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Erinnerungen an einen Universalgelehrten

Das Grab von Sir John Eccles in Tenero-Contra. (Bild: Rolf Amgarten) John Eccles' grave in the Ticinese town of Tenero-Contra (Rolf Amgarten)

Eine neue Stiftung soll an Leben und Werk des Medizinnobelpreis-Trägers Sir John Eccles erinnern.

Jahrzehnte hatte der Gelehrte im Tessiner Dorf Tenero-Contra verbracht. Sein Leben lang beschäftigte Eccles das Verhältnis zwischen Körper und Geist sowie die Entstehung von Bewusstsein.

Wie viele ausländische Kulturschaffende hatte sich auch der im australischen Melbourne geborene Wissenschafter Sir John Eccles das Tessin als Alterssitz ausgesucht. In Tenero-Contra, über dem Lago Maggiore, lebte Eccles mit seiner Frau Helena knapp drei Jahrzehnte, bis er 1997 im hohen Alter von 94 Jahren starb.

1963 war er in Stockholm für seine neurophysiologischen Arbeiten über die Reizleitung in Nervenzellen mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet worden. Seine Publikationsliste zu medizinischen und philosophischen Themen ist lang.

Um die Erinnerung an Leben und Werk des Wissenschafters wach zu halten und die Forschung in Bereichen zu fördern, die dem Nobelpreisträger besonders am Herzen lagen, ist vor kurzem eine Stiftung gegründet worden.

Ehrenpräsidentin ist Eccles’ Witwe Lady Helena Eccles. Präsidiert wird die Stiftung vom Tessiner Unternehmer Silvio Leoni, der mit 70 Jahren noch mit einer Arbeit über Eccles promovierte. Er stellte auch das Startkapital von 50’000 Franken bereit.

Forschungstätigkeit zu Nervenzellen

Eccles wurde 1903 geboren und studierte in seiner Heimatstadt Melbourne Medizin. Seine Forschungstätigkeit konzentrierte sich schon bald auf die Funktionsweise des Nervensystems. Seine berufliche Karriere brachte ihn von Australien nach Grossbritannien, Neuseeland und in die USA.

Eccles interessierte sich stets für das Verhältnis von Geist und Gehirn. Eine seiner leitenden Forschungsfragen lautete: Warum kann aus einer Ansammlung von Zellen ein Gedanke entstehen? Und wie findet die Übertragung von Gedanken statt? Was ist Bewusstsein?

Schon in seinem Aufsehen erregenden Werk “Das Ich und sein Gehirn” von 1977, das er zusammen mit dem Philosophen Karl R. Popper schrieb, kam der Katholik Eccles zum Schluss, dass jedem Menschen ein besonderes “Ich-Bewusstsein” eigen sein muss, das nicht allein auf die materiellen Hirnvorgänge rückführbar ist.

Vertreter des Dualismus im Mind-Body-Problem

Er stellte eine Theorie auf, wonach das Ensemble “mentaler Einheiten”, die er “Psychonen” nannte, das Bewusstsein bildet. Doch die Kritik an diesem Konstrukt blieb nicht aus. Der Mechanismus einer einzelnen Reizübertragung sage noch nichts darüber aus, wie schliesslich das Massenphänomen des Bewusstseins entstehe, das dem Zusammenwirken von Millionen von Nervenzellen und Milliarden von Synapsen entspringt, lautete die Entgegnung.

Generell hat das dualistische Denken, wie es Eccles noch verkörperte, zusehends an Bedeutung verloren. Wie will man auch eine eventuelle göttliche Einwirkung oder das Vorhandensein einer Seele jemals schlüssig beweisen oder widerlegen?

Symposium zum 100.Geburtstag

Sicher ist gleichwohl: Die Fragen, die Eccles stellte, sind bis heute aktuell. Genau deshalb will die Stiftung sein geistiges Vermächtnis pflegen.

Als erste grosse Initiative wird im Februar ein Symposium auf dem Monte-Verità von Ascona veranstaltet. Thema: “Die Sackgasse des Materialismus im Denken von Sir John Eccles.”

Der Anlass erinnert auch an einen runden Geburtstag. Sir Eccles wäre am 27.Januar 2003 hundert Jahre alt geworden.

Der Stiftungssitz ist Locarno-Riazzino, wo die Institution über Räumlichkeiten verfügt und eine Bibliothek mit dem Gesamtwerk Eccles eingerichtet wird. Am einstigen Wohnort des Forschers, in Tenero-Contra, wurde im Dezember dem Ehrenbürger zudem ein Denkmal gesetzt: ein Brunnen aus Granit vor dem Gemeindehaus mitsamt Gedenktafel.

swissinfo, Gerhard Lob, Tenero-Contra

Geboren: 27.1.1903 in Melbourne (Australien)
Gestorben: 2. Mai 1997 in Tenero-Contra (Tessin/Schweiz)
Nobelpreis für Medizin: 1963 (zusammen mit A.L. Hodkin und A.F.Huxley)

Die Stiftung, in Riazzino-Locarno gegründet, soll die Erinnerung an Leben und Werk von Sir John Eccles wach halten sowie wissenschaftliche Forschung in Bereichen fördern, die ihm am Herzen lagen, das heisst vor allem das Körper-Geist-Problem.

Der erste von der Stiftung organisierte Kongress wird im Februar auf dem Monte Verità von Ascona unter dem Titel “Die Sackgasse des Materialismus im Denken von Sir John Eccles” stattfinden.

Der Anlass markiert einen wichtigen Jahrestag: Am 27.Januar 2003 wäre Eccles 100 Jahre alt geworden.

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