieren und bald wieder schwarze Zahlen schreiben. Es müsse das Ziel sein, so schnell wie möglich in die Profitabilität zurückzukehren. Beim bereinigten Ergebnis vor Steuern rechne ThyssenKrupp für das Geschäftsjahr mit einem Betrag in einer «niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Höhe», hatte Schulz vor kurzem gesagt. «So ein Personalabbau wäre ein schlimmer Aderlass. Wir sind jetzt schon so durchrationalisiert», sagte Vertrauensleute- Sprecher Müller./rs/DP/tw