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Die Schweizerin, die Deutschland das 120-Mio.-Hafenmuseum liefert

Ursula Richenberger auf dem Gelände des Hamburger Hafenmuseums, dessen Leiterin sie war. Wird die Schweizerin dereinst Chefin des Deutschen Hafenmuseums? Die Planungs-Fäden laufen schon mal bei ihr zusammen. Petra Krimphove

Die gebürtige Zürcherin Ursula Richenberger leitet die Planung für Hamburgs neues Prestigeprojekt: das Deutsche Hafenmuseum. Dabei war sie anfangs in Norddeutschland todunglücklich.

Es ist eine Mammutaufgabe, die ihr anvertraut wurde: Nach der Elbphilharmonie soll das Deutsche Hafenmuseum der nächste architektonische Leuchtturm für Hamburg werden. Bund und Hansestadt lassen sich das Vorhaben insgesamt 120 Millionen Euro kosten, 2027 sollen die Türen öffnen.

Der StandortExterner Link steht fest: Der zentrale neue Museumsbau wird Teil des neuen Stadtteils Grasbrook sein. Dessen Gestaltung wurde in einem kürzlich abgeschlossenen städtebaulichen Wettbewerb entschieden, den die Basler Stararchitekten Herzog & de Meuron gewannen.

In der nächsten Phase folgt im Sommer 2021 der Architekturwettbewerb für das Museum. 185 Millionen Euro stehen für das gesamte Projekt und alle Planungsphasen zur Verfügung, davon 65 Millionen allein für das Gebäude.

Ein durchaus mögliches “Schweizer Szenario”: Herzog & de Meuron bauen nach der Elbphilharmonie auch das Museum und Ursula Richenberger wird dessen Leiterin. Über die Führung des Hauses wird nach der Fertigstellung eine Ausschreibung entscheiden.

Die Kulturwissenschaftlerin Ursula Richenberger hält als Projektleiterin seit Mitte 2018 die vielen Fäden zusammen und ist zugleich das sympathische Gesicht des Megaprojekts. Wieder und wieder erklärt sie in der Öffentlichkeit, was das Deutsche Hafenmuseum so besonders machen wird – und warum es seinen Preis wert ist.

Noch existiert das Haus nur auf dem Papier und in den Köpfen. Ich treffe sie zum Gespräch in ihrer alten Arbeitsstätte, dem Hamburger Hafenmuseum, untergebracht in einem historischen Kai-Schuppen. Fünf Jahre lang, bis Mitte 2018, machte die Schweizerin hier den etwas in die Jahre gekommenen Ort fit für die Zukunft. “Die Ursula hat hier unheimlich viel bewegt und neue Besucher ins Haus geholt“, sagt ein Mitarbeiter, der sich sichtlich über den Besuch seiner ehemaligen Chefin freut.

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Sie liess zum Beispiel ehemalige Hafenmitarbeiter aus ihrem Arbeitsalltag zwischen Schiffen und Kränen erzählen. Die Halle war zum Platzen voll. Der Erfolg empfahl sie wohl für höhere Aufgaben. Das engagierte Team des Hamburger Hafenmuseums liess die Chefin vor zwei Jahren nur ungern ziehen und ist zugleich mächtig stolz auf deren neuen Job. Dieser katapultiert Richenberger von der lokalen auf die nationale und internationale Ebene der Museumsarbeit.

Ursula Richenbergers frühere Heimat: Das Hafenmuseum der Stadt Hamburg in einem ehemaligen Kai-Gebäude. Petra Krimphove

Das Thema Hafen hat viele Facetten

Inmitten alter Ausstellungsstücke aus dem Hafenalltag erzählt die Kulturwissenschaftlerin von ihrer Vorstellung für ein Museum des 21. Jahrhundert: Das Deutsche Hafenmuseum soll ein offener, moderner und politischer Ort der Begegnung werden, der das Thema Hafen in seinen vielen Facetten beleuchtet. Die umfassen weit mehr als Hafenromantik, gigantische Containerschiffe und die beeindruckende Infrastruktur im Frachthafen.

“An Häfen lassen sich Themen wie Globalisierung, Migration und auch Ausbeutung wie im Brennglas verdeutlichen”, sagt Richenberger. Zum Beispiel anhand von Containerschiffen, die mit Billigware aus Südostasien anlegen, die dort unter menschenunwürdigen Bedingungen gefertigt wurden.

Dass der Hamburger Hafen einmal ihre Leidenschaft werden würde, wäre ohne einen ungewollten Umzug wohl nicht passiert. 1970 kam Ursula Richenberger in Zürich zur Welt. Als ihr Vater starb, war sie gerade einmal neun Jahre alt war. Ihre deutsche Mutter zog mit den beiden Kindern zurück in ihre norddeutsche Heimat.

“Verschleppt” nennt die Tochter das heute und schaut für einen Moment ungewohnt ernst, der Schock über die so fremde Umgebung sass tief.  Ursula und ihr zwei Jahre jüngerer Bruder sprachen Schweizerdeutsch und wurden von ihren neuen Mitschülern verständnislos angeschaut. “Wir waren Fremdkörper in der Klasse und in der Umgebung”, erinnert sie sich an ihre Kindheit.

Es dauerte, bis sie begriff, dass sie deshalb keine Antwort auf so manche Frage erhielt, weil man sie schlicht nicht verstanden hatte. Also beschlossen die Geschwister, fortan zuhause miteinander hochdeutsch zu sprechen, ein selbstbestimmter Abschied vom alten Leben. Nach einem Jahr hatten sie sich eingelebt. Doch die Sehnsucht nach der Schweiz blieb.

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“Das Hafen macht etwas mit den Menschen”

Mittlerweile fühlt sie sich in Hamburg zuhause, schätzt die “dröge und doch sehr herzliche Art der Norddeutschen”. Das Meer und der Hafen, ja das mache schon etwas mit den Menschen und der Stadt, sagt sie. Zwar liegt Hamburg an der Elbe und nicht direkt am Meer, doch das ist durch die weitläufige Hafenanlage, die gigantischen Containerschiffe und das Tuten der grossen Pötte (Schiffe) allgegenwärtig.

Zeugen aus einer anderen Zeit: Das Gelände des Hamburger Hafenmuseums. Für das neue Deutsche Hafenmuseum wird es einen Neubau geben. Petra Krimphove

Häfen sind Tore zur Welt, Hafenstädte international und weltoffen. “Rund um die Uhr ist hier die Welt zu Gast”, sagt sie. Fehlt der meerlosen Schweiz entsprechend etwas davon? Richenberger überlegt, doch als Manko mag sie es nicht formulieren. Die Schweiz habe die Berge, sie prägten die Menschen auf eine eben andere Art, als die Weite des Ozeans und der Hafen es tue. Sie selber liebe beides, sagt sie diplomatisch.

Einmal versuchte sie den Neustart in der Schweiz

Und doch: Ihren Schweizer Pass würde sie nie hergeben oder gegen einen deutschen tauschen, den sie auch 40 Jahre nach ihrem Umzug nicht besitzt. “Gefühlt bin ich weiterhin Schweizerin”, das stecke ganz tief in ihr drin. Vielleicht wegen des früh verstorbenen Schweizer Vaters, dem sie sehr nah stand.

Einmal versuchte sie zurückzugehen, arbeitete nach dem Abitur für ein Jahr in einem Hotel am Vierwaldstättersee, auch, um ihre Heimat, der sie als Kind so abrupt entrissen wurde, wieder und neu zu entdecken. “Es war eine wichtige Zeit, um mich noch einmal mit meiner Identität auseinanderzusetzen”, sagt sie. Dort begann sie auch, sich für das Thema Kulturmanagement zu interessieren.

Und so zog es die junge Frau dann doch zurück in den Norden nach Lüneburg, um dort zu studieren – weil entsprechende Studiengänge damals in der Schweiz noch nicht existierten und auch, weil die Berufsmöglichkeiten in Deutschland dann doch weit grösser waren. “Das war dann eine bewusste Entscheidung für den Norden.”

Wenn sie heute in Schweiz reist, dann auch, um sich dort in der innovativen Museumslandschaft Anregungen für ihr Projekt zu holen. Besonders mag die begeisterte Museumsgängerin das StapferhausExterner Link in Lenzburg und wie dort “sehr aktuelle Fragestellungen durch eine moderne Brille” gesehen werden. Das soll auch der Ansatz für das Deutsche Hafenmuseum werden, das sich auch mit all den Binnenhäfen entlang der grossen deutschen Flüsse befassen wird.

Vielleicht wird es ja auch mal eine Ausstellung zum Basler Rheinhafen geben? “Warum nicht”, sagt sie und lacht. So würde sie ein norddeutsches Hafenmuseum dann mit ihrer gefühlten Heimat verbinden.

ist der grösste Deutschlands und nach Rotterdam und Antwerpen der drittgrösste Europas. Hier laufen jährlich rund 8700 Schiffe mit einer Länge bis zu 400 Metern Länge ein und machen an insgesamt 43 Kilometern Kaimauern fest. Jährlich werden knapp zehn Millionen Standardcontainer verladen.

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