
«Sunny Memories» – Design und neue Technologie

Die Ausstellung "Sunny Memories" verbindet technologische Innovation – Farbstoff-Solarzellen – mit kreativem Design und zeigt neue Visionen für den Einsatz von Solar-Energie. Die Schau an der Harvard Universität in Cambridge (Massachusetts) dauert bis Ende November.
Wer das Wort Solarzellen hört, denkt heute in erster Linie an wenig ästhetische Installationen auf einem Dach. An der ETH in Lausanne (EPFL) wurde eine neue Generation farbiger, dünner, durchsichtiger und flexibler Solarzellen entwickelt.
Der Prototyp geht auf die 1990er-Jahre zurück. Die Ausstellung präsentiert Ideen, wofür man die neuen Zellen nutzen könnte – vom Batterieladegerät bis zum Kühlschrank, von der Insektenfalle bis zur Parkbank.
Pflanzen als Vorbild
Die neuartigen Farbstoff-Zellen brauchen kein Silizium. Sie erzeugen Energie, indem sie die Photosynthese von Pflanzen imitieren. Vereinfacht gesagt: Ein Farbstoff und Licht produzieren die Energie.
Ein Vorteil der von Michael Grätzel in Lausanne entwickelten Solarzellen ist, dass ihre Produktion weniger kostet, zudem sind sie bei schwachem oder diffusem Licht effizienter als Siliziumzellen. Da sie auch flexibler sind, lassen sie sich in verschiedenste Unterlagen integrieren, so auch in Stoffe für Kleider oder Rucksäcke.
Neue Optionen ausleuchten
Die Farbstoff-Solarzellen eröffnen ganz neue Optionen für den Einsatz der Sonnenenergie. Um die Optionen zur Nutzung dieser neuen Zellen auszuloten, befassten sich Design-Studierende von vier international renommierten Kunstschulen in Lausanne, Paris, London und San Francisco in einem Workshop mit der neuen Technologie.
Die Ausstellung «Sunny Memories» präsentiert eine Auswahl der dabei entstandenen Design-Ideen. Die Idee zu dem Workshop kam von Nicolas Henchoz, dem Leiter des EPFL+ECAL Lab. In Zusammenarbeit mit der Ecole Cantonale d’Art Lausanne (ECAL) fördert dieses EPFL-Institut Innovationen an der Schnittstelle von Technologie, Design und Architektur.
«Die für die Ausstellung verwendeten Projekte entfallen auf drei Kategorien: Designs, die sofort in Produktion gehen können, solche, die potentiell in zwei bis drei Jahren produziert werden können und solche, bei denen Ideen entwickelt wurden, die auf einer Annahme fussen, wie weit sich die Technologie in den nächsten 10 Jahren entwickeln wird», erklärte Henchoz bei der Eröffnung der Ausstellung im Lab@Harvard.
Im Zusammenhang mit dem Namen ‚»Sunny Memories» erklärte Henchoz, man habe den Studentinnen und Studenten gesagt, sie sollten als Ausgangspunkt die Beziehungen in Betracht ziehen, die zwischen der Sonne und der Erinnerung herrsche. Sie sollten sich Gedanken darüber machen, dass Energie nicht nur zum Komfort nötig ist, sondern dass «wir sie brauchen, um unsere Geschichte festzuhalten, unser Erbe, das Wissen, das wir uns aneignen».
Unterschiedlichste Projekte
An der Vernissage herrschte ein dichtes Gedränge. Die Schau stiess auf viel Interesse bei Jung und Alt.
Zu sehen sind sehr unterschiedliche Projekte: Zum Beispiel eine Sitzbank, die tagsüber Energie auffängt und in der Nacht leuchtet – was in einem Park in der Nacht für mehr Sicherheit sorgen könnte, wie es im Begleittext heisst.
Innerhalb von drei Jahren könnte der Briefkasten, der über ein eingebautes Programm per E-Mail oder sms meldet, wenn ein Brief oder ein Paket in den Kasten gelegt wird, in Produktion gehen.
Viel Aufmerksamkeit erregte ein mobiler Kühlschrank, ein Prototyp: Er könnte etwa in Entwicklungsländern sehr gute Dienste leisten, sei es bei Familien zu Hause oder für die Ärztin oder Krankenschwester, die in weit entlegenen Dörfern Patientenbesuche macht und Medikamente mitnehmen muss.
Der Kühlschrank könnte auch nach Katastrophen eingesetzt werden, wenn die Stromversorgung zusammengebrochen ist. Oder ganz einfach für einen Tag ans Meer mitgenommen werden.
Eine Trennwand für Büroräume, die für mehr oder weniger Abschirmung sorgt, produziert gleichzeitig Energie. Die «Füsse» der Wand sind Steckdosen-Elemente. Oder eine Solarzelle als Radio, bei der die Zelle Berührungsbildschirm und Lautsprecher zugleich ist.
Statt Sonnenschirmen auf einem Platz eine «Solar»-Wolke: Eine aufblasbare, Schatten spendende Struktur, die gleichzeitig eine grosse Menge Energie produzieren würde.
Ideen aus der Schweiz
Zu den Ideen aus der Schweiz gehört ein Batterie-Ladegerät, das überall aufgehängt werden kann, etwa an einem Einkaufswagen aus dem Supermarkt.
Ebenfalls aus der Schweiz kommt die Idee einer Wandlampe fürs Fenster: Am Tag fängt die Struktur das Sonnenlicht ein, wenn es dunkel wird, faltet sie sich zu einem Lampenschirm und gibt Licht ab.
Und ein Objekt, das an sehr viel frühere Zeiten erinnert, an Schriftrollen aus Papyrus oder Pergament: Die neue Variante dient als Energieversorger für Informationsträger der heutigen Zeit wie Mobiltelefone, IPods und anderes mehr.
Am Projekt «Sunny Memories» waren Professoren und Studierende von 4 international renommierte Kunst- und Designschulen beteiligt: Die Ecole Cantonale d’Art Lausanne (ECAL), die Ecole Nationale Supérieur de Création Industrielle (ENSCI) in Paris, das Royal College of Art (RCA) in London und das California College of Art (CCA) in San Francisco beteiligt.
Die Ausstellung war bisher in Renens, Paris, London, San Francisco und New York zu sehen.
In Cambridge ist die Schau bis zum 6. November zu sehen. Zudem gibt es Pläne, die Ausstellung im nächsten Jahr noch in Washington zu zeigen.
Die Ausstellungen in San Francisco und Cambridge erfolgten in Zusammenarbeit mit den swissnex, dem Netzwerk der Schweizer Wissenschaftshäuser. An der Vernissage in Cambridge sprach auch der für Forschung und Kunst zuständige Bundesrat Didier Burkhalter, der nach Massachusetts noch Kalifornien besuchte.
Michael Grätzel, der Erfinder der Farbstoff-Solarzellen, ist 1944 in Deutschland geboren und hat in Berlin studiert. Seit 1977 ist der Chemieprofessor an der ETH in Lausanne und ist mittlerweilen auch Schweizer Bürger.
1992 liess er seine Erfindung der Farbstoff-Solarzelle patentieren. Heute ist die seither ständig weiter entwickelte Zelle auf dem Markt.
Die Farbstoff-Zellen funktionieren ähnlich wie Pflanzenblätter, sie imitieren deren Photosynthese. Bei der Photosynthese nimmt der Pflanzenfarbstoff Chlorophyll Licht auf und gewinnt dann aus den frei gewordenen Elektronen Energie.
Bei der Grätzel-Zelle werden organische Farbstoff-Moleküle verwendet, die das Sonnenlicht in Strom umwandeln.
Michael Grätzel ist einer der zehn weltweit am meisten zitierten Wissenschafter, der schon zahlreiche Preise erhalten hat. Dazu gehören der Balzan-Preis 2009 und der World Technology Award 2010, gestiftet von der Regierung und der Wirtschaft Finnlands.

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