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UNO-Appell an die Schweiz: Nehmt mehr afghanische Flüchtlinge auf!

Flüchtlinge
Afghanische Flüchtlinge besteigen am 28. September 2021 in Griechenland ein Flugzeug, um nach Portugal umgesiedelt zu werden. Copyright 2021 The Associated Press. All Rights Reserved

Das UNHCR bittet die Schweiz und andere Staaten um die Aufnahme von mehr afghanischen Flüchtlingen. Der Bundesrat reagiert zurückhaltend.

Der Uno-Hochkommissar für Flüchtlinge hat die Schweizer Regierung – ebenso wie andere Länder – in einem Brief darum gebeten, mehr Menschen aus Afghanistan aufzunehmen. Eine Sprecherin des Aussendepartements bestätigt auf Anfrage von swissinfo.ch den Eingang des Schreibens, will sich aber nicht über den Inhalt äussern.

Ein Thema war der Brief hingegen am Donnerstag im Schweizer Parlament, das sich in einer Sonderdebatte mit Afghanistan beschäftigte. “Die Grünliberalen fordern den Bundesrat auf, dem Gesuch der Uno nachzukommen und mehr Flüchtlinge aufzunehmen”, sagte beispielsweise Roland Fischer von der GLP.

Die Sozialdemokraten und die Grünen verlangten pauschal, dass die Schweiz 10’000 Flüchtlinge aus Afghanistan aufnimmt. “Die Zeit der Ausreden ist vorbei”, sagte Fabian Molina (SP). “Das UNHCR hat die Schweiz endlich offiziell angefragt, Flüchtlinge aufzunehmen. Handeln Sie endlich, Frau Bundesrätin Keller-Sutter!”

Bundesrat wiegelt ab

Die Angesprochene, Justizministerin Karin Keller-Sutter der liberalen FDP, nahm vor dem Parlament Stellung: Das UNHCR habe in Vorbereitung des Afghanistan-Forums ein Schreiben an die teilnehmenden Staaten verfasst mit der Bitte, die Kontingente zu erhöhen für Afghan:innen, die in den Iran und nach Pakistan geflüchtet seien. “Es geht also nicht um die Aufnahme von Menschen, die jetzt in Afghanistan sind, sondern um so genannte Resettlements: Die Neuansiedlung von Schutzbedürftigen, die im Land ihrer Zuflucht keine Perspektiven haben”, so die Bundesrätin.

Taliban
Taliban in der Provinz Panjshir im September 2021. Laut der Bundesrätin geht es bei der Forderung des UNHCR nicht um Menschen, die jetzt in Afghanistan von der Machtübernahme der Taliban betroffen sind, sondern um frühere Flüchtlinge. Copyright 2021 The Associated Press. All Rights Reserved.

Die Schweiz habe im Rahmen ihrer Resettlement-Programme mit Ägypten, Libanon und der Türkei bereits Afghan:innen übernommen. “Der Bundesrat hat bisher keinen Entscheid bezüglich einer zusätzlichen Aufnahme gefällt”, so Keller-Sutter. Spontane Ankündigungen seien nicht zielführend, sondern könnten negative Auswirkungen haben, indem sie falsche Signale aussendeten und Menschen falsche Hoffnungen machten, die sich dann auf eine gefährliche Reise begeben könnten.

Die Schweiz spricht sich mit anderen Ländern ab

Die Justizministerin stellte klar, dass die Schweiz keine Alleingänge macht. “Es muss eine international abgestimmte Lösung sein”, so Keller-Sutter. Die Schweiz werde sich an der internationalen Debatte beteiligen und das Ersuchen des UNHCR in Absprache mit den Kantonen und Gemeinden prüfen. “Massgebend wird der humanitäre Bedarf sein”, sagte Keller-Sutter und dämpfte sogleich die Hoffnungen der Linken: Der Gemeindeverband habe sich bereits negativ geäussert, man wolle die Kontingente nicht vorschnell erhöhen.

Afghan:innen fliehen aktuell gar nicht

Keller-Sutter wies auch darauf hin, dass es noch keine grosse Fluchtbewegung aus Afghanistan gebe, weder nach Pakistan noch in den Iran.

Dies war auch dem Parlament aufgefallen. Laut Tiana-Angelina Moser von den Grünliberalen ist dies darauf zurückzuführen, dass die Menschen das Land gar nicht verlassen könnten. Umso wichtiger sei die humanitäre Hilfe in Afghanistan.

Kurt Fluri von der FDP folgerte hingegen: “Wir schliessen daraus, dass die Werte der Taliban von einem grossen Teil der Bevölkerung geteilt werden.”

Die SVP macht sich derweil Sorgen, dass die Schweiz wieder in ein Asylchaos wie 2015 schlittern könnte. Die Partei lehnt deshalb Flüchtlingskontingente für Afghanistan generell ab. Laut Roger Köppel (SVP) sollten Kriegsflüchtlinge am besten in der Nähe ihres Heimatlandes Schutz finden.

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