The Swiss voice in the world since 1935
Top Stories
Schweizer Demokratie
Newsletter

Die Welt bekämpft die Nikotinsucht, Schweizer Tabakmultis stehen im Weg

erhitzter Tabak
Die FCTC fordert die Staaten auf, alle Tabakprodukte zu regulieren, da sie die von den Herstellern propagierten Argumente der "Risikominderung" als "trügerisch" bezeichnet. Copyright 2018 The Associated Press. All Rights Reserved

Die COP11 der WHO-Rahmenkonvention zur Eindämmung des Tabakkonsums (FCTC) wurde am Samstag in Genf abgeschlossen. Die Schweiz hat die Konvention bis heute nicht ratifiziert und gehört damit zu den Ländern, die am stärksten dem Einfluss der Tabakindustrie unterliegen.

Als Sitz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Genf derzeit die Welthauptstadt der Tabakbekämpfung. Nach sechs Tagen der Beratungen endete am 22. November die elfte Tagung der Konferenz der Vertragsparteien (COP11)Externer Link des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakkonsums (FCTC).

Noch diese Woche treffen sich die Vertragsparteien des Protokolls zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Tabakerzeugnissen.

«Im Rahmen dieser COP11 wurden mehrere wichtige Entscheidungen getroffen», verkündete Andrew Black, der amtierende Leiter des Sekretariats der FCTC, auf der abschliessenden Pressekonferenz.

«Diese Entscheidungen werden die Umsetzung des Übereinkommens stärken und dazu beitragen, in den kommenden Jahren Millionen von Menschenleben zu retten sowie den Planeten vor den durch Tabak verursachten Umweltschäden zu schützen», sagte er.

Externer Inhalt

Zu den beschlossenen Massnahmen gehören unter anderem Schritte gegen die Umweltverschmutzung durch Abfälle von Tabakerzeugnissen und deren Derivaten sowie ein Verbot von Tabakerzeugnissen und E-Zigaretten in allen Räumlichkeiten der Vereinten Nationen. Auch die Bedeutung der Finanzierung nationaler Programme zur Tabakkontrolle wurde erneut bekräftigt.

Eine COP unter Einfluss

Da innerhalb der vorgegebenen Frist jedoch kein Konsens erzielt werden konnte, mussten zwei Tagesordnungspunkte auf die COP12 verschoben werden, die 2027 in Armenien stattfinden soll.

Diese betrafen die Verpflichtung der Länder, Massnahmen zur Bekämpfung der Nikotinabhängigkeit zu ergreifen und die Bevölkerung vor den Interessen der Tabakindustrie und ihren «irreführenden Gesundheitsbehauptungen zur Verringerung der schädlichen Auswirkungen» zu schützen, wie Kate Lannan, leitende Juristin im Sekretariat der FCTC, sagte.

Sie bezog sich dabei auf die Argumente der Tabakkonzerne, wonach beispielsweise ein erhitztes Tabakprodukt weniger gesundheitsschädlich sei als eine Zigarette.

Black fügte hinzu, dass für die FCTC «die unglaubliche Einmischung der Tabakindustrie» nach wie vor eines der grössten Hindernisse für die Umsetzung einer wirklich wirksamen Tabakkontrolle auf globaler Ebene sei.

Er ergänzte, dass die Tabakindustrie besonderes Interesse an dieser COP gezeigt habe und dass Versuche gemeldet worden seien, die Verhandlungen zu beeinflussen.

Eine weltweit einflussreiche Industrie

Die Einmischungstaktiken der Zigarettenhersteller nehmen weltweit nicht ab, ganz im Gegenteil. Laut der Ausgabe 2025 des Global Tobacco Industry Interference IndexExterner Link (globaler Index zur Einmischung der Tabakindustrie) werden sie sogar immer aggressiver.

Der Mitte November veröffentlichte Bericht zeigt, dass die Hersteller versucht haben, sich aktiv in die Ausarbeitung und Umsetzung politischer Massnahmen einzumischen. Dazu haben sie Entscheidungstragenden in vielen Ländern Investitions- und Beschäftigungsversprechen, kostenlose Reisen zu ihren Einrichtungen oder Initiativen zur sozialen Verantwortung angeboten.

Viele Regierungen geben diesem Druck nach. In fast der Hälfte (46) der 100 im Index bewerteten Länder hat sich der Einfluss der Branche verstärkt. Etwas mehr als 30 Länder haben Fortschritte erzielt und nur 18 haben neue Massnahmen ergriffen oder die Umsetzung bestehender Massnahmen verstärkt, um sich dagegen zu schützen.

Externer Inhalt

Die Schweiz am Ende der Rangliste

In dieser Hinsicht ist die Schweiz das Schlusslicht. Mit dem zweithöchsten Wert erreicht sie den vorletzten Platz. Nur die Dominikanische Republik schneidet noch schlechter ab. Die Punktzahl der Schweiz hat sich von 92/100 im Jahr 2021 über 95 im Jahr 2023 auf 96 im Jahr 2025 weiter verschlechtert.

Um dieses schlechte Ergebnis zu erklären, muss zunächst darauf hingewiesen werden, dass die Schweiz zwar Sitz der WHO-Rahmenkonvention zur Eindämmung des Tabakkonsums ist, ihr selbst aber nicht beigetreten ist. Sie ist daher an keine internationalen Verpflichtungen gebunden.

Externer Inhalt

Obwohl sie das FCTC-Übereinkommen im Jahr 2004 unterzeichnet hat, hat sie es nie ratifiziert, da sie die Anforderungen nicht erfüllen konnte. Während Fachleute aus dem Gesundheitswesen eine Ratifizierung fordern, lehnen Wirtschaftskreise diese ab.

Der Sitz der Tabakriesen

Die Tabakindustrie ist ein Schwergewicht der Schweizer Wirtschaft. Seit vielen Jahren beherbergt die Schweiz die Hauptsitze von drei der weltweit grössten Unternehmen der Branche: Philip Morris International (PMI), British American Tobacco (BAT) und Japan Tobacco International (JTI). Aber auch andere Akteure wie Oettinger Davidoff und Villiger Söhne sind hier ansässig.

Diese Standorte sind wichtige Lieferanten von Steuereinnahmen und Arbeitsplätzen. Ihre Räumlichkeiten, besonders der hochmoderne Forschungs- und Entwicklungsstandort von PMI in Neuenburg, sind regelmässig Ziel gesponserter Besuche von Entscheidungstragenden aus anderen Ländern, wie aus dem Global Tobacco Industry Interference Index hervorgeht.

Starke politische Verflechtungen

Aufgrund ihres wirtschaftlichen Beitrags ist die Tabakindustrie auch in den politischen Kreisen der Schweiz sehr gut vernetzt. Die bekannte Durchlässigkeit zwischen beiden Welten ist der Hauptgrund für das schlechte Abschneiden der Schweiz, wie wir bereits in einem Artikel aus dem Jahr 2022 dargelegt haben.

Mehr
Hauptsitz des Tabakriesen Philip Morris in Lausanne

Mehr

Schweizer Politik

Wie die Tabaklobby die Schweizer Politik beeinflusst

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Mit den Tabakgiganten und ihrer Lobby gehört die Schweiz zu den Ländern, wo diese Industrie grossen Einfluss auf die Politik hat.

Mehr Wie die Tabaklobby die Schweizer Politik beeinflusst

«Es gibt eine bemerkenswert hohe Anzahl direkter Verbindungen zwischen dem Parlament und der Tabaklobby», sagt LobbywatchExterner Link. Die Organisation hat sich auf die Überwachung von Interessengruppen in der Schweiz spezialisiert und zum Index der Einflussnahme der Tabakindustrie beigetragen.

Ihren Recherchen zufolge unterhalten etwa 30 Parlamentsmitglieder direkte oder indirekte Beziehungen zur Tabakindustrie, darunter auch Parlamentsmitglieder, die in den zuständigen Kommissionen für die Tabakregulierung sitzen.

Die Beratungen dieser Kommissionen werden geheim gehalten. Mehrere Parlamentarier:innen haben Industrievertreter:innen ganz legal ihre Zugangsausweise für die reservierten Bereiche des Bundesparlaments ausgehändigt.

Das Schweizer System erlaubt es Parlamentarier:innen, neben ihren gewählten Ämtern von verschiedenen privaten Gruppen und Organisationen bezahlt zu werden. Diese Interessenbindungen müssen offengelegt werden, nicht jedoch die Höhe der Vergütungen.

Diese Regeln unterscheiden sich von denjenigen, die für die Lobbyarbeit im Europäischen Parlament gelten. Auch dort betreibt die Tabakindustrie aktive und legale Lobbyarbeit.

Allerdings müssen sich Lobbyist:innen in das Transparenzregister eintragen und beispielsweise die Höhe und den Gegenstand ihrer Lobbyaktivitäten sowie eine Liste ihrer Termine angeben. Geldzahlungen an Europaabgeordnete gelten nicht als Lobbyarbeit, sondern als Korruption.

Geringe Kontrolle des Tabakkonsums

Nichts hindert die Tabakindustrie daran, Kandidaturen oder Parteien zu finanzieren – die rechten Parteien SVP und FDP erhielten bei den eidgenössischen Wahlen 2023 Geld von PMI – oder sich an der Ausarbeitung politischer Massnahmen zu beteiligen.

Lobbywatch ist der Ansicht, dass «der Einfluss der Tabaklobby auf den Gesetzgebungsprozess bei der Umsetzung der Volksinitiative ‹Kinder ohne Tabak› deutlich zum Ausdruck kam».

Der 2022 verabschiedete Text, der ein Verbot der Tabakwerbung für Kinder und Jugendliche vorsieht, war eine der ersten nennenswerten Regulierungsmassnahmen seit Jahren. Einige zentrale Bestimmungen wurden jedoch «abgeschwächt», so Lobbywatch.

Laut dem Global Tobacco Industry Interference Index spiegelt sich all dies in «der Schwäche der Schweizer Gesetze zur Tabakkontrolle» wider. Gemäss der letzten Rangliste der «Tobacco Control Scale» aus dem Jahr 2021 ist die Schweiz nach Bosnien und Herzegowina das Land auf dem europäischen Kontinent mit den geringsten Tabakvorschriften.

Externer Inhalt

Editiert von Virginie Mangin; Übertragung aus dem Französischen mit Hilfe von DeepL: Melanie Eichenberger

Externer Inhalt

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft