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Schwangerschaft und Alkohol: Kind trinkt mit

Den Alkohol, den die Mutter trinkt, kann das ungeborene Kind nicht abbauen. SFH/Daniel Stucki

Alkohol während der Schwangerschaft setzt das ungeborene Kind grossen Gefahren aus. Dieses Risiko gehen in der Schweiz jährlich 5000 Schwangere ein.

Die Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) will das mit Ärzten und Apothekern ändern.

Zwar ist grundsätzlich bekannt, dass Alkoholkonsum während der Schwangerschaft zu irreversiblen Schäden des Kindes führen kann. Über den Alkoholkonsum bei werdenden Müttern gibt es jedoch bisher nur wenige Studien.

Allgemein glaubt man zum Beispiel, die schwersten Schäden für das Kind im Zusammenhang mit Alkoholkonsum ereigneten sich während den ersten drei Monaten der Schwangerschaft. Die Organe eines ungeborenen Kindes entwickeln sich jedoch in unterschiedlicher Geschwindigkeit.

Zudem baut nicht jede Frau den Alkohol im Körper in der gleichen Zeit ab.

Kind bleibt länger alkoholisiert als die Mutter

Laut SFA verteilt sich der Alkohol nach dem Konsum rasch und gleichmässig im Blut und gelangt über die Plazenta und die Nabelschnur zum ungeborenen Kind. Dieses benötigt deutlich länger als ein Erwachsener, um den Alkohol abzubauen und ist deshalb den schädigenden Einflüssen länger ausgesetzt. Wenn sich die Mutter bereits wieder nüchtern fühle, sei das ungeborene Kind immer noch alkoholisiert, heisst es weiter.

Der Alkoholkonsum habe je nach Entwicklungsstufe des Embryos oder Fötus unterschiedlich starke Auswirkungen auf die Gesundheit des Kindes. Er könne Störungen bei der Zell- und Organentwicklung hervorrufen und insbesondere das zentrale Nervensystem schädigen. Die Folgen könnten von Verhaltensstörungen, verminderter Intelligenz über Wachstums-Verzögerungen bis hin zu Missbildungen reichen.

Nur ein Drittel der Schwangeren informiert

Nur ein Drittel der werdenden Mütter würden auf ihren Alkoholkonsum angesprochen, sagt die SFA aufgrund der Studie der Universität Bern. Die Unsicherheit unter den Schwangeren und ihren Partnern über die Auswirkungen des Trinkens auf das werdende Kind sei deshalb gross.

In vielen Fällen hätten die Ärzte immer noch zu viele Skrupel, ihren Patientinnen im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum unangenehme Fragen zu stellen, sagt der Gynäkologe Patrick Hohfeld gegenüber swissinfo.

Manchmal sei es auch schwierig, Alkohol abhängige Frauen zu erkennen, weil es ihnen oft gelinge, ihre Abhängigkeit zu vertuschen, erklärt Hohfeld.

Die SFA ist besorgt über die Tatsache, dass in den letzten Jahren der Alkohol- und Zigaretten-Konsum in der Schweiz gerade bei Frauen – hauptsächlich jungen – zugenommen hat. Künftige Mütter würden im gebärfähigen Alter selbstzerstörerische Gewohnheiten entwickeln.

Keine Geschlechtergleichheit beim Alkoholkonsum

“Wenn eine Frau und ein Mann die gleiche Menge Alkohol trinken, wirkt sich das auf den weiblichen Organismus schädlicher aus”, sagt Hohfeld. Eine Frau werde schneller vom Alkohol abhängig und bekunde mehr Mühe, wieder davon wegzukommen als ein Mann, erklärt der Gynäkologe.

Auch die Definition der Alkohol-Abhängigkeit habe sich verändert. Früher habe man die regelmässigen Trinker als Alkoholiker bezeichnet. Heute seien auch gelegentliche Exzesse, beispielsweise alle zwei Wochen ein Rausch, ein Zeichen der Abhängigkeit, so Hohfeld. Und solche Verhaltensmuster seien bei Jugendlichen derzeit verbreitet, besonders bei jungen Frauen beim abendlichen Ausgang.

Die schwangere Frau ist nicht allein verantwortlich

Die meisten Frauen, die Kinder haben wollen, ändern indessen ihren Lebensstil schon vor dem ersten positiven Schwangerschaftstest. Es gibt aber oft auch Frauen, die während der Schwangerschaft von ihren Partnern oder von der Umgebung, wo sie leben, psychologisch wenig oder gar nicht unterstützt werden. Und solche Frauen denken, dass ein Glas Wein während der Stillzeit nicht schadet.

Genau an solche Frauen richtet sich die Kampagne der SFA. Sie empfiehlt Frauen, die es nicht lassen können, höchstens ein Standardglas zu trinken, aber nicht jeden Tag. Und auf jeden Fall sollte nicht übermässig Alkohol getrunken werden, auch wenn es nur gelegentlich sein sollte.

Die Schwangeren tragen die Verantwortung aber nicht alleine. Die Personen aus dem sozialen Umfeld können sie unterstützen, indem sie ihr keinen Alkohol anbieten und in ihrer Anwesenheit den eigenen Konsum einschränken.

swissinfo, Raffaella Rossello
(Übertragung aus dem Italienischen: Jean-Michel Berthoud)

In der Schweiz konsumieren 140’000 Frauen Alkohol in einem gesundheits-gefährdenden Ausmass, davon 7,4% Mütter.

1000 Kinder müssen jährlich gesundheitliche Folgen des Alkoholkonsums während der Schwangerschaft der Mutter ertragen.

Rund 100 davon leiden an Verhaltensstörungen, verminderter Intelligenz, Wachstumsstörungen und Missbildungen.

Gemäss einer Studie der Universität Bern wird nur ein Drittel der Schwangeren auf den Alkoholkonsum angesprochen.

Um Hausärzte, Gynäkologen, Apotheker und Hebammen besser für die Problematik zu sensibilisieren, hat die Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) zusammen mit Ärztinnen und Ärzten sowie Apothekern und Apothekerinnen eine Broschüre zum Alkoholkonsum während der Schwangerschaft heraus gegeben.

Ein weiterer Ratgeber richtet sich an schwangere Frauen, deren Partner und Interessierte. Schwangeren wird generell davon abgeraten, Alkohol zu trinken.

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