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Mehr Pflege für die Mehrsprachigkeit der Schweiz

swissinfo.ch

François Grin beschäftigt sich mit dem "Management von Mehrsprachigkeit". So wies er nach, dass hohe Sprachfertigkeit nicht nur politisch und kulturell sinnvoll ist, sondern auch den Verdienst erhöht.

Auf Landesebene fällt dem Sprachökonomen auf, dass sich die Schweizer trotz ihrer vier Landessprachen zu wenig bewusst sind, wie viel Pflege die Vielsprachigkeit braucht.

Ökonomen beschäftigen sich üblicherweise mit Zinsen, Wechselkursen oder Finanzen. Nicht so François Grin.

Der Genfer Sprachökonom untersucht mit den Methoden der politischen Ökonomie, wie die sprachliche Vielfalt der globalisierten Welt am besten zu bewältigen ist.

Erstmals untersucht er dabei gewisse Behauptungen rund um die Sprache, die bisher einfach als gegeben galten. Er forscht also in brisanten Bereichen der modernen Gesellschaft, sei dies der Arbeitsmarkt oder der Umgang mit Minderheiten.

Politik, Wirtschaft und Bildung werden stark von Sprachaspekten geprägt – gerade in der Schweiz, die aus ihrer Vielsprachigkeit fast schon einen Landesmythos gemacht hat.

swissinfo: Es wird behauptet, die sprachliche Durchlässigkeit innerhalb der Schweiz habe stark nachgelassen, die gegenseitige kulturelle Durchdringung ebenfalls. Sind wir überhaupt noch ein mehrsprachiges Land?

François Grin: Die Schweiz ist sicher nicht weniger mehrsprachig als früher. Obschon Französisch in der Deutschschweiz Pflichtfach und erste Fremdsprache für deutschsprachige Schüler war, sprach es der Mann auf der Strasse nicht überall fliessend.

Die heutige Schweiz ist wegen der Einwanderung in vieler Hinsicht sogar mehrsprachiger als früher.

Nur: Abgenommen hat die Sprachfertigkeit der Eliten, und zwar beidseits der Saane. Dies führe ich auf die Faszination des Englischen und der angelsächsischen Welt zurück – in der Deutschschweiz noch mehr als in der Romandie.

Mit einer Sensibilisierung für den Wert der Mehrsprachigkeit liesse sich dem entgegensteuern.

swissinfo: Hat denn auch die Bereitschaft abgenommen, sich mit den anderen Landessprachen vertraut zu machen?

F.G.: Das mag sein. Es ist aber sehr schwierig, die Wirklichkeit von den Klischees in den Medien zu trennen.

Ein konkretes Beispiel für eine nach wie vor hohe Bereitschaft: Bei einer Umfrage aller 15-Jährigen in Genfer Schulen 2005 äusserten sich über 80% nicht einverstanden mit der Behauptung, es genüge, nur eine Fremdsprache, also Englisch, zu lernen.

Die Einstellung gegenüber Sprachen ist also komplexer als die oft gehörten Allgemeinplätze.

swissinfo: Ist denn das Sprachengleichgewicht im Land gegenüber früher aus dem Lot geraten?

F.G.: Nein, im Prinzip bleibt das Gleichgewicht der Landessprachen ungestört, da die jeweiligen Bevölkerungsanteile sehr stabil bleiben. Aber dem Rückgang des Rätoromanischen und der Sichtbarkeit des Italienischen auf gesamtschweizerischer Ebene sollte mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Die Notion des Schweizer Sprachengleichgewichts und die entsprechenden politischen Institutionen stammen aber von früher. Inzwischen hat sich die Sprachenlage verändert.

Wichtig ist, dass diese Änderungen nicht von innen erfolgt sind, indem sich beispielsweise das Gewicht innerhalb der Sprachregionen verschoben hätte.

Die Veränderungen werden von aussen hereingetragen, über die internationale Wirtschafts-Verflechtung, Medien und parallel dazu den Gebrauch des Englischen.

Diese neuen Gegebenheiten müssen von der mehrsprachigen Schweiz bewältigt werden, aber weder durch starren Widerstand noch durch naives Anpassen, sondern mit einer klaren Vision der Vor- und Nachteile der Mehrsprachigkeit.

swissinfo: Stört die weltweite Globalisierung das Schweizer Sprachmodell?

F.G.: Sie trägt dazu bei, dass wir im Alltag mit einer Vielfalt von Fremdsprachen konfrontiert werden – eine Konsequenz der Einwanderung.

Obschon der Vorrang der Landessprachen zur Identität der Schweiz gehört, müssen wir nun damit umgehen, dass mehr als vier Sprachen im täglichen Gebrauch sind.

Es ist auch falsch, im Englischen die Sprache der Globalisierung zu sehen. Zentrales Merkmal der Globalisierung ist nicht eine einzelne Sprache, sondern die Mehrsprachigkeit.

Deshalb stört nicht die Globalisierung selbst das Sprachgleichgewicht, sondern die damit einhergehende, zunehmende Dominanz einer einzigen Sprache, im vorliegenden Fall des Englischen.

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Vielsprachigkeit

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Von Vielsprachigkeit eines Landesteils oder eines Staates spricht man, wenn dort mehrere Sprachen gesprochen werden. Die Schweiz mit ihren vier Landessprachen ist ein Lehrbuch-Beispiel eines vielsprachigen Landes. Deutsch sprechen 63,7% der Bevölkerung, Französisch 20,4%, Italienisch 6,5% und Rätoromanisch 0,5%. 9% der Bevölkerung geben eine ausländische Sprache als Muttersprache an. Die Vielsprachigkeit findet sich auch in…

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swissinfo: Weshalb gehen einzelne Sprachräume besser mit dem Englischen um und sind resistenter?

F.G.: In Frankreich ist die Pflege der eigenen Sprache immer schon als wichtigeres gesellschaftliches Anliegen erachtet worden als beispielsweise in Deutschland. Ob sich das Französische aber besser gegen die «Anglosaxonisierung» wehrt, ist fraglich.

Resistenz-Unterschiede zeigen sich auch innerhalb der Schweiz. Romands leisten noch eher Widerstand als die Deutschschweizer, haben sie doch generell ein trotzigeres Verhältnis zur Macht!

Doch auch in der Deutschschweiz wird die Durchdringung des sprachlichen Alltags durch das Englische nicht mehr als so «cool» erachtet wie bisher.

Es mag sein, dass wir uns einem Wendepunkt nähern, und die Mehrsprachigkeit als für die moderne Gesellschaft gegeben akzeptiert wird. Damit würde auch die Hegemonie des Englischen etwas eingeschränkt.

swissinfo-Interview: Alexander Künzle, Genf

Die Willensnation Schweiz funktioniert viersprachig, weil es gut eingespielte Mechanismen gibt, die das Verhältnis der Sprachen untereinander regeln.

Für die nationale Kohäsion bleibt die Sprachenfrage eine ständige Aufgabe.

Das Nationale Forschungsprogramm 56 soll die rechtliche Basis und den Rahmen für eine zeitgemässe Sprachenpolitik erarbeiten. Die Forschungsprojekte müssen bis Ende 2008 abgegeben sein.

Territorialitätsprinzip: aus liberalen Gründen im 19. Jahrhundert festgelegt. Ein Territorium wird einer Landessprache zugeordnet, ausser in zwei- oder mehrsprachigen Kantonen und Gemeinden.

Heute als anachronistisch kritisiert, weil es die Entwicklung der Siedlungsgebiete und Bevölkerungsverschiebung nicht mitvollzieht.

Wirtschaftswissenschaften an der Uni Genf 1989

Forschungsaufenthalte in Montreal und Washington

Vizedirektion Europäisches Zentrum für Minderheitenfragen, Flensburg, Deutschland, bis 2001

Forschung und Bildungs-Behörde Kanton Genf (bis 2007)

Lehramt Übersetzer- und Dolmetscherschule Genf (2003)

Gastvorlesungen Università della Svizzera italiana und Institut des hautes études internationales

Das élf untersucht gegenwärtig mit einer Umfrage bei Schweizer Unternehmen die Wirkung von Fremdsprachen als Produktions- und Marketinginstrumente.

Die Resultate verschaffen den Unternehmen einen Überblick über die Beziehungen zu ihrem sprachlichen Umfeld.

Zu solchen Beziehungen gibt es zur Zeit zwar sehr viel Meinungen, aber nur sehr wenige wissenschaftlich erstellte Statistiken und Kennzahlen.

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