
Basel Nazifrei: 20 Fälle zur Neubeurteilung am Strafgericht hängig

Von 36 bekannten Fällen im Zusammenhang mit dem Fallkomplex Basel Nazifrei sind insgesamt 20 Verfahren zur Neubeurteilung beim Strafgericht hängig. Dies teilte das Gericht auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit.
(Keystone-SDA) Die Fälle wurden bereits einmal vom Strafgericht Basel-Stadt in erster Instanz verhandelt, wie es weiter hiess. Jedoch wurden sie vom Appellationsgericht wegen gutgeheissener Ausstandsbegehren der Beschuldigten gegen die Gerichtspräsidien wieder zurückgewiesen. Ein zusätzliches Berufungsverfahren ist gemäss Angaben des Strafgerichts vom Dienstagnachmittag noch bei der zweiten Instanz pendent.
Erst im April hatte das Appellationsgericht Basel-Stadt fünf dieser Ausstandsbegehren gutgeheissen. Die erstinstanzlichen Verfahren müssen von einem «unabhängigen und unparteiischen Spruchkörper» wiederholt werden, wie aus den am 1. August publizierten Urteilen hervorgeht.
Freiheitsstrafen im Raum
Jüngst geht es um fünf Beschuldigte im Basel-Nazifrei-Komplex, die ihre Ausstandsbegehren zwischen dem 24. und 26. April 2024 eingereicht und gleichzeitig um die Aufhebung der Urteile gegen sie ersucht hatten.
Im Raum stehen Freiheitsstrafen von sieben Monaten bedingt bis acht Monaten unbedingt. Die nun aufgehobenen erstinstanzlichen Verurteilungen erfolgten in der Hauptsache wegen Landfriedensbruchs und wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte.
Diese zur Erstinstanz zurückgesetzte Tranche hatte ihre Eingaben erst gemacht, nachdem das Appellationsgericht in einer ersten Tranche bereits 13 frühere Ausstandsbegehren am 5. April 2024 im gleichen Fallkomplex gutgeheissen hatte. Diese waren zuvor ans Bundesgericht gelangt, das entgegen der Vorinstanzen zu Gunsten der Beschuldigten entschieden und Revisionen forciert hatte.
In den nun publizierten Urteilen hält das Appellationsgericht fest, dass die jüngste Tranche der Gesuche dennoch rechtzeitig erfolgt sei. Die Frist für die Eingabe laufe erst ab «tatsächlicher Kenntnis der den Ausstandsgrund begründenden Umstände», nicht schon ab der «blossen Möglichkeit der Kenntnis».
Die ersten Ausstandsgesuche gehen auf ein Interview mit Strafgerichtspräsident René Ernst (SP) zu den Basel-Nazifrei-Verfahren vom 26. September 2020 in der «Basler Zeitung» zurück. Dieses ist laut «Schweiz Aktuell» von SRF «nach Absprache mit Richterkollegen» erfolgt und weckte den ersten Verdacht der Befangenheit.
Komplexer und kritisierter Fall
Die Basel-Nazifrei-Demonstration war eine unbewilligte Gegendemonstration gegen eine bewilligte Kundgebung der rechtsextremen Partei national orientierter Schweizer (Pnos) am 24. November 2018 in Basel. Tausende Gegendemonstrierende waren damals in deutlicher Überzahl gegenüber einigen Dutzend Rechtsextremem auf und rund um den Messeplatz erschienen.
Später während der Gegendemonstration wurden die Rechtsextremen und die sie abschirmende Polizei eingekesselt. Es kam zu einem Austausch von Wurfgeschossen und Gummischrot mit Verletzten. Beide Seiten beschuldigten sich gegenseitig, für die Eskalation verantwortlich zu sein. Der damalige Pnos-Chef wurde wegen antisemitischer Aussagen an der Kundgebung zu einer Geldstrafe verurteilt.
Die Strafverfolgungen gegen die Gegendemonstrierenden führten zu einem der grössten Justizkomplexe der Basler Geschichte und zu erheblicher öffentlicher Kritik.