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Auf der Suche nach einem nachhaltigen Tourismus

Westliche Touristin auf einer Rikscha-Stadtrundfahrt in Hongkong. Keystone

Der Tourismus ist einer der wichtigsten Zweige der Wirtschaft. Weltweit arbeiten 200 Millionen Menschen in diesem Sektor.

Der Tourismus schafft aber nicht nur Reichtum. Seine Folgen können für Menschen und Umwelt katastrophal sein. Das ist das Thema am Weltsozialforum in Mumbai.

«Jede Tourismus-Destination ist das Haus eines Menschen. Respektiere dies.» Das ist das Motto der schweizerischen Nichtregierungs-Organisation (NGO) Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung (Akte) für die Diskussionen am Weltsozialforum. Akte gehört zu den Mitoraganisatoren der Veranstaltung im indischen Mumbai.

«Der Tourismus ist ein sehr wichtiger Sektor», sagt Christine Plüss von Akte gegenüber swissinfo. «Aber in der Antiglobalisierungs-Bewegung wird er unterschätzt, nicht ernst genommen – im Gegensatz etwa zur Arbeit im Bergbau oder der Kinderprostitution.»

Der Tourismus als Globalisierungs-Pionier

Die schon lange liberalisierte Tourismus-Industrie habe bei der Globalisierung eine Pionierrolle gespielt, erklärt die Akte-Vertreterin am Weltsozialforum.

Und der Prozess ist noch nicht zu Ende. Der Tourismus hat bei den neuen Dienstleistungs-Abkommen (GATS) im Rahmen der Welthandels-Organisation (WTO) eine wichtige Position.

«Der Tourismus gilt als Sektor mit grossem Entwicklungspotenzial», sagt Plüss. «Doch in Wirklichkeit, in seiner liberalisierten Form, verursacht er verheerende Folgen für die lokale Bevölkerung.»

Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung

Natürliche Ressourcen wie Strände und Wälder, die eigentlich im Besitz des Staates sind, werden der Kontrolle der Behörden entzogen, die grossen Tourismus-Unternehmen sind praktisch nicht mehr verpflichtet, einheimisches Personal anzustellen, die lokalen Kulturen werden oft mit Füssen getreten.

David Ugarte vom Nationalen Kulturinstitut Perus zeigt dies im Rahmen einer grossen Tourismus-Konferenz am Weltsozialforum in Mumbai am Beispiel von Machu Pichu. In der Inka-Haupststadt in den peruanischen Anden ist das Tourismus-Geschäft in der Hand eines einzigen Unternehmens, das im Besitz der Eisenbahn und der Fluggesellschaft ist, welche für die Verbindungen zu der Stadt verantwortlich sind.

Jetzt will das Unternehmen in Peru eine Standseilbahn bauen. Aber für die Indios sind die Berge heilig. «Das ist, wie wenn man auf dem Petersplatz in Rom eine solche Bahn errichten würde», ärgert sich Ugarte, der die ersten Sätze seine Konferenz-Rede in der Indio-Sprache Quetschua beginnt. «Das ist ein richtiges Attentat auf unser Heiligtum.»

Der Tourismus als Ausbeutung

Andere Rednerinnen und Redner beschreiben die Situation als noch schwieriger. Adama Bah erinnert an den Fall von Gambia, wo Pauschalarrangements den lokalen Gemeinden sozusagen jeden wirtschaftlichen Nutzen aus dem Tourismus vorenthalten.

Und Charm Tong aus Burma weist auf die Probleme des Tourismus in einer Militärdiktatur hin. Der Ertrag aus diesem Sektor komme einem Regime zugute, das sich gravierende Verletzungen der Menschenrechte habe zuschulden kommen lassen. «Man soll es sich gut überlegen, bevor man nach Burma reist», mahnt sie.

Noch gravierendere Schäden richte der Sex-Tourismus vielerorts an, erinnert Luc Ferran von der Organisation «Ecumenical Coalition on Tourism» mit Sitz in Hong Kong. Nicht nur in Asien, sondern auch in Afrika und Lateinamerika nehme dieser Sektor laufend zu.

Netzwerke knüpfen

Die Globalisierung der vom Tourismus verursachten Probleme rufe nach einer globalen Antwort. «Der Tourismus ist ein Querschnittsproblem, das viel genereller in die Diskussionen der lokalen Gemeinden einfliessen sollte und auch geeignet wäre für die globalisierungskritische Bewegung», sagt Christine Plüss.

Zudem ist es aus ihrer Sicht nötig, ein internationales Netzwerk unter denjenigen Organisationen zu knüpfen, die sich mit der Beziehung von Tourismus und Entwicklung beschäftigen. Dies um zu garantieren, dass konkret die Menschen, welche in den touristischen Regionen des Südens leben, an den Entwicklungen teilhaben und von einem ihnen angepassten Tourismus profitieren können.

Mumbai ist eine gute Gelegenheit fürs Networking. Die Teilnahme am Weltsozialforum wurde in Hannover vorbereitet, dort trafen sich letzten Dezember rund 40 Tourismusfachleute. Entsprechend ist nun das Thema vielerorts präsent, sowohl in einer grossen Konferenz wie auch in verschiedenen weiteren Treffen.

Christine Plüss ist recht optimistisch bezüglich der Möglichkeit, nachhaltigen Tourismus zu entwickeln: «Es gibt bereits heute positive Beispiele, wo die ganze Gemeinschaft vom Sektor profitiert. Und viele Reisende sind fürs Problem sensibilisiert.»

swissinfo, Andrea Tognina, Mumbai
(Übertragung aus dem Italienischen: Eva Herrmann und Jean-Michel Berthoud)

Der Tourismus ist einer der wichtigsten Wirtschafts-Sektoren und der grösste Arbeitgeber der Welt. Entsprechend ist er für die Entwicklung eines Landes wichtig.

In der Realität dominieren einige grosse Unternehmen in den Industrie-Ländern.

«Vor allem die touristischen Monokulturen sind problematisch. Ein Attentat oder ein Flugzeugabsturz können ganze Regionen in die Krise schicken», sagt Christine Plüss vom Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung.

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