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Regierung zwischen Information und Propaganda

Bundesräte Hans-Rudolf Merz (l.) und Samuel Schmid kommentieren die Resultate der Abstimmung vom 24. Februar 2008. Keystone

Der Bundesrat und die obersten Kader der Bundesverwaltung sollen sich nicht mehr in Abstimmungskämpfe einmischen dürfen. Dies fordert eine Volksinitiative, die am 1. Juni zur Abstimmung kommt.

“In den letzten Jahren wurde es immer schlimmer”, sagt Nationalrat Hans Fehr von der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Er meint damit die Informationstätigkeit des Bundesrats im Vorfeld von Abstimmungen.

Mit der Initiative “Volkssouveränität statt Behördenpropaganda” hofft er, diese drosseln zu können.

“Der Bundesrat und die Verwaltung mischen sich zum Teil mit Steuergeldern massiv mit Propaganda in Abstimmungskämpfe ein. Und das schadet der direkten Demokratie”, ergänzt Fehr.

“Es gibt manchmal Vorlagen, die muss der Bundesrat selber auch begründen können”, gibt hingegen die freisinnige Ständerätin Christine Egerszegi im Streitgespräch von swissinfo zu bedenken.

Informationsfreiheit und freie Meinungsbildung dürften nicht eingeschränkt werden. “Ich bin dafür, dass der Bundesrat als Gremium die Möglichkeit hat, diese Informationen weiterzugeben, das Volk neutral zu orientieren”, betont Egerszegi.

Was will die Initiative?

Bis zu viermal jährlich wird in der Schweiz über die unterschiedlichsten Themen demokratisch an der Urne abgestimmt.

Dabei kommt es in den Abstimmungskämpfen jeweils zu einer breiten öffentlichen Diskussion, die der Meinungsbildung dient. Auch die Schweizer Landesregierung (Bundesrat) begründet dabei ihre Haltung zu den Abstimmungsvorlagen.

Der Verein “Bürger für Bürger” empfand die Abstimmungsinformationen der Bundesbehörden aber als Propaganda und reichte eine Volksinitiative mit 106’000 Unterschriften ein. Mindestens 100’000 sind in der Schweiz nötig, damit eine Initiative an die Urne kommt.

Die Volksinitiative verlangt konkret, dass sich der Vorsteher des zuständigen Departements vor Abstimmungen lediglich einmal kurz zur jeweiligen Vorlage an die Bevölkerung wendet.

Weitere Medienauftritte oder Kampagnen sind nicht mehr erlaubt. Der Bundesrat, die obersten Kader der Verwaltung und die Bundesämter dürfen sich nach der Schlussabstimmung im Parlament nicht mehr zu einer Abstimmungsvorlage äussern.

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Bundesrat

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Der Bundesrat ist die Schweizer Regierung (Exekutive). Sie besteht aus sieben Mitgliedern, die alle vier Jahre vom Parlament (Vereinigte Bundesversammlung) gewählt oder bestätigt werden. Ein Mitglied der Landesregierung wird “Bundesrat” oder “Bundesrätin” genannt. Jeder Bundesrat, jede Bundesrätin, steht einem Departement als Minister oder Ministerin vor. Aus ihrer Mitte wird jährlich abwechselnd nach Amtsdauer der Bundespräsident…

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Maulkorb oder nicht?

Diese Einschränkungen trugen dem Volksbegehren schon sehr früh im politischen Prozess den inoffiziellen Namen “Maulkorb-Initiative” ein. “Ich lehne jede Art von Maulkorb ab”, sagt Christine Egerszegi.

“Es hat mit einem Maulkorb, wie das immer von den Gegnern propagiert wird, überhaupt nichts zu tun”, kontert Hans Fehr. “Der Bundesrat kann auch mit dieser Initiative weiterhin sachlich informieren: Er hat die Botschaft an die eidgenössischen Räte, er hat die Parlamentsdebatte, er kann das im Bundesbüchlein (Abstimmungs-Unterlagen) darlegen.”

Egerszegi hat zwar ein gewisses Verständnis für den Ärger der Befürworter: “Die Initiative basiert auf der Informationstätigkeit im Rahmen der bilateralen Verträge und des UNO-Beitritts.” Damals hatte der Bundesrat einen sehr aufwendigen Abstimmungskampf betrieben.

Doch trotzdem geht ihr die Vorlage viel zu weit. “Die Informationstätigkeit des Bundesrats wird massiv eingeschränkt. Er hat sich auf eine kurze Begründung vor der Abstimmung zu begrenzen.”

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Gegenvorschlag die bessere Lösung?

Deshalb sei der indirekte Gegenvorschlag, den das Parlament verabschiedet hat, der bessere Weg. Dieser kommt in Kraft, falls die Initiative am 1. Juni abgelehnt wird.

Er verpflichtet den Bundesrat, sachlich, ausgewogen, transparent und stetig zu informieren. Abstimmungspropaganda soll nicht zulässig sein.

Zudem stelle der Gegenentwurf klar: “Der Bundesrat muss die Meinung des Parlaments vertreten”, sagt Egerszegi, die sich wie Fehr in der Staatspolitischen Kommission mit dem Thema auseinandergesetzt hat.

“Dieser Gegenentwurf ist noch schlimmer, als der Zustand, den wir heute haben”, betont jedoch Fehr. “Er sagt nämlich, der Bundesrat solle kontinuierlich informieren. Das facht diese Propaganda noch an.”

Allerdings untersteht der Gegenentwurf dem fakultativen Referendum. Falls also ein Komitee innerhalb von 100 Tagen 50’000 gültige Unterschriften dagegen sammelt, kommt auch diese Vorlage an die Urne.

swissinfo, Christian Raaflaub

Ein Ja zur Volksinitiative “Volkssouveränität statt Behördenpropaganda” empfiehlt die rechtsbürgerliche Schweizerische Volkspartei (SVP).

Dagegen sind der Bundesrat (Landesregierung), eine Mehrheit des Parlaments sowie die anderen grossen Parteien (Christlichdemokratische Volkspartei (CVP), Freisinnig-Demokratische Partei (FDP), Sozialdemokratische Partei (SP) und Grüne Partei).

Weil es sich bei der Vorlage um eine Volksinitiative handelt, sind am 1. Juni 2008 das Volksmehr und das Ständemehr, also eine Mehrheit der Kantone, ausschlaggebend.

“Darf sich die Regierung an Abstimmungskämpfen beteiligen?” fragte swissinfo die Leserschaft zwischen dem 2 und 13.5.2008.

An der nicht repräsentativen Umfrage beteiligten sich 339 Personen. Das Resultat: 208 (61%) sagten Ja, 122 (36%) Nein. 9 Personen (3%) wussten noch nicht, wie sie abstimmen wollen.

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