Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Parteien buhlen um die Gunst der Fünften Schweiz

Hände strecken sich nach einem Ballon
Die grossen Parteien werben um Stimmen bei den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern. © Keystone / Anthony Anex

Es geht um mindestens 200'000 Stimmen – die Auslandschweizer:innen sind ein nicht zu unterschätzendes Wähler:innenpotenzial.

Hätten bei den letzten eidgenössischen Wahlen 2019 nur die Stimmen der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer gezählt, dann hätte es keine grüne Welle gegeben, sondern einen grünen Tsunami.

Denn jeder vierte Schweizer im Ausland hat die Grünen gewählt. Das sind mehr als doppelt so viele wie in der Schweiz selbst.

Wenn die Schweizer Stimmbevölkerung im Herbst ein neues Parlament wählt, dann sind auch diejenigen gemeint, die ihre Stimme aus der Ferne abgeben. Über 800’000 Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland, rund ein Viertel von ihnen hat sich in ein Schweizer Wahlregister eintragen lassen.

Für Grünen-Generalsekretärin Rahel Estermann ist deshalb klar, dass ihre Partei den Fokus für die kommenden Wahlen im Herbst noch stärker auf die Schweizer Diaspora legt: “Wir sind daran, einen Vorstoss auszuarbeiten, der eine direkte Vertretung dieser Gruppe in National- und Ständerat fordert.”

Diagramm Wahlen 2019
swissinfo.ch

Gar nicht so links

Auslandschweizerinnnen und Auslandschweizer haben 2019 überproportional die Grünen gewählt, dafür unterdurchschnittlich die SVP. Nationalrat Roland Rino Büchel ist für die SVP Mitglied im Auslandschweizerrat der Auslandschweizer-Organisation.

Er ist überzeugt, dass seine Partei bei den Auslandschweizerinnen wieder zulegen kann – denn im Herbst werde es verstärkt wieder um Werte gehen: “Das Pendel schlägt zurück – und ich bin mir ziemlich sicher, dass das Stehen zu den Werten der Schweiz der SVP zum Erfolg verhelfen wird.”

Laut Politgeograf Michael Hermann sind die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer längst nicht so links positioniert, wie das Wahlresultat von 2019 vermuten lässt. Denn bei Abstimmungen sehe es anders aus, sagte er kürzlich gegenüber Swissinfo.

So hätten sie der Erhöhung des Rentenalters für Frauen überdurchschnittlich zugestimmt – entgegen der Empfehlung der Linken. “Das Profil der Auslandschweizer würde also eher dem Profil der Grünliberalen entsprechen”, so Hermann.

Doch die GLP konnte vor vier Jahren davon nicht profitieren. Das soll sich dieses Jahr ändern. Die Partei will mit der neu gegründeten GLP International die Schweizer im Ausland besser erreichen. Zudem setzt sich die GLP für die Einführung des E-Votings ein.

Forderung nach E-Voting

Dafür kämpft auch Mitte-Politikerin Elisabeth Schneider-Schneiter, welche ebenfalls Mitglied im Ausländerbeirat ist. “E-Voting ist für Auslandschweizer absolut essenziell” – denn so könne der doch unterdurchschnittliche Wähleranteil der Auslandschweizer erhöht werden.

Skeptischer in dieser Frage ist SP-Fraktionschef Roger Nordmann. Er ist nicht bereit, Kompromisse bei der Sicherheit der Stimmabgabe einzugehen. “Derzeit gibt es keine sichere Lösung fürs E-Voting.”

Die SP war bisher die einzige Partei, die mit Tim Guldimann einen Auslandschweizer im Nationalrat stellte. Nach zweieinhalb Jahren pendeln von Berlin nach Bern war allerdings Schluss. Für Nordmann ist dieses Modell nicht praktikabel. Nationalrat sei ein Fulltime-Job, den könne man nicht quasi vom Ausland her machen, sagt er.

Auslandschweizer:innen als Stimmenbringer:innen

Auch bei der GLP ist die direkte Wahl von Auslandschweizern ins nationale Parlament nicht das vorrangige Ziel. Auslandschweizerinnen würden nur auf Unterlisten zur Wahl aufgeführt, um die Hauptlisten und -kandidaten zu unterstützen, sagt GLP-International-Präsident Thomas Häni. Er selber lebt im deutschen Ulm und kandidiert auf einer GLP-Unterliste im Kanton Basel-Stadt.


Sicher ist: Die Schweizer Diaspora wird politisch immer wichtiger. Denn ihre Zahl steigt jährlich deutlich an. Sie zu vernachlässigen, kann und will sich keine Partei mehr leisten.

Externer Inhalt

Dieser Beitrag wurde von SRF am 29. Mai 2023 publiziert. Hier geht es zum BeitragExterner Link.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft