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Volksentscheid über Abschaffung einer Steuer für Grossunternehmen

Stempel
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Während sich die Wirtschaft von der Pandemie erholt, will eine Mehrheit des Parlaments die Steuern für Grossunternehmen in der Schweiz reduzieren. Am 13. Februar stimmen die Stimmbürger:innen über die Abschaffung der so genannten Emissionsabgabe ab. Es handelt sich um eine Stempelsteuer, die etwa anfällt, wenn ein Unternehmen Eigenkapital aufnimmt.

Worum geht es?

Am 13. Februar stimmt das Volk über die Zukunft der Stempelsteuer auf EigenkapitalExterner Link ab. Diese Steuer wird erhoben, wenn sich ein Unternehmen durch die Ausgabe von Wertpapieren (beispielsweise Aktien oder andere Beteiligungsrechte) Geld beschafft. Die Emissionssteuer beträgt ein Prozent des aufgenommenen Kapitals. Dabei gilt ein Freibetrag von einer Million Franken. Übersteigt das aufgenommene Eigenkapital diesen Wert, wird die Abgabe fällig.

Diese Stempelsteuer ist vor allem für grosse Unternehmungen in der Finanzbranche von Bedeutung. Gemäss Informationen der Regierung bezahlten im Jahr 2020 etwa 2300 Unternehmen eine Emissionsabgabe. Einige Unternehmen nahmen in diesem Jahr mehrmals Eigenkapital auf, weshalb es über 2500 Transaktionen gab. Dabei generierten 2,2 Prozent dieser Transaktionen 51,5 Prozent der Steuereinnahmen.

Die Emissionsabgabe generiert für den Bund jährlich etwa 250 Millionen Franken an Einnahmen. Kantone und Gemeinden gehen leer aus. In Europa wird eine ähnliche Steuer nur in Liechtenstein, Griechenland und Spanien erhoben.

Warum soll diese Abgabe abgeschafft werden?

Die Reform der Stempelsteuer geht auf das Jahr 2009 zurück. Damals reichte die rechtsliberale Fraktion im Schweizer Parlament eine parlamentarische Initiative ein, um die drei bestehenden Stempelabgaben schrittweise abzuschaffen: Emissionsabgabe (auf die Ausgabe von Wertpapieren), Umsatzabgabe (beim Handel mit Wertpapieren) und Versicherungsstempel (auf Versicherungsprämien). Der Bund nahm im Jahr 2019 durch die Stempelabgaben 2,2 Milliarden Franken ein.

Ziel der Reform war es, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes zu stärken. Es dauerte jedoch lange, bis der Vorschlag umgesetzt wurde, da er in drei verschiedene Gesetzesentwürfe einfloss. Das Parlament setzte seine Debatten mehrmals aus, um die betroffenen Kreise zu konsultieren und die Koordination mit anderen Reformen zu ermöglichen.

Schliesslich beschloss der Nationalrat im Jahr 2020, die Abschaffung der Emissionsabgabe voranzutreiben, um Investitionen in Schweizer Unternehmen zu fördern und ihnen bei der Pandemie-Bewältigung unter die Arme zu greifen. Im Juni 2021 folgte der Ständerat und beschloss ebenfalls diese Aufhebung.

Warum wird das Volk zur Abstimmung aufgerufen?

Die linken Parteien (Sozialistische Partei, Grüne Partei, Partei der Arbeit) und die Gewerkschaften ergriffen jedoch das Referendum gegen die Abschaffung der Emissionsabgabe. Ihrer Meinung nach kommt diese Reform nur den reichsten Unternehmen zugute, die häufig schon von Steuerbefreiungen profitieren.

Referendum: Die Volksabstimmung als Vetorecht:

“Die Finanzbranche profitiert stark vom Wirtschaftsstandort Schweiz und bezahlt keine Mehrwertsteuer, weder auf ihre Produkte noch auf Transaktionen”, erklärt Adrian Wüthrich, Präsident des gewerkschaftlichen Dachverbandes Travail.Suisse. “Zudem werden die Kapitaleinkommen nicht besteuert. Umso gerechter ist es, dass diese Branche zumindest eine Emissionsabgabe bezahlt.”

Gemäss dem Referendumskomitee sind schlussendlich nur rund 50 multinationale Konzerne, Versicherungsgesellschaften und Banken von der Abschaffung dieser Stempelsteuer betroffen. Für die kleinen und mittleren Unternehmungen (KMU) und ihre Mitarbeitenden ergäben sich keinerlei Vorteile.

Zudem wird befürchtet, dass die zu erwartenden Steuerausfälle die bereits geschwächten öffentlichen Finanzen nachhaltig in Mitleidenschaft ziehen. Es könnte somit zu Kürzungen bei den Dienstleistungen für die Bevölkerung, bei Subventionen für Haushalte und Investitionen in den Klimaschutz kommen. Sie kritisieren auch die Strategie des Parlaments und der Regierung, die Abschaffung der unterschiedlichen Stempelsteuern zu splitten, um so den gesamten Verlust an Steuereinnahmen “zu verschleiern”. Das ganze Vorhaben sei “Teil der unehrlichen Verschleierungstaktik der Konzernlobby.” Gemäss den Befürworter:innen des Referendums könnten sich die Kosten künftig auf über 2 Milliarden Franken pro Jahr belaufen.

Wer unterstützt die Abschaffung der Stempelsteuer?

Die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital wird von der Wirtschaft und den Parteien der Rechten und der Mitte, die im Parlament die Mehrheit haben, befürwortet. Die Freisinnigen, die Schweizerische Volkspartei SVP, die Grünliberalen und die Mitte-Partei betonen, dass diese Steuer weltweit nahezu einzigartig ist und einen Wettbewerbsnachteil für den Wirtschaftsstandort Schweiz darstellt.

Sie räumen ein, dass die Abschaffung der Stempelsteuer kurzfristig zu Steuerausfällen führen wird. Sie weist jedoch darauf hin, dass eine Verbesserung der Rahmenbedingungen die Standortattraktivität der Schweiz erhöht und somit langfristig höhere Einnahmen generieren wird.

“Die Abschaffung der Emissionsabgabe wird neue Anreize für Investitionen in und durch Schweizer Unternehmen schaffen, sagt der FDP-Parlamentarier Beat Walti. Und fügt an: “Wenn Unternehmen ihr Kapital erhöhen, fliessen diese Mittel in die Innovation und schaffen Arbeitsplätze und Wohlstand.”

Was sagt die Schweizer Regierung?

Der Bundesrat befürwortet die Abschaffung der Emissionsabgabe. Er ist der Ansicht, dass sich dieses Vorgehen nicht nur positiv auf Unternehmen auswirken wird, die sich in der Schweiz niederlassen wollen, sondern auch auf Unternehmen, die umfangreiche Investitionsvorhaben verfolgen. Auch junge, wachstumsstarke Unternehmen werden laut Regierung von dieser Abschaffung profitieren, da sie leichter neues Eigenkapital beschaffen und ihre Entwicklung beschleunigen können.

Die Regierung ist der Ansicht, dass die Abschaffung dieser Abgabe im aktuellen Kontext von Vorteil ist, da sie einen Beitrag zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie leisten könne, indem sie die Rekapitalisierung angeschlagener Unternehmen erleichtere.

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