Das Glück ist rund
Was ist Glück? Der neuste Männerduft, die sündhaft teure Tasche, oder einfach eine Flasche stilles Mineralwasser? Die Sonderausstellung "HAPPY - Das Versprechen in der Werbung" des Museums für Kommunikation in Bern hat den Glücksgefühlen der Nation auf den Zahn gefühlt.
Sie ist weder wunderschön, noch potthässlich. Sie ist nicht blutjung und nicht steinalt. Sie ist nicht magersüchtig, nicht übergewichtig. Sie ist durchschnittlich. Sie trägt rosa Unterwäsche, ist blond und dürfte – zumindest in der Schweiz – in Kürze einen Bekanntheitsgrad haben, der jenem schwedischen Kleiderhaus, welches mit Claudia Schiffer und Co. wirbt, gleichkommt. Die Rede ist von jener namenlosen Frau, die selbstbewusst von Plakatwänden schaut und für die Ausstellung wirbt.
Ein Plakat, so zeigen es die Reaktionen, welches polarisiert. «Schrecklich, nicht schön, unsexy», finden nicht nur Männer, «mutig, witzig, nachdenklich, klug», finden nicht nur Frauen. Das Ausstellungsplakat spielt virtuos mit der Erwartungshaltung des Publikums, weckt die Lust auf die Ausstellung, regt zum Nachdenken an, lockt ins Museum. Beste Werbung eben.
Weichmacher
Ganz wunderbar einlullend – zumindest auf den ersten Blick – kommt der Ausstellungsraum daher. Das Glück scheint rund. Weichgespülte Musik «What a wonderfull world» lässt alle hässlichen Töne vor der Türe, grossformatige Werbebilder auf gewellten Wänden wecken sanfte Sehnsüchte. Die Texte fehlen, doch sie hallen in der Erinnerung nach. Lifestyle for ever and happiness. Die runden Computer, welche zum Glück in die ganze Welt führen, sind rund und in einem Rondell angeordnet. Statements von jüngeren und älteren Menschen zum Glück, zeigen wie individuell Happy sein kann. «Happy-TV» zeigt Werbespots-Collagen, unendliche Glückmomente im Pixelformat.
Das Museum für Kommunikation, herausgegangen aus dem ehemaligen PTT-Museum nimmt erstmalig das Thema Werbung in einer Ausstellung auf. Werbung als Teil der Alltagskultur. Fernsehen, Radio, Zeitungen, Magazine, Internet, Kino alles ist auch Werbung. Und wer nicht wirbt, wirbt damit. Entziehen kann man sich der Werbung nicht.
Happy Familie
Was ist Glück im Jahre 2001? Können sich globalisierte Glücksvorstellungen gegen lokal und kulturell geprägte Sehnsüchte durchsetzen? Welche Bilder bestimmen Glück? Um diesen Fragen näher zu kommen, beauftragte das Museum das Meinungsforschungs-Institut LINK, Institut für Markt- und Sozialforschung in Zürich eine Bevölkerungsumfrage durchzuführen. Die Ergebnisse dieser Studie bildeten die Grundlage für die Ausstellung in Bern.
Interessant die Ergebnisse der Befragungen. Gross ist die Bedeutung der sozialen Einbindung und der Familienwerte. Ganz besonders deutlich bei der jüngeren Generation, die selbst noch keine Familie gegründet hat. Durch die starke Gewichtung der Familienwerte erhält auch die finanzielle Sicherheit und Leistungsorientierung gegenüber der Selbstverwirklichung mehr Gewicht. Mehr Haben als Sein. Zunehmend wichtiger scheint die Authentizität zu werden. «Echt sein», «sich selber sein», «Ausgeglichen sein» sind häufig genannte Begriffe. Die Glamour-Welt der Labels und Models wird durchschaut, der Wunsch nach «Echtheit» wächst.
Staatliches Glück
Auf der gegenüberliegenden Seite der Glücksskala präsentieren sich die Plakate aus Kuba. Fidels sozialistische Glücksparolen appellieren ans Kollektiv, die Solidarität, die Mütter, den Staat. Keine abgesofteten weichgeföhnten Sehnsuchtsbilder, sondern holzschnittartige Propaganda für das Glück im Staat, für das Wir. Welche das ehrlichere Glück verspricht, sei dem Betrachtenden überlassen. Interessant ist der Gegensatz allemal.
Nebst der Ausstellung wird uns das Museum für Kommunikation noch auf anderen Kanälen mit Glück zum Glück anregen. Eine Website wird Glücksbotschaften aus und in die ganze Welt senden. Schweizer Kunstschaffende haben das Glück telegen umgesetzt. Ihre Botschaften werden im Kino, im Fernsehen, im öffentlichen Raum zu sehen sein. Und im Januar 2002 wird die Publikation «Happy. Das Versprechen in der Werbung» erscheinen. Wer jetzt nicht glücklich wird, ist selber schuld.
Brigitta Javurek
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