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Vom Tourguide zum Diplomaten

Ein Konsul im wilden Norden: Die Arbeit von Marcel Schütz findet meist dick eingepackt im Freien statt und nicht hinter dem Schreibtisch. Bruno Kaufmann, SRF

Der Berner Marcel Schütz wanderte mit 20 Jahren auf die Insel unter dem Nordpol aus. Als erster ausländischer Diplomat vor Ort hilft er heute gestrandeten Forschenden aus der Patsche.

In Longyearbyen, dem Hauptort der hocharktischen Inselgruppe Spitzbergen, wurden in diesem Sommer die höchsten je gemessenen Durchschnittstemperaturen registriert: 7,7 Grad. «Das Klima hat sich hier in den letzten 15 Jahren rasant gewandelt», sagt Marcel Schütz. Der 34-Jährige ist seit zwei Jahren Honorarkonsul der Schweiz.

Das Archipel auf halbem Weg zwischen Nordkap und Nordpol dient vielen Forschenden als eine Art Fiebermesser für den globalen Klimawandel: «Schweizer Forschungseinrichtungen haben in den letzten Jahren über 100 Projekte auf Spitzbergen durchgeführt», sagt Marcel Schütz.

Immer wieder kam es in der Vergangenheit zu brenzligen Situationen: «Etwa, wenn eine Forschende im Feld verunfallt oder Unklarheiten über die geltenden Bestimmungen herrschen», erklärt Schütz.

Schneelandschaften wohin das Auge reicht. Bruno Kaufmann, SRF

Er arbeitete auf der Insel zuerst in der Gastronomie, dann als Tourguide – heute unterstützt er Expeditionen logistisch und begleitet sie als Fotograf. Seit zwei Jahren ist er der offizielle Vertreter Berns auf Spitzbergen: «Als Schweizer Honorarkonsul bin ich im Krisenfall das Bindeglied in die ferne Heimat.» Schütz ist der erste vor Ort lebende ausländische Diplomat.

Der Griff zur Schreckpistole

Als erfahrener Spitzbergen-Bewohner, der grosse Teile des Jahres ausserhalb der wenigen Siedlungen verbringt, lässt sich Schütz auch von Eisbären nicht aus der Ruhe bringen. «Ein einziges Mal musste ich in all diesen Jahren zur Schreckpistole greifen», berichtet er. «Dabei bin ich auf meinen Touren schon viele Male einem Bären begegnet.» Wer die Stadtgrenzen von Longyearbyen verlässt, ist dazu verpflichtet, ein geladenes Gewehr mit sich zu tragen: zur Notwehr.

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Die politischen Verhältnisse auf Spitzbergen regelt der aus dem Jahre 1920 stammende internationale Völkerbundsvertrag: Er übertrug Norwegen die Souveränität und erklärte Spitzbergen zu einem neutralen, demilitarisierten – und weltoffenen Territorium. «Jede und jeder, der sich hier aus eigenen Kräften versorgen kann, darf sich auf Spitzbergen ansiedeln», sagt Marcel Schütz.

Klimawandel, Übertourismus und Kriegsfolgen

Aber neue Herausforderungen machen ihm und der Bevölkerung zunehmend Sorgen: Der Klimawandel lässt den Permafrost immer weiter absinken, an der Oberfläche bedrohen Geröll- und Schneelawinen die Siedlungen. Gleichzeitig «hat der Tourismus einen Zenit erreicht», ist der Toureninsider Schütz überzeugt.

Hinzu kommt die geopolitische Lage. Die Folgen des russischen Überfalles auf die Ukraine bedrohen auch das friedliche Zusammenleben im hohen Norden. Da Moskau seine Präsenz in der Arktis stärken möchte, strebt Oslo nach grösserer Kontrolle – und macht einen dramatischen Schritt: den Entzug des Stimmrechtes in den lokalen Wahlen für alle Nicht-Norwegerinnen und -Norweger.

Betroffen von diesem Demokratie-Abbau ist auch der Schweizer Honorarkonsul – und mit ihm fast ein Drittel der Bevölkerung. Trotzdem hat Marcel Schütz keine Pläne, das nicht mehr ganz so weltoffene Spitzbergen zu verlassen: «Ich liebe die Natur hier oben. Sie fasziniert mich jeden Tag von Neuem.»

Auf Norwegisch wird die Inselgruppe Svalbard genannt, «kühle Küste». Heute gilt Spitzbergen als bedeutende Station für die Arktis- und Klimaforschung. Bruno Kaufmann, SRF

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