Timeline: 75 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen der Schweiz und China

Vor 75 Jahren erkannte die Schweiz als eines der ersten westlichen Länder die neu gegründete Volksrepublik China an. Ziel war es, einen privilegierten Zugang zu einem potenziell riesigen Markt zu erhalten.
China wurde von einem ehemaligen NATO-Generalsekretär als Anführer einer “Achse von AutokratienExterner Link“ bezeichnet. Die Schweiz als kleines demokratisches Land hat sich stets an den Grundsatz der Neutralität gehalten. Die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern sind seit 75 Jahren überwiegend freundschaftlich, auch wenn das Verhältnis nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 zwischenzeitlich abkühlte.
Nachdem die Schweiz 1999 die Menschenrechtslage in China öffentlich kritisiert hatte, unterzeichnete sie 2013 als erstes europäisches Land ein Freihandelsabkommen mit dem asiatischen Staat, um einen privilegierten Marktzugang zu erhalten.
Im Jahr 2021 stellte die Schweiz erstmals eine China-Strategie vor, in der sie ihren wirtschaftsfreundlichen Ansatz angesichts von Berichten über eine “sich verschlechternde Menschenrechtslage in China“ in Frage stellte.
Doch bisher hat die Schweiz es unterlassen, sich den Ländern der Europäischen Union anzuschliessen, die China wegen der Übergriffe auf die uigurische Minderheit sanktionieren.

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Eine herzliche Beziehung während des Kalten Kriegs
- 17. Januar 1950: Die Schweiz erkennt die Volksrepublik
China an
Die 75-jährige Geschichte der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und China begann mit einem Telegramm. Am 17. Januar 1950 schrieb der damalige Bundespräsident Max Petitpierre an seinen chinesischen Amtskollegen Mao Zedong und brachte die Bereitschaft der Schweiz zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zum Ausdruck: “Die Schweizer Regierung hat heute die Zentralregierung der Volksrepublik China de jure anerkannt, mit der sie in Kürze diplomatische Beziehungen aufnehmen wird.“ Damit war die Schweiz eines der ersten nicht-kommunistischen europäischen Länder, das Maos Regime anerkannte. Dies geschah kurz nach der Anerkennung Chinas durch das Vereinigte Königreich und die skandinavischen Länder.

Es war ein mutiger Schritt. Am 1. Oktober 1949 hatte Mao nach einem achtjährigen Bürgerkrieg die Gründung der Volksrepublik China ausgerufen, des kommunistischen Landes mit der grössten Bevölkerung der Welt. Daraufhin floh der Nationalist Chiang Kai-shek auf die Insel Taiwan und gründete die Republik China. Beide kämpften um internationale Anerkennung.
Am 7. Oktober 1949 beschloss die Schweiz, dass sie – sobald 20 oder 30 Länder die Volksrepublik China anerkennen würden – diesem Beispiel folgen würde.
Die Schweizer Historikerin und Politologin Regula Stämpfli führt die relativ frühe Anerkennung der Volksrepublik China durch die Schweiz auf das Wissen um Chinas enormes Potenzial und dessen geopolitische Schlüsselstellung zurück. “Durch den Wegfall der amerikanischen Präsenz in China war für die schweizerische Wirtschaft eine weniger grosse Konkurrenz auf dem chinesischen Markt zu erwarten, ein Umstand, den es möglichst bald auszunützen galt. […] Durch die Anerkennung Rotchinas konnte eine glaubwürdige schweizerische Aussen- und Neutralitätspolitik verfolgt und zusätzlicher Spielraum für die Eigenständigkeit der schweizerischen Haltung gewonnen werden», schreibt Stämpfli in ihrem Buch Schweiz und China, 1945-1950.
- 14. September 1950: Aufnahme von
diplomatischen Beziehungen zwischen China und der Schweiz
China und die Schweiz nahmen offiziell diplomatische Beziehungen auf, tauschten Gesandte aus und eröffneten Botschaften in den Hauptstädten der jeweils anderen Seite. Im Januar 1956 und April 1957 stuften die beiden Länder ihre diplomatischen Vertretungen von Gesandtschaften auf den Status von Botschaften herauf und tauschten Botschafter aus.

- 1960s-1974: Kontaktpflege mit einem isolierten Land
In den 1960er Jahren war China aufgrund der von den USA verhängten Wirtschaftssanktionen politisch isoliert. Ausserdem kam es zu mehreren Grenzkonflikten mit der Sowjetunion, die zu einer Abkühlung der Beziehungen zu seinem kommunistischen Nachbarn führten.
Im Jahr 1961 besuchte der chinesische Vizepremier Chen Yi Genf und Bern, 1973 empfing Premierminister Zhou Enlai den ehemaligen Regierungsminister Max Petitpierre in Peking. Dort hatte bereits 1968 die Schweizerische Instrumenten- und Uhrenausstellung stattgefunden.
- 1974: Startpunkt für die Erkundung eines unbekannten Marktes
Wirtschaftsmissionen, insbesondere solche unter der Leitung von Bundesministern, sind seit langem ein Instrument der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik.
Die erste Schweizer Wirtschaftsmission nach China fand 1974 unter der Leitung von Aussenminister Pierre Graber statt. Zu dieser Zeit war China für die westliche Welt noch ein unbekannter Markt.
Die wirtschaftlichen Beziehungen wurden am 20. Dezember 1974 mit der Unterzeichnung eines Abkommens über Handel und Gewerbe zwischen den beiden Ländern gestärkt. Der wichtigste Artikel garantierte die gegenseitige Meistbegünstigung und sichert damit sämtliche Handelserleichterungen zu, die beide Partner bereits mit anderen Ländern vereinbart haben.

- Späte 1970er und 1980er Jahre: Vertiefung der wirtschaftlichen und politischen Bindungen
Die wirtschaftlichen Beziehungen beschleunigten sich nach 1978 deutlich, parallel zu den von Maos Nachfolger Deng Xiaoping eingeleiteten Wirtschaftsreformen. Diese führten nach Maos Tod zu einer Öffnung der chinesischen Wirtschaft.
Die besonderen Beziehungen zwischen den beiden Ländern machten möglich, dass viele Schweizer Unternehmen früher als ihre Konkurrenten auf dem chinesischen Markt Fuss fassen konnten. So schrieb der Schweizer Uhrenhersteller Rado 1979 seine Namen in die Geschichte Chinas ein, als er als erste ausländische Uhrenmarke im chinesischen Fernsehen warb. Ebenso gründete der Schweizer Aufzugshersteller Schindler 1980 das erste westliche industrielle Joint Venture mit einem chinesischen Partner.

Menschenrechte rücken ins Zentrum
- 1989: Überdenken der Beziehungen zu China
Die politisch angeordnete Niederschlagung des Protestes auf dem Platz des Himmlischen Friedens und in anderen chinesischen Städten am 4. Juni 1989, bei der Tausende von Demonstranten und Studenten getötet wurden, schockierte viele Regierungen, darunter auch die Schweiz. Es war das erste Mal, dass die Schweiz die chinesische Innenpolitik öffentlich als Verletzung der Menschenrechte kritisierte. Unmittelbar nach der Niederschlagung verhängte Bern ein Verbot von Waffenexporten und fror eine zuvor vereinbarte Waffenlieferung ein. Schweizer Beamte erklärten jedoch schnell, dass sie keine Wirtschaftssanktionen in Betracht zögen.
- 1991: Menschenrechte auf dem Tisch
Seit 1991 findet jährlich ein bilateraler Menschenrechtsdialog zwischen China und der Schweiz statt, Dabei geht es um Strafrecht, Strafverfahren und Strafvollzug, Minderheiten und Religionsfreiheit, Menschenrechtsverteidiger und internationale Menschenrechtsfragen.
- 1999: Chinas erster Staatsbesuch in der Schweiz
Chinas erster Staatsbesuch in der Schweiz, der zunächst friedlich verlief, entwickelte sich zu einer diplomatischen Krise.
Am 25. März 1999 wurde der chinesische Präsident Jiang Zemin bei seiner Ankunft vor dem Bundeshaus in Bern von pro-tibetischen Demonstranten empfangen. Sie protestierten unter anderem gegen die Annexion Tibets durch China im Jahr 1949. Jiang Zemins Gastgeberin, die damalige Schweizer Bundespräsidentin Ruth Dreifuss, fuhr später fort, Jiang auf das Thema Menschenrechte anzusprechen, was ihren chinesischen Amtskollegen verärgerte. In seiner Rede vor dem Schweizer Parlament beschimpfte Jiang die Schweizer Behörden und warf ihnen vor, nicht für Ordnung gesorgt zu haben: “Sie haben einen Freund verloren“, erklärte er.

Zeit für Handel
- 2007: Anerkennung Chinas als Marktwirtschaft
Doris Leuthard, die damalige Wirtschaftsministerin, leitete eine Wirtschaftsdelegation nach China. Während dieser Reise gab sie bekannt, dass die Schweiz China offiziell als Marktwirtschaft im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) anerkennt. China und die Schweiz begannen, die Möglichkeit der Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens zu evaluieren und zu prüfen.
Diese Entscheidung war für China sehr wichtig, da es dadurch Dumpingklagen vor der WTO vermeiden konnte. Sowohl die EU als auch die USA betrachten China noch immer nicht als Marktwirtschaft im Sinne der WTO-Definition.
- 2013: Abschluss eines Freihandelsabkommens
Das bilaterale Freihandelsabkommen (FHA) zwischen der Schweiz und China, das im Juli 2013 in Peking unterzeichnet wurde und am 1. Juli 2014 in Kraft trat, war das Erste dieser Art zwischen Peking und einem Land in Kontinentaleuropa.
In der Schweiz betonten die Befürworter des Abkommens die Vorteile für Schweizer Unternehmen, die einen vereinfachten Zugang zum chinesischen Markt und einen Vorsprung vor ihren europäischen Konkurrenten erhalten würden. Das Freihandelsabkommen mit China gewährt Schweizer Unternehmen den Marktzugang in China sowie den Schutz von Investitionen und geistigem Eigentum. Die linken Parteien der Schweiz und NGOs kritisierten das Freihandelsabkommen jedoch und verlangten dessen Neuverhandlung. Sie forderten die Aufnahme ausdrücklicher Bestimmungen zu Menschenrechten und Arbeitsschutz in dem Vertragstext.
«Deutliche Werteunterschiede zwischen den beiden Ländern»
- 2019: Beginn einer vierjährigen Pause
Die jährlichen Menschenrechtsgespräche zwischen den beiden Ländern kamen zum Stillstand, nachdem Peking einen von der Schweiz mitunterzeichneten Brief an die Vereinten Nationen abgelehnt hatte. In ihm wurde die Schliessung von “Umerziehungslagern“ für die uigurische Minderheit in Chinas Region Xinjiang gefordert. In dem offenen Brief drängten die Schweiz und 21 weitere westliche Staaten China zudem dazu, dem Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR) die Entsendung von Experten zu gestatten.
- 2021: Erste aussenpolitische China-Strategie
Die Schweizer Regierung verabschiedete ihre erste aussenpolitische China-Strategie (2021-2024)Externer Link, mit der sie ihre Beziehungen zu Peking “kohärenter“ gestalten wollte. In der Strategie wird China als wichtiger Partner für die Schweizer Aussenpolitik und als drittgrösster Handelspartner der Schweiz anerkannt. “Allerdings gibt es auch deutliche Werteunterschiede zwischen den beiden Ländern. Deshalb ist es wichtig, dass die Politik gegenüber China klar und kohärent ist“, heisst es in der Strategie.
Der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis erklärte aus Anlass der Veröffentlichung, dass “Chinas Bereitschaft zu einem Dialog über Menschenrechte abgenommen hat, während sich die Menschenrechtssituation im Land verschlechtert hat“. Er betonte, dass die Menschenrechte in allen bilateralen Abkommen berücksichtigt werden sollen.
- 2022: Weigerung, die EU-Sanktionen gegen China einzuhalten
Im März 2021 verhängte die EU aufgrund von Menschenrechtsverletzungen gegen die uigurische Minderheit Sanktionen gegen einige chinesische Personen und Unternehmen. Sämtliche EU-Staaten sowie die meisten westlichen Länder, darunter das Vereinigte Königreich, die USA, Kanada, Island und Norwegen, schlossen sich diesen Sanktionen an. Am 31. August 2022 veröffentlichte die damalige UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, einen Bericht, in dem sie feststellte, dass gegen Uiguren und andere überwiegend muslimische Gemeinschaften “Muster schwerer und unzulässiger Einschränkungen eines breiten Spektrums von Menschenrechten“ mit einer “diskriminierenden Komponente“ vorliegen. Dies könne “internationale Verbrechen, einschliesslich Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ darstellen, hiess es.
Peking wies die Ergebnisse als “auf Desinformation und Lügen basierend“ zurück und bezeichnete den Bericht als “mutwillige“ Verleumdung.
Trotz des Drucks von Seiten der EU und der USA beschloss die Schweiz im Dezember 2022, keine Sanktionen zu verhängen.
- 2023: Wiederaufnahme der Menschenrechtsdialoge
Nach einer vierjährigen Unterbrechung wurden die bilateralen Menschenrechtsdialoge 2023 in Bern wieder aufgenommen. Die Gespräche betrafen mehrere Schlüsselthemen, darunter die Meinungsfreiheit, die Rechte nationaler, ethnischer, religiöser und sprachlicher Minderheiten – insbesondere der uigurischen und tibetischen Bevölkerung – sowie Frauen, die LGBTQ+-Gemeinschaft und die Situation in Hongkong.
Das Schweizer Aussenministerium hatte fünf Nichtregierungsorganisationen, darunter den Uigurischen Verein Schweiz, die Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft, den Internationalen Dienst für Menschenrechte und Amnesty International zur Teilnahme eingeladen, doch China legte sein Veto ein.
Ausgleich zwischen dem Zugang zum chinesischen Markt und Chinas Rechenschaftspflicht beim Thema Menschenrechtsverletzungen
- 2024: Aktualisierung des Freihandelsabkommens
Im September 2024 nahmen die Schweiz und China offiziell Verhandlungen zur Aktualisierung ihres Freihandelsabkommens auf. Die Schweiz möchte vor allem die Modalitäten des Abkommens überarbeiten, insbesondere die Ausfuhr ihrer Produkte, die immer noch stark besteuert werden.
Die Schweiz hat zudem erklärt, dass die “Verpflichtung zur Achtung der grundlegenden Werte und Prinzipien der internationalen Beziehungen und des Völkerrechts (einschliesslich Demokratie, Freiheit, sozialer Fortschritt, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit)“ Teil der Verhandlungen sind.

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Neues Freihandelsabkommen mit China laut Aeschi noch 2025
Editiert von Virginie Mangin/gw; Übertragung aus dem Englischen mit der Hilfe von Deepl: Petra Krimphove

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