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“Unsere Schweiz ist multikulturell”

swissinfo.ch

Fast schon ein Schweizer ist Tefit Maqkaj. In den 90er-Jahren hat er als Teenager Kosovo verlassen und führt heute eine Pizzeria in Bern. Er könnte längst einen Schweizer Pass haben, doch fehlt ihm die Zeit, einen Antrag zu stellen.

Selbstsicher und doch diskret bewegt er sich durch “sein” Restaurant, schickt einen Kellner zum Buffet, wo eine Pizza bereitsteht und bringt selbst die Speisekarten an einen Vierer-Tisch.

Der Wirt des “La Strada” ist gerade 30 geworden. Die Hälfte seines bisherigen Lebens hat Tefit Maqkaj in der Schweiz verbracht.

“Wenn man hier zur Schule geht und ständig mit verschiedenen Kulturen in Berührung kommt, integriert man sich schnell”, sagt der Kosovo-Albaner in bestem Schweizerdeutsch mit einem leichten fremden Akzent.

“Ich meine nicht nur die Deutschschweiz, sondern auch die italienische und die französische Kultur. Unsere Schweiz ist multikulturell.” Er müsste gar nicht erwähnen, dass er sich eher als Schweizer denn als Kosovo-Albaner fühlt, tut es aber dennoch.

“Dort unten…”

Seine Familie stammt aus Prizren im Süden Kosovos. Der Vater hat die Heimat vor über 30 Jahren verlassen und besitzt seit langem einen Schweizer Pass. Zuerst ist die Ehefrau nachgekommen, dann die Kinder. Tefit Maqkaj absolvierte das achte, neunte und zehnte Schuljahr in der Schweiz.

“In der ersten Zeit ging mein Vater nur für jeweils einige Monate in die Schweiz, dann für mehrere Jahre, und irgendwann hat er sich wohl in das Land verliebt”, vermutet Tefit Maqkaj. Inzwischen lebt die ganze Familie schon so lange in der Schweiz, dass sie wohl Mühe hätte, sich wieder im Kosovo zu integrieren.

“Ich kenne dort unten niemanden mehr ausser ein paar Verwandten”, sagt Maqkaj, der als 15-Jähriger in die Schweiz gekommen ist. Wenn die Familie für eine oder zwei Wochen Ferien nach Prizren fahre, falle sie dort sofort auf. “Die Leute merken, dass wir nicht zu ihnen gehören.”

Tellerwäscher-Karriere

Im Gastgewerbe machte der junge Mann eine Art Tellerwäscher-Karriere, nur dass es bei ihm Espresso-Tassen und Gläser waren. Gerade mal 17 war er, als er anfing. “Mit der Zeit stieg ich auf, vorerst zum Kellner, dann zum Betriebsassistent und später zum Geschäftsführer”, erzählt er, als wäre dies selbstverständlich.

Neben der praktischen Arbeit absolvierte er das Wirtepatent bei Gastrosuisse in Bern. Als er hörte, dass das “Strada” zur Übernahme stand, prüfte er die Sache und griff zu. Das war vor einem halben Jahr. “Wir sind immer noch in der Aufbauphase, das bedeutet besonders harte Arbeit.”

Von Montag bis Samstag ist der Wirt täglich im Restaurant anzutreffen. Am Sonntag, wenn geschlossen ist, kommt er jeweils noch für ein paar Stunden, um die Buchhaltung zu machen und anderes zu organisieren. Da bleibt nicht viel Zeit für ein Privatleben.

Traum von eigener Familie

Tefit Maqkaj lebt allein, hat aber engen Kontakt zur Familie, wo er mindestens einmal in der Woche essen geht. Dort geniesst er die Gerichte aus dem Balkan, die seine Mutter kocht.

Seine knapp bemessene Freizeit verbringt er mit Freunden. Dazu gehören Schweizer genauso wie Kosovaren, mazedonische Albaner, Italiener oder Spanier.

Der 30-Jährige träumt von einer eigenen Familie. Woher seine Zukünftige stammt, ist ihm nicht wichtig: “Wenn die Liebe kommt, dann kommt sie.” Einer seiner Brüder sei mit einer Portugiesin verheiratet und “super glücklich”. Nein, die Eltern würden sich da nicht einmischen oder gar Druck ausüben.

Tefit Maqkaj ist Muslim. “Kein ganz strenger”, wie er betont, aber er respektiere seinen Glauben. Dazu gehört für ihn auch, andere Glaubensrichtungen zu respektieren. Sein Vater und der jüngste Bruder gingen zwar regelmässig in die Moschee, er selbst allerdings äusserst selten.

Der Schweizer Pass

Wenn er von Schlägereien unter jungen Kosovo-Albanern hört, ärgert sich der bestens integrierte Landsmann. “Gewalt mag einerseits mit einer schlechten Erziehung in der Familie zusammenhängen, andrerseits aber auch mit einer mangelnden Integration in der Arbeitswelt”, mutmasst der erfolgreiche Wirt.

Wer den ganzen Tag herumhänge, sich langweile und wenn möglich depressiv sei, könne leicht ausflippen, wenn er gereizt werde. “Aber wenn man den ganzen Tag arbeitet und müde ist, hat man gar keine Zeit für negative Sachen.”

Tefit Maqkaj hat im Moment nicht einmal Zeit, die Schweizer Staatsbürgerschaft zu beantragen. Das Formular habe er bereits abgeholt, doch dann sei ein beruflicher Wechsel mit grosser Arbeitsbelastung dazwischen gekommen. “Ich werde den Schweizer Pass schon bekommen, da bin ich ganz sicher”, sagt er lächelnd.

swissinfo, Susanne Schanda

Tefit Maqkaj ist am 25. Februar 1978 in Prizren im Süden Kosovos geboren worden. Dort ging er bis zur achten Klasse zur Schule.
Am 9. Februar 1993 folgte er seiner Familie in die Schweiz, wo er drei weitere Schuljahre absolvierte.
1995 begann er im Gastgewerbe zu arbeiten.
Tefit Maqkaj spricht Deutsch, kosovarisches Albanisch, Bosnisch, Kroatisch, Serbisch, Italienisch, Französisch und Spanisch.
Im Oktober 2007 hat er sich selbständig gemacht und führt in Bern eine Pizzeria.

In der Schweiz leben zwischen 170’000 und 190’000 Kosovarinnen und Kosovaren. Das entspricht rund 10% der Bevölkerungszahl im Kosovo.

Insgesamt machen Ausländerinnen und Ausländer rund 20% der Wohnbevölkerung der Schweiz aus.

Wer sich in der Schweiz einbürgern will, muss seit 12 Jahren hier wohnhaft sein.

Eine Einbürgerungs-Bewilligung erhält, wer gut integriert ist und die schweizerische Rechtsordnung kennt.

In der Woche vom 7.-13. April nimmt die SRG SSR idée suisse das Thema “Integration” in ihren Programmen auf.

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