
Berna-Aktionäre sagen Ja zu Crucell

Die Aktionäre des Schweizer Impfstoff-Herstellers Berna Biotech haben sich am Mittwoch trotz Kritik für die Übernahme durch Crucell ausgesprochen.
Bereits am Dienstag haben die Aktionäre der holländischen Crucell grünes Licht für das Geschäft über 591 Mio. Fr. gegeben, nachdem Chemieriese Novartis abgesagt hatte.
Bahn frei für Crucell: Die Niederländer können den Schweizer Konkurrenten Berna Biotech übernehmen. Die Berna-Aktionäre haben die Anträge des Verwaltungsrats akzeptiert und machen damit den Weg für die Übernahme frei, allerdings nicht ohne Nebengeräusche.
Die Vertreter von Crucell und der Berna-Führung mussten am Mittwoch an der ausserordentlichen Generalversammlung in Bern viel Kritik einstecken. Vor der Abstimmung äusserten sich viele der 321 anwesenden Aktionärinnen und Aktionäre sehr kritisch gegenüber dem jungen Konzern aus dem holländischen Leiden und dessen Übernahmeplänen.
Viele zeigten sich nicht begeistert von der Idee, den Berner Traditionskonzern in Crucell einzuverleiben. Die Anwesenden vertraten 18,1% der stimmberechtigten Aktien.
Weg geebnet
Offensichtlich sei das Berna-Management gescheitert, kritisierten einige Aktionäre. Trotzdem stimmte die Versammlung klar mit 88% dafür, dass die Stimmrechtsbeschränkung von 5% in den Statuten gestrichen wird.
Crucell hatte diese Streichung zur Bedingung gemacht, um mit den angestrebten 67% an Berna auch voll stimmen zu können. Zudem wurden die Crucell-Manager Ronald Brus, Leonald Cruimer und Jaap Goudsmit mit 80% der Stimmen in den Berna-Verwaltungsrat gewählt.
Die Beschlüsse treten jedoch erst dann in Kraft, wenn das Angebot von Crucell auch wirklich zu Stande kommt.
Angst um Standort Bern
Die kritischen Aktionäre fürchteten hauptsächlich um den Produktions-Standort Bern und zeigten kein Verständnis für die Tatsache, dass eine kleine Firma wie Crucell ein Unternehmen mit einer 107-jährigen Tradition schluckt.
Dass die Berna-Aktionäre nur 27% am neuen Konzern halten würden und Crucell ganze 67% sei frustrierend. Immer wieder wurde dem Berna-Verwaltungsrat auch vorgeworfen, zu wenig informiert zu haben. Besonders das Interesse von Novartis sei kaum erwähnt worden.
Crucell-Chef Brus bemühte sich, die Berner Aktionäre in deutscher Sprache für die Übernahme zu begeistern. Er betonte, wie wertvoll das Zusammengehen für beide Unternehmen sei.
«Dies ist eine historische Weichenstellung», betonte Berna-Verwaltungsratspräsident Peter Giger. Es gehe um die entscheidende Frage: Für ein Zusammengehen mit Crucell und damit eine sichere Zukunft oder für einen Alleingang mit Risiken.
Aktientausch
Das Geschäft soll mittels Aktientausch erfolgen. Crucell bietet 0,447 eigene Aktien für einen Berna-Titel. Die Niederländer offerieren den Berna-Besitzern eine Prämie von gut 27% auf den Aktienkurs. Damit hat die Transaktion einen Gesamtwert von rund 590 Mio. Franken.
Wie viele Aktionäre jedoch ihre Titel Crucell überlassen werden, bleibt ungewiss. Viele waren sich auch nach der Abstimmung nicht sicher. Die Angebotsfrist läuft noch bis zum 20. Januar. Das Geschäft soll im Februar abgeschlossen werden.
Auch Crucell-Aktionäre dafür
Am Dienstag hatten die Aktionäre von Crucell in Amsterdam das Übernahmeangebot befürwortet. Danach wird Crucell für die Transaktion 18 Millionen neue Aktien ausgeben. Gleichentags gab Novartis bekannt, nach einer Unternehmensprüfung nun doch nicht um Berna mitbieten zu wollen.
Dieser Entscheid hat die Spekulationen angeheizt, wonach der Schweizer Chemieriese einen wesentlich grösseren Fisch als Berna Biotech an der Angel hat, nämlich das Biotechnologie-Unternehmen Serono, das rund 15 Mrd. Franken wert ist.
Grosser Fisch
Crucell will mit Berna zum weltgrössten unabhängigen Impfstoff-Hersteller werden. Gegenüber Berna ist Crucell jedoch nur ein kleiner Mitbewerber.
Die klassische Regel, wonach der grosse den kleinen Fisch schluckt, gilt hier also nicht. Laut Berna-Chef Kuno Sommer ist der Grund dafür der weit höhere Börsenwert der kleineren Crucell.
swissinfo und Agenturen
Geschäftszahlen 2004:
Umsatz Berna Biotech: 204,6 Mio. Fr.
Netto-Verlust: 23,3 Mio. Fr.
Umsatz Crucell: 22,6 Mio. Euro (34,9 Mio. Fr.)
Netto-Verlust: 21,3 Mio. Euro (kleinster Verlust in der Firmengeschichte).
Berna Biotech wurde 1898 als Schweizerisches Serum- und Impfinstitut gegründet. Sie ist spezialisiert auf den Schutz vor Tetanus, Diphtherie, Masern, Typhus sowie Hepatitis A und B. Sie beschäftigt rund 750 Personen, davon 400 in Bern.
Die holländische Crucell wurde 1993 als Biotechnologie-Unternehmen «Introgene» gegründet, mit dem Ziel, Gentherapien anzubieten. Nach der Fusion mit der ebenfalls holländischen Firma «U-Bisys» entstand die heutige Crucell.
Heute setzt sie ihren Akzent auf Impfungen und Antikörper gegen Ebola, Influenza, Malaria, das West Nile Virus und Tollwut. Ende 2004 beschäftigte die Firma rund 210 Personen.
Crucell ist seit 2000 an der Börse, Berna seit 2001. Während der letzten 12 Monate haben die Berna-Aktien um fast 50% an Wert gewonnen.

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