13,2 Mrd. Lichtjahre von der Erde entfernt
Ein französisch-schweizerisches Astronomen-Team hat Abell 1835 IR 1916 entdeckt: Die entfernteste Galaxie, die bisher gefunden wurde.
Wegen ihrer enormen Entfernung erscheint uns diese Milchstrasse genau so, wie sie ausschaute, als das Universum erst knapp eine halbe Milliarde Jahre zählte.
Daniel Schaerer, Leiter des Forschungsteams der Uni Genf
Hier haben wir ein besonders frühes Exemplar einer Galaxie, die nur rund 470 Mio. Jahre alt ist
Ein französisch-schweizerisches Team hat die entfernteste Galaxie des Universums entdeckt und damit den Mitte Februar aufgestellten Galaxien-Rekord von amerikanischen Astrophysikern bereits wieder gebrochen.
Die neu gefundene, entfernteste Galaxie befindet sich rund 13,2 Mrd. Lichtjahre von der Erde entfernt, wie der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Bern mitteilte. Die Amerikaner hatten an einer Fachtagung in Seattle am 16. Februar bekannt gegeben, eine Galaxie entdeckt zu haben, die rund 13 Mrd. Lichtjahre entfernt liegt.
Eine Galaxie, auch Welteninsel oder Milchstrassensystem genannt, ist eine Ansammlung von einer Milliarde bis einer Billion Sterne, welche sich alle um ein gemeinsames Zentrum bewegen.
Von Chile aus immer weiter zurück zum Big Bang
Das Forschungsteam wurde von Daniel Schaerer vom Observatorium der Universität Genf, zusammen mit Roser Pello vom Observatorium Midi-Pyrénées, geleitet.
Gegenüber swissinfo meint Schaerer: «Wir haben diese Teamarbeit mit unseren Kollegen aus Toulouse vor drei Jahren begonnen. Ein Team-Mitglied arbeitet in Chile, und wir haben die Daten des Teleskops von Toulouse aus analysiert.»
Die neu entdeckte, rund 13,2 Mrd. Jahre alte Galaxie entstand «kurz», das heisst rund 470 Mio. Jahre, nach dem Urknall. Dieser hat vermutlich vor rund 13,7 Mrd. Jahren stattgefunden.
Zum Vergleich: Der Durchmesser der Galaxie, in der sich unsere Erde befindet (Milchstrasse), beträgt etwa 100’000 Lichtjahre. Die Astronomen gehen davon aus, dass die neu entdeckte Galaxie eine rund 10’000mal kleinere Masse als unsere Milchstrasse aufweist.
Entdeckt man heute eine Galaxie, die 13,7 Mrd. Lichtjahre entfernt ist, sieht man sie so, wie sie vor 13,7 Mrd. Jahren ausgesehen hat.
Zum Vergleich: Der unserer Sonne am nächsten liegende Sonne, Proxima Centauri, ist 4,3 Lichtjahre entfernt.
Ermöglicht wurde die Entdeckung von Abell 1835-IR 1916 durch das Very Large Telescompe (VLT), das Teleskop der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Paranal in Chile.
Galaxie im zarten Alter von 470 Mio. Jahren
Die Galaxie wurde zu einem Zeitpunkt beobachtet, als das Universum im zarten Alter von 470 Mio. Jahren war, also gerade drei Prozent seines heutigen Alters hatte.
Die aussergewöhnliche Entdeckung belegt das Potenzial der terrestrischen Teleskope im Bereich des nahen Infrarots zur Erforschung der Anfänge des Universums.
Mit diesen Teleskopen blicken die Astronomen immer weiter in die Vergangenheit des Universums zurück. Die Suche gilt dabei Sternen und Galaxien, die von der Zeit unmittelbar nach dem Big Bang («Urknall») zeugen.
Ende des «dunklen Zeitalters» besiegelt?
Die entdeckte Galaxie könnte eines der ersten Objekte sein, die das Ende des so genannten «dunklen Zeitalters» besiegelt. Unmittelbar nach dem Urknall versank das Universum in Dunkelheit.
Nach und nach erloschen die fossilen Strahlen dieses «Feuerballs», und weder Sterne noch so genannte Quasare durchdrangen mit ihrem Licht die unermessliche Weite des Alls.
Einige hundert Millionen Jahre später erschienen die ersten Sterne, und die «kosmische Renaissance» löste das dunkle Zeitalter ab, wie der Nationalfonds weiter schreibt.
Distanzmessung mittels Rotverschiebung
Um das Alter von Galaxien bestimmen zu können, verwenden die Astronomen riesige, im Infrarotbereich äusserst empfindliche Teleskope. Diese Anlagen enthalten so genannte Gravitationslinsen, welche das Licht von Galaxien bündeln und damit verstärken.
«Alle Objekte im Weltall bewegen sich auseinander. Je weiter entfernt ein Objekt ist, desto schneller entfernt es sich auch und sendet mehr Infrarot-Licht aus», sagt Schaerer.
Bei der Bemessung der Distanz der Galaxie ist für die Wissenschafter die so genannte Rotverschiebung entscheidend. Je weiter eine Lichtquelle von der Erde entfernt ist, desto rötlicher erscheint ihr Licht auf der Erde, da die Lichtwellen auf Grund der Ausdehnung des Universums gestreckt werden.
Das Licht ist also gegen den roten Spektralbereich verschoben. Das heisst, je grösser die Rotverschiebung eines Objektes, desto älter muss es sein.
Die neu entdeckte Galaxie weist als erste eine Rotverschiebung vom Wert zehn auf, wie der Nationalfonds weiter schreibt. Demgegenüber kommt die in Seattle vorgestellte Galaxie nur auf eine Rotverschiebung zwischen 6,6 und 7,1.
Im Frühling wird weitergeforscht
Laut Schaerer wird die Crew diesen Frühling zu den Teleskopen zurückkehren, um noch mehr über die entdeckte Galaxie herauszufinden. «Wir interessieren uns für die chemische Komposition der Sterne, die diese Galaxie ausmachen.»
Heute glaubt man, dass sich die ersten Sterne rund 100 bis 200 Mio. Jahre nach dem Big Bang entzündeten. «Hier haben wir ein besonders frühes Exemplar einer Galaxie, das nur rund 470 Mio. Jahre alt ist», sagt Schaerer.
Das Team versucht nun über das Licht herauszufinden, ob die Sterne dieser Galaxie nur chemische Basis-Elemente wie Wasserstoff und Helium enthalten, oder schon etwas schwerere Elemente.
Damit soll eine der Grundfragen der modernen Astronomie beantwortet werden: Aus was für Elementen setzte sich die erste Generation aus Sternen zusammen.
swissinfo und Agenturen
Eine Galaxie ist ein Milchstrassen-System – Sterne, die sich um ein gemeinsames Zentrum bewegen.
Die neu entdeckte Galaxie ist rund 13,2 Mrd. Lichtjahre entfernt. Im Vergleich: Unsere Milchstrasse hat einen Durchmesser von rund 100’000 Lichtjahren.
Ermöglicht wurde die Entdeckung durch eine neue Teleskop-Art, die in Chile aufgestellt ist.
Gemessen wird in Infrarot – damit lassen sich im Weltall Distanzen von Galaxien messen.
13,2 Mrd. Lichtjahre entfernt: Das ist die früheste Galaxie (Milchstrassensystem), das ein franko-schweizerisches Astronomen-Team kürzlich entdeckt hat.
Mitte Februar hat ein US-Team eine Galaxie entdeckt, die 13 Mrd. Lichtjahre entfernt ist.
Für Astronomen ist dieser Unterschied riesig, denn die Distanzen (und damit auch das Alter) der Galaxien werden über die Infrarot-Lichtstrahlung gemessen.
Je infraröter das Licht, desto entfernter die Galaxie.
Da der «Urknall», der Big Bang, etwa vor 13,7 Mrd. Jahren stattfand, ist die kürzlich entdeckte Galaxie sehr «jung», das heisst, man sieht sie jetzt in ihrem frühem Stadium.
Astronomen interessieren sich für den Zustand der Sterne dieser frühen Galaxien.
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