40 Jahre sind genug

Rund 10'000 Bauarbeiter erwartet die Gewerkschaft Bau und Industrie am Samstag zur Bauarbeiter-Demo in Bern. Rentenalter 60 und 120 Franken mehr Lohn werden gefordert.
Die Stimmung zwischen den Sozialpartnern in der Schweizer Baubranche ist nicht gut. Seit Monaten verhandelt die Gewerkschaft Bau und Industrie (GBI) mit dem Schweizerischen Baumeisterverband (SBV) erfolglos um einen neuen Gesamtarbeits-Vertrag.
Der Gewerkschaft geht es vor allem um eine frühere Pensionierung der Bauarbeiter. Die GBI findet, wer auf dem Bau 60 Jahre alt wird, ist müde und verbraucht. Deshalb sei eine Pensionierung mit 60 statt 65 gerechtfertigt. Innert drei Jahren soll Rentenalter 60 Tatsache werden.
In den Nachbarländern der Schweiz gehen die Bauleute überall früher in den Ruhestand als in der Schweiz.
Baumeister: Lieber in Etappen
Im Prinzip können sich auch die Arbeitgeber, die Baumeister, mit dem Gedanken der früheren Pensionierung anfreunden. Doch ihr Dachverband, der SBV, wirft der Gewerkschaft vor, unflexibel zu sein und stur auf dem Rentenalter 60 zu beharren. «Wir möchten in einer ersten Etappe das Rentenalter mit 62 Jahren ansetzen. Und dann schauen wir, was das kostet», sagte SBV-Direktor Daniel Lehmann gegenüber swissinfo. In einer zweiten Etappe könne man über Rentenalter 60 sprechen.
Die GBI dazu: «Wie wenig ernst die Arbeitgeberseite die Nöte der älteren Mitarbeiter nehmen, zeigt ihre Vorstellung, das Rentenalter 60 so ungefähr bis in zehn Jahren einführen zu wollen.»
Kein Ohr für mehr Lohn
Der Streit dreht sich nicht nur rund um die Frühpensionierung. Die GBI verlangt auch 120 Franken mehr Lohn für alle. Die Arbeitgeber kontern mit einer Anzeige in der Tagespresse. Da wird gefragt: «Sind 4740 Franken Mindestlohn für einen Maurer zuwenig?» Auch verweisen die Baumeister darauf, dass es in der Schweiz Branchen gebe, in denen immer noch für Monatslöhne von 3000 Franken gekämpft wird.
Streik?
An der GBI-Demonstration vom Samstag wird in einer Konsultativ-Abstimmung die Gretchenfrage nach einem Streik gestellt. Wird dies bejaht, dann muss noch jede Baustelle einzeln darüber abstimmen, ob sie wirklich streiken will.
Auch hier hält der Baumeisterverband dagegen. Auf seiner Homepage macht er die Angestellten auf die Auswirkungen eines Streiks aufmerksam (siehe Link).
Wo gestreikt werden soll, wird nicht verraten. Es kursieren Gerüchte, es könnten die Expo.02-Baustellen sein. Damit wäre eine grosse Aufmerksamkeit gewährleistet.
Ernst Wenger: Maurerpolier, 59, arbeitslos
Dass die Arbeit auf der Baustelle Schwerstarbeit ist, leuchtet ein. Bei Wind und Wetter, Kälte und Hitze die Termine einzuhalten, geht an die Substanz. Ernst Wenger, Maurerpolier aus Burgistein bei Bern, hat das alles mitgemacht (siehe Link: Gespräch mit Ernst Wenger).
«Es beginnt im Rücken und in den Knien. So ab 50 Jahren spürt man die harte Arbeit auf den Bau», sagt Wenger gegenüber swissinfo. Auch sei er langsamer geworden, was sich zwar mit Routine teilweise wettmachen liesse. Deshalb findet Ernst Wenger, dass mit 60 Schluss sein müsste. «Ich war nun 40 Jahre auf dem Bau. Und 40 Jahre sind genug».
Ernst Wenger ist jetzt 59 Jahre alt. Und kürzlich wurde er entlassen. «Strukturanpassung», lautete die Begründung seiner Firma. «Ich bin zu teuer geworden», denkt Wenger laut.
Die Gewerkschaft hat der Firma einen Brief geschrieben und protestiert gegen Wengers Entlassung: «Rentenalter 60, so haben wir das nicht gemeint!»
Urs Maurer

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