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Eine neue Schweizer Hochseeflagge erfordert Phantasie

Mark Pieth

Das Binnenland Schweiz ist drauf und dran, seine Chancen bei der Neuregulierung der Hochseeschifffahrt zu verspielen, findet der Basler Anti-Korruptionsexperte und Autor von "Seefahrtsnation Schweiz" Mark Pieth.

Wir müssen uns eingestehen, dass die aktuelle Schweizer Hochseeflagge eher peinlich ist: Gerade noch 14 Schiffe werden von zwei Reedereien betrieben.

Die meisten Schiffe sind in die Jahre gekommen und stellen den Restbestand der vom Bund durch Solidarbürgschaften subventionierten Flotte dar. Sie hatten in Kriegs- und Krisenjahren zur Versorgung der Schweiz ihren Sinn, in der Zeit der globalisierten Schifffahrt ist das Modell aber überholt.

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Zu Recht erwägt der Bundesrat gegenwärtig, die Schweizer Hochseeflagge auf eine neue Basis zu stellen. Dabei werden allerdings zwei Themen, die eigentlich zusammengehörten, getrennt diskutiert: die neue Seefahrtsstrategie und die sogenannte Tonnagesteuer. Anstelle der ordentlichen Unternehmenssteuer sollen Schweizer Reedereien für eine Pauschalbesteuerung auf Frachtraum und Einsatztage optieren dürfen, die regelmässig deutlich tiefere Steuererträge bewirkt.

Falsche Vorbilder

Das Risiko besteht, dass die Schweiz, die im allgemeinen Verständnis nicht eigentlich zu den Seefahrtsnationen der Welt gehört, abkupfert, was andere bereits länger und besser machen. Wir werden, da unsere Vorstellungen im Umwelt-, Sicherheits- und Arbeitsschutz deutlich höher liegen, aber nie die Anzahl Schiffe wie die Billigflaggen anziehen (wie Panama, Marshall Islands oder Liberia).

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Es brauchte auch einiges, um zu einer echten Konkurrenz zu den europäischen Zweitflaggen (wie Deutschland, Norwegen, Niederlande) zu werden. Im Steuerbereich versuchen wir – abermals scheinbar losgelöst von der Seefahrtsstrategie – hinter den Grossen der Branche herzurennen.

Dabei gäbe es echte Alternativen, die aktuell und attraktiv wären: Gegenwärtig wird die Weltschifffahrt auf Treibhausgasneutralität getrimmt.

Die Weltschifffahrtsorganisation der UNO, die International Maritime Organization (IMO), ist daran, anspruchsvolle Ziele zu setzen und die Schiffsmotorenwerften entwickeln im Eilzugtempo alternative Antriebssysteme.

Es fällt dabei auf, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz die Nase vorn haben. ABB und Liebherr etwa sind massgeblich an der Umrüstung grosser Frachtschiffe auf windunterstützten Antrieb beteiligt. Die traditionellen Schiffsmotorenwerften in der Ostschweiz (WinGD in Winterthur) arbeiten an neuen Antriebssystemen mit Ammoniak, Methanol oder Wasserstoff.

Subventionen zum Schutz der Ozeane

Statt nun einer Branche, die nicht wirklich in der Schweiz verwurzelt ist (mit MSC oder den Schifffahrtsarmen der Rohstoffhändler) ein unmotiviertes Steuergeschenk zu machen, könnte die Tonnagesteuer zum Teil der Schweizer Schifffahrtsstrategie gemacht werden.

Konkret: Wer bereit ist, einen Grossteil seiner Flotte (etwa 60%) in der Schweiz oder in Europa einzuflaggen und damit den Umwelt- und Arbeitsstandard gegenüber den Billigflaggen anzuheben, würde, wenn er obendrein noch innovative Antriebssysteme verwendet, zu Recht durch die Tonnagesteuer subventioniert.

Das gegenwärtige Projekt der Tonnagesteuer unterstützt die Betreiber von “Dreckschleudern”, auch wenn sie an Billigstandorten eingeflaggt sind. Die Schweiz sollte ihre Subventionen gezielt für den Schutz der Ozeane, des Klimas und für akzeptable Arbeitsbedingungen an Bord einsetzen.

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