Nicht die Liebe, das neue Recht hält Schweizer Paare zusammen

Mit genau 10'511 Ehen wurden 2000 nur gerade halb soviele Paare geschieden wie im Rekordjahr 1999. Das Bundesamt für Statistik ortet den Grund nicht etwa in innigerer ehelicher Minne, sondern im seit Januar 2000 gültigen neuen Scheidungsrecht.
Der drastische Rückgang der Ehescheidungen von 20’809 auf 10’511 im Jahr 2000 liegt laut Mitteilung des Bundesamtes für Statistik (BFS) vom Mittwoch (25.07.)gleich zweifach im neuen Recht begründet.
Zum einen dauert es einige Zeit, bis die Gerichte das neue Recht routinemässig anwenden können. Dies führt zu einer Verlängerung der Verfahren. Zum anderen zogen die Gerichte 1999 Scheidungsverfahren nach altem Recht im Eilzugstempo durch. Sie wollten auf 2000 tabula rasa machen und vermieden deshalb Restanzen. Nach altem Recht geschieden wurden im vergangenen Jahr noch 2’330 Ehen.
Der Rekord von 1999 – 2941 Urteilen mehr als im Vorjahr – war zu 70 Prozent durch die Zunahme der Scheidungen im November und Dezember begründet. Das BFS rechnet, dass die Scheidungen bis in einigen Jahren wieder auf die gewohnt hohen Werte klettern.
Einigung statt Zerrüttung
Bereits seit Jahrzehnten war die Zerrüttung einer Ehe laut BFS der Hauptgrund für Scheidungen. In den 50-er Jahren wurden 71 Prozent der Scheidungen deswegen ausgesprochen, in den 80-er Jahren 94 Prozent und 1999 gar 99 Prozent.
Das neue Scheidungsrecht wendet sich vom Zerrüttungsprinzip ab. Neu können sich die Eheleute umfassend oder teilweise einigen und auf Grund dessen geschieden werden. So erfolgten im letzten Jahr 89 Prozent aller Scheidungen wegen einer Einigung.
Scheidung nach Wartefrist
Wehrt sich einer der Partner, kann eine Scheidung nach vierjähriger Trennungsfrist ausgesprochen werden. 2000 war dies bei 9 Prozent der Scheidungen der Fall. Das BFS rechnet mit einem Anstieg solcher Scheidungen in den kommenden Jahren, da in immer mehr Fällen die Frist abläuft. Die Gerichte können diese Trennungsfrist bei einer Kampfscheidung wegen Unzumutbarkeit auch verkürzen. Nach Zählung des BFS schieden die Gerichte 2000 in 2 Prozent der Fälle auf Grund dieser Regelung.
Unterschiede zwischen den Kantonen
Die Verteilung der Urteile lässt laut BFS darauf schliessen, dass die Gerichte in fast allen Kantonen vor ähnlichen Situationen standen. Auffallend tiefe Anteile sind bei den Scheidungen auf der Grundlage einer vollständigen Einigung der Ehegatten in den Kantonen Basel-Stadt mit 52 und Waadt mit 64 Prozent zu finden.
In diesen beiden Kantonen wurden dagegen – wie in verschiedenen anderen Kantonen auch – überhaupt keine Urteile nach einer Teileinigung ausgesprochen. Allerdings ergingen viele Urteile – in Basel-Stadt 42 Prozent und in der Waadt 31 Prozent – auf Grund der vierjährigen Trennungsfrist.
Umgekehrt fielen im Kanton Appenzell-Ausserrhoden der mit 13 Prozent weitaus tiefste Anteil einer Scheidung nach voller Einigung und mit 87 Prozent der mit Abstand grösste Anteil nach Teileinigung auf.
swissinfo und Agenturen

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