
Schweizer machen gute Miene

Die Schweizer Delegierten am Erdgipfel äussern sich zuversichtlich, dass ein Schlusspapier zustande kommt. Fragen bleiben rund um die Substanz.
Delegationsleiter Serge Chapatte sagt, die Schweiz habe ihre Erwartungen ziemlich heruntergeschraubt.
Nächste Woche werden in Johannesburg die Verhandlungen auf ministerieller Ebene fortgesetzt. Serge Chapatte glaubt, dass im Schlusspapier, dem globalen Aktionsplan, inhaltlich der kleinste gemeinsame Nenner vorherrschen wird. Mit anderen Worten, dieser Plan werde keine bindenden Zusicherungen der Staaten enthalten, wie Chapatte gegenüber swissinfo ausführt. So werde auch wenig zu den international und zeitlich festgelegten Verpflichtungen dazukommen, um das Armutsproblem und die Umweltpflege anzugehen.
«Natürlich haben wir alle auf möglichst viele Zusicherungen gehofft», meint Chapatte gegenüber swissinfo, «aber zuletzt muss man froh sein mit dem, was man erhält».
Besser als Bali
Chapatte bemerkte auch im Vergleich zu den Erdgipfel-Vorgesprächen Ende Mai dieses Jahres in Bali eine verbesserte Atmosphäre. «Hier in Johannesburg arbeiten wir täglich bis Mitternacht», so der Delegationsleiter, «in Bali sassen wir noch täglich bis 4 Uhr früh beisammen und kamen zu keinem Ergebnis.»
Der stellvertretende Direktor der DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit im Aussenministerium) fügte ausserdem bei, dass es den Unterhändlern schwer falle, innerhalb eines verbindlichen internationalen Vertrags «ein Gleichgewicht zwischen ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekten» zu finden.
«Das Thema der nachhaltigen Entwicklung umfasst ein breites Spektrum», so Chapatte im weiteren. «Dennoch gewichten wir hartnäckig alle Aspekte gleich, um der Welt ein gutes Beispiel zu geben».
«Natürlich macht dies das Aushandeln auch nicht einfacher.»
Die Schlachtlinien sind gezogen
Am dritten Tag der Plenarsitzung in Johannesburg seien die Schlachtlinien zwischen handels- und umweltbezogenen Thematiken am Verhandlungstisch gezogen worden, meinte Beat Nobs, der Schweizer Umweltbotschafter, zu swissinfo.
«Bedauerlicherweise sieht man hier sehr oft die ökologischen Aspekte als Handelshindernis», sagte Nobs.
Die Plenarsitzungen am Erdgipfel sind von der UNO gesponsort. NGOs, sogenannte Nicht-Regierungs-Organisationen, bleiben deshalb oft von diesen Sitzungen ausgeschlossen. René Longet, NGO-Vertreter und Mitglied der Schweizer Delegation, bedauerte gegenüber swissinfo diesen Umstand.
«Einerseits haben die Vereinten Nationen Vertreter solcher Organisationen nach Johannesburg eingeladen. Und jetzt, wo sie anwesend sind, zieht man sie nur ungenügend in die Verhandlungen mit ein», bedauert Longet.
Greenpeace: Unternehmenskriminalität
Die Umweltorganisation Greenpeace nutzte das Umfeld des Erdgipfels aus, um ihren «Bericht über Unternehmenskriminalität» zu veröffentlichen (Corporate Crimes Report). Es handelt sich um einen happigen Angriff auf multinationale Firmen, die nach Meinung von Greenpeace bei der Durchführung einer Politik nachhaltiger Entwicklung versagt haben.
So werden der schweizerische Pharmariese Novartis, Ciba Speciality Chemicals und die im Agrogeschäft tätige Syngenta angeklagt, bei ihrer Verantwortung für die Lagerung von Chemieabfall in der Schweiz zwischen den 40er und den 60er Jahren versagt zu haben.
Starkes Geschütz zum Business Tag
Der Inhalt dieses Berichts stelle nichts neues dar, meinten Beobachter. Doch sei das Timing der Veröffentlichung durch Greenpeace just zu diesem Zeitpunkt ein Versuch, den Einfluss von Wirtschaftsführern zu unterminieren. Denn diese planen, sich nächsten Sonntag zu einem grossen Business Day am Erdgipfel einzufinden.
Dem hielt der Greenpeace-Vertreter aus der Schweiz, Wangpo Tethong, entgegen, dass die Multis an dieser Johannesburger Konferenz nichts verloren hätten, falls sie nicht klar nachweisen können, wie es um ihre Bemühungen um die Nachhaltigkeit steht.
«Nichts steht dem Umstand entgegen, dass diese Unternehmen hier teilnehmen», sagte Tethong, «aber wir finden, dass sie noch sehr viel Hausaufgaben lösen müssen». Er fügte hinzu: «Beobachtet man den Ablaufmechanismus dieser Konferenz, sieht man, wie die Multis die Regierungen dazu anhalten, keine bindenden Verpflichtungen einzugehen. Dies ist für mich ein sehr beunruhigender Anhaltspunkt dafür, wie es um ihre Meinung bezüglich nachhaltiger Entwicklung bestellt ist».
Die Unternehmerschaft hat die Gelegenheit, am nächsten Sonntag zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Einen Tag vor der Ankunft des Schweizer Aussenministers Joseph Deiss in Johannesburg findet ein entsprechendes Seminar statt, zu dem die «Business Action for Sustainable Development» eingeladen hat. Deiss wird Anfang nächster Woche vor der Plenarversammlung des Erdgipfels sprechen.
Ramsey Zarifeh, Johannesburg
Die Schweizer Delegation erwartet einen Schlussbericht.
Ein nachhaltiger Aktionsplan ist jedoch nicht in Sicht.
NGOs bleiben bei den Plenarsitzungen oft draussen.
Am Sonntag findet ein grosser Business Day statt.

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