
Arbeit: Behinderte werden gehindert

Seit in der globalisierten Wirtschaft alles schneller und flexibler geht, haben es behinderte Menschen besonders schwer, einen Arbeitsplatz zu finden.
«Die sichtbaren und unsichtbaren Schranken für behinderte Menschen in der Arbeitswelt sollen abgebaut werden.» So tönt es hierzulande jeweils am internationalen Tag der Behinderten aus dem Mund von hohen Politikern. Und auch die Wirtschaft meldet sich zu Wort und verspricht, den behinderten Arbeitnehmern entgegen zu kommen – was sich in diesem Jahr in der Publikation einer Informations-Broschüre zur beruflichen Integration von Behinderten niederschlug.
Die Erfahrung zeigt aber, dass immer noch viele Betriebe den Aufwand scheuen und lieber keine Behinderten einstellen. Auch wenn diese oft besonders loyale Mitarbeiter sind.
Rezession erschwert Integration
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat keine genaue Zahlen über den Ausbau bzw. Abbau von Arbeitsplätzen für Behinderte, wie Markus Buri, Sektion Statistik BSV, gegenüber swissinfo erklärt. Klar sei, dass die Arbeitsmarkt-Lage für Behinderte während der letzten Rezession schwieriger geworden sei.
Das bestätigt auch Werner Good, Informations-Beauftragter des Schweizerischen Invaliden-Verbandes (SIV). Viele Behinderten seien aus der Wirtschaft wieder ausgegliedert worden. Sie hätten dann entweder zu Hause bleiben und Arbeitslosengelder beziehen oder an einen geschützten Arbeitsplatz zurückkehren müssen.
Diese geschützten Werkstätte seien relativ gut besetzt und würden dann in Rezessions-Zeiten noch mehr belegt. Ein Umstand, welcher der Integration von Behinderten ins Berufsleben nicht förderlich sei, sagt Werner Good gegenüber swissinfo.
Beim Aufschwung nach der letzten Rezession sei von einer Verbesserung der Arbeitsmarktlage für Behinderte nichts zu spüren gewesen. Denn es würden immer noch qualifizierte Leute eingestellt, welche die volle Arbeitsleistung erbringen könnten. Und da seien behinderte Menschen immer benachteiligt.
Lediglich bei einem längerfristigen Aufschwung greife die Wirtschaft auch auf behinderte Menschen zurück. Aber eine kurzfristige Erholung schaffe noch keine Arbeitsplätze für Behinderte, meint Werner Good.
Computerisierung vernichtet niederschwellige Arbeitsplätze
Nicht nur die Rezession ist ein schwieriges Problem für behinderte Angestellte, sondern vor allem auch die Computerisierung der Wirtschaft. Diese hat laut Bundesamt für Sozialversicherungen viele sogenannt niederschwellige Arbeitsplätze für Behinderte vernichtet.
Das bestätigt auch Werner Good vom SIV: «Es ist sehr einfach, die oft von Behinderten verrichteten niederschwelligen Arbeiten von Maschinen machen zu lassen. Da wird aus Spargründen abgebaut, und die behinderten Angestellten verlieren dann ihre Arbeit. Das erleben wir sehr stark.» Und dieser Trend zur Vernichtung von niederschwelligen Arbeitsplätzen für Behinderte nehme zu.
Eine verzweifelte Lage für Behinderte auf dem offenen Arbeitsmarkt also. Deshalb fordert der Schweizerische Invaliden-Verband im Zusammenhang mit dem Gleichstellungs-Gesetz, dass private Arbeitgeber verpflichtet werden, für behinderten-gerechte Anpassungen der Arbeitsplätze zu sorgen. Zudem verlangt der SIV finanzielle Anreize und Lenkungs-Massnahmen, welche die Anstellung behinderter Menschen fördern sowie ein Recht auf Aus- und Weiterbildung.
IV: Berufliche Massnahmen erfolgreich
Und da ist noch die Invaliden-Versicherung: Sie möchte natürlich auch möglichst viele Behinderte in der Privatwirtschaft unterbringen. Denn dies kommt die IV billiger zu stehen als geschützte Arbeitsplätze in den Werkstätten für Behinderte, wie Markus Buri vom Bundesamt für Sozialversicherungen erklärt. Die IV unterstützt berufliche Massnahmen wie Umschulung und hilft bei der Arbeitsvermittlung.
Die Ergebnisse der beruflichen Massnahmen bezeichnet Markus Buri als «sehr gut». Da diese hauptsächlich die Integration von Behinderten ins Erwerbsleben bezweckten, sei eine Untersuchung der IV von 1997 davon ausgegangen, dass die beruflichen Massnahmen dann wirksam sind, wenn die betroffenen Personen nach Abschluss keine ganze IV-Rente beziehen. Unter Berücksichtigung dieses Parameters seien 72% der Massnahmen wirksam und 28% unwirksam.
Jean-Michel Berthoud

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