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Überrissene Löhne schaffen Klima des Misstrauens

Arbeitgeber-Präsident Rudolf Stämpfli. Keystone

Der Präsident des Arbeitgeberverbandes, Rudolf Stämpfli, befürchtet, dass die "übertriebenen" Löhne einzelner Topmanager ein negatives Stimmungsbild in der Schweizer Bevölkerung bewirken.

In einem Interview mit der SonntagsZeitung warnt der Präsident des Arbeitgeberverbandes vor den Konsequenzen der Affäre Swissfirst.

Für einmal sind es nicht nur die Gewerkschaften, die überrissene Manager-Löhne beanstanden, sondern sogar der Arbeitgeberpräsident macht sich ernsthafte Sorgen über die möglichen Konsequenzen.

Der Fall Swissfirst und die hohen Löhne der Topmanager gehören laut Rudolf Stämpfli zu den Fehlern und Auswüchsen, die das Vertrauen in das System Schweiz untergraben.

“Die grösste Gefahr sehe ich, wenn der Bürger nicht mehr daran glaubt, dass dieses System funktioniert. Die Folgen sind wachsendes Misstrauen und Überregulierung”, sagte Stämpfli in einem Interview mit der SonntagsZeitung.

Gewerkschaften nutzen die Empörung

Überrissene Managerlöhne und der Fall Swissfirst lassen die Emotionen in der Bevölkerung hochgehen. “In letzter Zeit häufen sich Fehler und Auswüchse, die uns Arbeitgebern nicht passen”, sagte Stämpfli. Alles zusammen gebe ein sehr negatives Stimmungsbild, von dem sich die breite Bevölkerung beeinflussen lasse.

Dass die Gewerkschaften diese Empörung zu nutzen wissen, dafür hat Stämpfli Verständnis: “Das gehört zum Spiel.” Die Forderung nach generell 4% mehr Lohn hält er aber für übertrieben.

“Die Gewerkschaften gaukeln ihren Mitgliedern mit dieser Kampagne vor, dass alles möglich ist”, meint der promovierte Ökonom. Das sei es aber nicht.

Selbstheilungskraft der Gesellschaft

Stämpfli appelliert an die Gewerkschaften: “Haltet euch an Unternehmer, die Arbeitsplätze erhalten oder neue schaffen.” Die Wirtschaft als Ganzes verhalte sich nicht so negativ, wie das wahrgenommen werde. “Ich verdamme wegen ein paar Rasern auch nicht den ganzen Strassenverkehr.”

Wie könnte das Vertrauen in die Wirtschaft wieder gewonnen werden? Stämpfli setzt auf das persönliche Vorbild und die persönliche Präsenz von Leuten, die an die Stabilität und an die guten Verhältnisse der Wirtschaft glauben, räumt aber ein: “Wir sind in der Tat zu wenig präsent.”

Dabei gebe es Tausende von vorbildlichen Unternehmern in der Schweiz. “Von diesen erwarte ich, dass sie sich häufiger zu politischen und wirtschaftlichen Fragen äussern.”

Grundsätzlich möchte Stämpfli aber nicht alles gesetzlich geregelt haben. “Eine Gesellschaft sollte eine gewisse Selbstheilungskraft haben – auch in Bezug auf unerwünschte Erscheinungen.”

Der Schatten von Swissfirst

Nicht nur die überrissenen Managerlöhne bereiten Rudolf Stämpfli Sorgen, sondern auch das negative Image, das durch die Affäre Swissfirst droht, in die Direktoren von mehreren Unternehmen und Pensionskassen verwickelt sind.

Die Fusion zwischen den Banken Swissfirst und Bellevue vom vergangenen September war von Unregelmässigkeiten überschattet.

Vor einigen Tagen hat die Staatsanwaltschaft Zürich eine Untersuchung eingeleitet, um herauszufinden, ob einzelne Verantwortliche trotz Nachteilen für ihr Unternehmen für diese Fusion gestimmt hätten, weil sie sich dadurch persönlich bereichern konnten.

swissinfo und Agenturen

Der durchschnittliche Lohn in der Schweiz beträgt rund 65’000 Fr. im Jahr.
Die Löhne der bestbezahlten Manager übersteigen inzwischen 20 Mio. Fr. im Jahr.
2005 stand der grösste gemessene Lohnunterschied zwischen einem Angestellten und einem Kadermitglied in der gleichen Firma im Verhältnis von 1 zu 544.
Auf Grund der Inflation sind die Löhne der Angestellten 2006 im Vergleich zum Vorjahr praktisch unverändert geblieben.
Das Einkommen der Manager der 50 grössten Unternehmen in der Schweiz ist dagegen in der gleichen Zeit um 18% angestiegen.

Der schweizerische Arbeitgeberverband ist eine von drei grossen Organisationen, die die Interessen der Arbeitgeber vertreten. Die beiden anderen sind Economiesuisse und Schweizerischer Gewerbeverband.

1908 gegründet, vereinigt der Verband rund 80 Arbeitgeber-Zusammenschlüsse. Die dort organisierten Unternehmen geben über einer Million Menschen Arbeit.

Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat vor einigen Tagen eine Untersuchung über die Fusion der Banken Swissfirst und Bellevue vom September 2005 eingeleitet.

Nach der Fusion ist der Wert der Swissfirst-Aktien innert Tagen von 55 auf 90 Fr. geschnellt.

6 Pensionskassen und 2 Versicherungen hatten zugestimmt, ihre Aktienpakete zu verkaufen, um diese Fusion möglich zu machen. Deren Manager hätten wissen müssen, dass die Aktien nach der Fusion steigen würden. Die Transaktion hat den 8 Institutionen einen Verlust von 20 Mio. Fr. beschert.

Die Untersuchungsbehörden wollen feststellen, ob diese Manager mit der Absicht der persönlichen Bereicherung den Interessen ihrer Gesellschaft geschadet haben.

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