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Bundeskanzlerwahl: Auch für Schweiz relevant

Ob Schröder oder Stoiber, auch für die Schweiz ergeben sich vielleicht Entspannungen. Keystone

Die CDU/CSU profiliert sich als stärkste Fraktion. Der Wahlausgang könnte das schwierige Verhältnis der Schweiz zu Deutschland vielleicht entkrampfen.

Am Schweizer Abstimmungswochenende dominierten das Nationalbankgold und den Strommarkt. Doch auch die deutsche Bundeskanzlerwahl interessiert.

Wahl- und Abstimmungswochenende in Deutschland und in der Schweiz. In beiden Ländern kommen die Ergebnisse äusserst knapp zustande. Der deutsche Wahlgang zählt gar zu den knappsten der Nachkriegsgeschichte. Die Union und ihr Kanzlerkandidat Edmund Stoiber profilieren sich – ohne Koalition – nach ersten Trendrechnungen als stärkste Fraktion. Sie hat 4% gegenüber 1998 zugelegt.

Inklusive Koalitionsmöglichkeiten mit den Grünen und eventuell der FDP sieht jedoch alles anders aus: Da liegt Bundeskanzler Schröder mit seinen Chancen leicht vorn. Insgesamt wählten 61 Millionen Deutsche, diesmal vermehrt über den Briefweg. Die Wahlbeteiligung in Deutschland dürfte niedriger als 1998 ausgefallen sein.

Stoiber eher für Föderalismus

Die Bundestagswahlen in Deutschland fallen in eine aus Schweizer Sicht schwierige Zeit mit dem Nachbarn: Das Fluglärmabkommen und die Zinsbesteuerung, an der das Bankgeheimnis mithängt, verunsichern die Beziehungen. Wie ein Regierungswechsel in Deutschland darauf einwirken könnte, wurde in den letzten Monaten nicht geklärt: Doch hatte sich während den Fernsehdebatten Unionskandidat und Bayer Edmund Stoiber eher zum Föderalismus bekannt als der Norddeutsche Schröder. Daraus ein vermehrtes Verständnis für die Schweizer Anliegen herauszulesen, wagte niemand, aber hoffte man in Bern.

Schweiz spielte auf Zeit

Die Schweiz hatte im Sachen Fluglärm auf Zeit gespielt und die nächsten Beratungen über den Staatsvertrag auf Ende Oktober verschoben. Damit ging man sicher, mit dem richtigen Partner in Berlin zu verhandeln. Man spekuliert in Bern, auch im Fall eines Verbleibens der SPD und Bundeskanzler Schröder zumindest einen neuen deutschen Verkehrsminister anzutreffen. Dies könnte das Seilziehen mit dem gegenwärtigen, Kurt Bodewig, entkrampfen.

Hatte sich doch die Regierung Schröder durch einen ziemlichen Verschleiss an Ministern hervorgetan: Die jüngste Affäre betrifft die Justizministerin Herta Dauber Gmelin, welcher ein Hitler-Vergleich mit den Amerikanern nachgesagt wurde. Sogar am Wahlsonntag selbst ist der Verbleib der Ministerin in der künftigen Regierung in Abrede gestellt worden.

Deutschland: bis 900 Mrd Euro unversteuert?

Schweizer Beobachter fragen sich, ob der Erfolg der Steueramnestie der italienischen Regierung Berlusconi bei einer neuen oder konservativen Regierung in Deutschland Schule machen könnte. Italiens Regierung vermochte mit einer ersten Steueramnestie rund 59 Mia. Euro (rund 90 Mia. Franken) zu repatriieren – schätzungsweise 58% davon lag auf Schweizer Banken. Eine zweite soll jetzt folgen.

Für Deutschland wird das unversteuerte Auslandvermögen auf einiges mehr geschätzt: rund 800 bis 900 Mia. Euro. Davon liegt bestimmt ein hoher Anteil ebenfalls auf Schweizer Banken.

Differenzen zwischen Brüssel und Berlin

Bürgerliche Regierungen gelten als fiskalpragmatischer: Eine deutsche Unionsregierung würde demnach eher zur Steueramnestie greifen, um einen Teil dieser Summe wieder unter die eigene Steuerhoheit zu locken. Eine Unionsregierung, so Friedich Merz, Fraktionschef CDU/CSU würde zu diesem Zweck auch eine anonyme Quellensteuer akzeptieren, wie sie die Schweiz vorschlägt.

Damit blieben die Gelder auf Schweizer Banken, und das anonyme Bankgeheimnis bliebe ebenfalls, aber die Zinsbesteuerung wäre geregelt. Brüssel hingegen pocht auf die Informationspflicht, wie Schröders Finanzminister Hans Eichel ebenfalls. Und das will die Schweiz nicht akzeptieren.

swissinfo, Alexander P. Künzle und Agenturen

Schwieriges Verhältnis Deutschland – Schweiz: Zinsbesteuerung (Bankgeheimnis) und Staatsvertrag.
Zinsbesteuerung: anoyme Quellensteuer oder Informationspflicht.
Brüssel versus Berlin in Sachen Quellensteuer.
Hoffnungen Berns im Falle eines Regierungswechsels.
Bis 900 Mrd. Euro an unversteuertem deutschem Vermögen im Ausland.

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