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Abkommen zum Schutz von Hausangestellten

Weltweit arbeiten schätzungsweise 100 Millionen Menschen als Hausangestellte. Keystone

Begleitet von Applaus und Tränen hat die Internationale Arbeits-Organisation (ILO) in Genf eine Konvention verabschiedet, mit der die Rechte von Millionen von Hausangestellten weltweit gestärkt werden sollen.

Das Abkommen zielt darauf ab, dass die schätzungsweise 100 Millionen Hausangestellten in der ganzen Welt in Zukunft weniger ausgebeutet werden. Die Konvention sieht unter anderem Mindestlöhne, geregelte Arbeitszeiten, Ferien und Anrecht auf Mutterschaftsurlaub vor.

Delegierte von Regierungen, Arbeitgebern und Gewerkschaften stimmten an der 100. Jahreskonferenz der ILO am Donnerstag in Genf mit 396 gegen 16 Stimmen bei 63 Enthaltungen für die Annahme der Konvention.

«Ich bin begeistert. Jahrelang habe ich auf diesen Moment gewartet», erklärte Shirley Pryce mit Tränen in den Augen gegenüber swissinfo.ch. Sie ist eine Hausangestellte aus Jamaica, die wie viele andere aus der ganzen Welt an der Konferenz teilgenommen hatte. «Ich wurde missbraucht und geschlagen – und jetzt werden wir Freiheit erhalten.»

Brasiliens Arbeitsminister Carlos Roberto Lupi sprach von einem entscheidenden Schritt zur Eliminierung der Diskriminierung. «Die 184 hier vereinten Länder haben das soziale Bewusstsein, den Millionen Menschen, die bisher als Bürger zweiter Klasse behandelt werden, diese Möglichkeit zu gewähren», sagte der Minister nach der Abstimmung.

Die Schweiz erklärte, die Konvention stelle einen «besseren Schutz» für Hausangestellte in der ganzen Welt dar. «Aus diesem Grund und aus Solidarität haben wir dafür gestimmt», erklärte der Schweizer Vertreter.

«Wir möchten aber unterstreichen, dass die Konvention Standards definiert und sehr ins Detail geht. Wir müssen jetzt die nationalen Verfahren anschauen; erst dann wird die Schweiz in der Lage sein, über eine allfällige Ratifizierung zu entscheiden.»

Schriftliche Verträge

 

Der Konvention und den begleitenden Empfehlungen zufolge müssen die Regierungen sicherstellen, dass die Hausangestellten über ihre Rechte informiert werden und diese auch verstehen, am besten in Form schriftlicher Verträge.

Die Konvention sieht unter anderem vor, dass Hausangestellte pro Woche mindesten einen Ruhetag haben. Die Arbeitgeber dürfen zudem von ihren Angestellten nicht verlangen, ihre Ferien oder Ruhetage im Haushalt des Arbeitgebers zu verbringen.

Die Verhandlungen waren intensiv, doch das Abkommen wurde auf breiter Front unterstützt, vor allem von Ländern, in denen es viele Hausangestellte gibt, wie etwa die Philippinen, Indonesien, Brasilien oder Südafrika, aber auch die USA und Golf-Staaten.

Nationale Behörden-Statistiken erfassten nach ILO-Angaben 2010 mindestens 52,6 Millionen Hausangestellte weltweit. Die ILO schätzt aber, dass die Zahl wahrscheinlich näher bei 100 Millionen liegt.

Ausgenutzt und missbraucht

 

Hausangestellte gehören noch immer zu den am stärksten ausgenutzten und missbrauchten Arbeitskräften. Rund 85% der Angestellten in diesem Sektor sind Frauen.

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Viele Angestellte werden zu unregelmässigen und langen Arbeitszeiten für wenig Lohn gezwungen und erhalten auch nicht genügend Ruhetage. Vor allem Angestellte, die im Haushalt ihres Arbeitgebers leben, müssen oft den ganzen Tag durch einsatzbereit sein.

Zum grössten Teil sind sie auch von Sozialleistungen wie Mutterschafts-Schutz oder Sozialversicherungen ausgeschlossen.

Die Konvention kann nach der Ratifizierung durch nur zwei Staaten in Kraft treten. Es steht den Staaten frei, die Konvention nicht zu unterzeichnen. Das könnte die Wirkung des Abkommens jedoch mindern. Verfechter weisen aber darauf hin, dass die Stärke der Konvention in den gesetzten Standards liege und der Gruppenzwang die Entwicklung beeinflussen könne.

Länder, die nicht mit der Entwicklung Schritt hielten, «werden den Druck spüren, wenn sie sich nicht an die zeitgemässen Standards halten», sagte Nisha Varia von der Nichtregierungs-Organisation Human Rights Watch.

Auch in der Schweiz noch Probleme

 

In der Schweiz gibt es etwa 50’000 nicht erfasste Hausangestellte, es könnten nach Ansicht von Experten allerdings auch doppelt so viele sein.


Martine Bagnoud, die sich bei der Interprofessionellen ArbeiterInnen-Gewerkschaft (Syndicat interprofessionel des travailleuses et travailleurs) in Genf vertieft mit dem Thema Hausangestellte befasst, erklärte, in der Schweiz sei die Lage «im Vergleich mit anderen Ländern bereits recht fortschrittlich».

Seit dem 1. Januar 2011 gilt in der Schweiz für Hausangestellte in Privathaushalten ein Mindestlohnansatz von 18 Franken 20 Rappen pro Stunde. Dies legte die Regierung in einer Verordnung über einen Normalarbeitsvertrag (NVA) für Hausangestellte fest. 

Der Vertrag gilt vorerst bis Ende 2013 in der ganzen Schweiz mit Ausnahme von Genf. Der Kanton hatte für die Branche schon früher selbst einen Mindestlohn eingeführt.

«Ein Mindestlohn ist ein grosser Schritt nach vorn», erklärte Bagnoud. «Dennoch gibt es in der Branche noch viel Missbrauch. Wir treffen auf viele Leute, die pro Monat nur 600 bis 700 Franken verdienen, oder die von einem Moment zum andern entlassen wurden.»
 

Sie kritisierte auch, dass der Minimallohn nur für Angestellte gelte, die mehr als fünf Stunden pro Woche arbeiteten. Und dass für Hausangestellte von Diplomaten in der Schweiz eine andere Verordnung gelte, in der die Regierung einen tieferen Mindestlohn festlegte, als im landesweiten Normalarbeitsvertrag.

Luis Cid, der Gründer der Gewerkschaft ohne Grenzen (Syndicat sans Frontières, SSF), die sich um Hausangestellte von Diplomaten kümmert, bezeichnete die neue Verordnung der Regierung und die tieferen Löhne als «Desaster» und «Schritt zurück». Zurzeit kümmere er sich um 30 Fälle von unterbezahlten Hausangestellten von diplomatischen Missionen in Genf.

Zu den Konferenz-Schwerpunkten gehörte neben der Konvention zum Schutz von Hausangestellten der Bericht von Generalsekretär Juan Somavia, in dem er eine «neue Ära der sozialen Gerechtigkeit» fordert.

Somavia prangerte das stets grösser werdende soziale Ungleichgewicht auf der Welt an und kritisierte die «Rückkehr zu alten Gewohnheiten» nach der Finanzkrise. Noch seien die Lehren aus der Krise nicht gezogen worden.

Global gesehen teilten sich 80% der Bevölkerung 30% des Reichtums. Und das Einkommen der 61 Millionen Reichsten sei gleich gross wie jenes der 3,5 Milliarden Ärmsten.

Ein weiterer Schwerpunkt war ein Bericht über schwere und gefährliche Kinderarbeit: 115 der rund 215 Millionen Kinder, die weltweit arbeiten müssten, seien davon betroffen. Das Ziel, bis 2016 den schlimmsten Formen der Kinderarbeit ein Ende zu setzen, gerate in Gefahr.

Die 100. Jahreskonferenz der ILO fand vom 1. bis 17. Juni in Genf statt.

Teilgenommen an der Konferenz hatten unter anderem die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, Russlands Regierungschef Wladimir Putin und Tansanias Präsident Jakaya Kikwete sowie die Schweizer Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey.

Die Schweiz wurde für die Periode 2011-2014 in das Exekutiv-Komitee der ILO gewählt.

(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

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