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DDR-Agenten spionierten in der Schweiz

Das DDR-Spionage-Ehepaar Gisela und Hans Wolf bei seiner Verhaftung 1973 in Zürich. RDB

Während dem Kalten Krieg waren ostdeutsche Spione in der Schweiz tätig. Das steht im neu erschienenen Buch "Spionageziel Schweiz?" von Peter Veleff.

Die Armee sei aber nicht infiltriert worden, schreibt der Zürcher Ex-Untersuchungsrichter. Ost-Berlin habe an die Neutralität der Schweiz im Fall eines Ost-West-Krieges geglaubt.

In dem im März erschienenen Buch wird erstmals die Spionage-Tätigkeit der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), des ehemaligen kommunistischen Ostdeutschland, in der Schweiz systematisch analysiert.

2001 hatte es das Schweizer Parlament noch abgelehnt, einen unabhängigen Experten zur Aufarbeitung dieses Themas zu beauftragen. Damit schien klar, dass ein spannendes Kapitel der Geschichte der Schweiz im Kalten Krieg noch lange auf sich warten lassen sollte.

Vertiefte Studie

Die unter dem Titel “Spionageziel Schweiz? – Die Geheimdienste der DDR und deren Aktivitäten in der Schweiz” veröffentlichte Studie ist besonders interessant, weil sich Autor Peter Veleff nicht nur auf die Archive der Ex-DDR stützt. Er hat sich auch lange und mehrmals mit den obersten Verantwortlichen des ostdeutschen Ex-Geheimdienstes unterhalten.

Wichtigste Erkenntnis: Die DDR hat zwar die Schweiz so gut es ging grossräumig und bis zuletzt ausspioniert. Aber es gelang ihr nie, Behörden oder die Armee zu infiltrieren.

Drehscheibe

Ziel der DDR-Spione war es nie, mögliche militärische Operationen gegen die Schweiz vorzubereiten.

Im Fall verschärfter Spannungen oder eines Krieges zwischen dem Osten und dem Westen hätte die Schweiz gemäss DDR-Plänen eine nicht unbedeutende Rolle als Beobachtungszentrum spielen sollen: Die Schweiz als Hort für Agenten und Stützpunkt für nachrichtendienstliche Operationen gegen das westliche Militärbündnis NATO.

Laut Buchautor Veleff war das Hauptziel der DDR-Spione, in der Schweiz mehr über den “potentiellen Feind”, die NATO-Mitgliedstaaten, zu erfahren, insbesondere über die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich.

Ein Spionage-Zentrum

Der in der DDR-Botschaft in der Schweiz stationierte Chefspion in Bern stand übrigens in enger Verbindung mit dem verantwortlichen Agenten in Frankreich.

Veleff betont in seinem Buch mehrmals, dass die DDR-Geheimdienste immer von der Idee ausgegangen seien, die Schweiz würde im Fall eines Krieges neutral bleiben. Damit hätte das Schweizer Territorium den kommunistischen Ländern als internationales Spionagezentrum dienen können.

Die Festnahme von Hans und Gisela Wolf

Die Schweiz hat mehrere Vorbereitungs-Aktionen der DDR-Geheimdienste in diese Richtung unterbunden. In seinem Buch liefert Veleff bisher unbekannte Details zur Affäre des ostdeutschen Spionage-Ehepaars Wolf; eine Affäre, die damals Schlagzeilen in den Schweizer Medien machte.

Hans und Gisela Wolf, die mit der Errichtung eines geheimen Rundfunknetzes für die DDR-Geheimdienste in der Schweiz beauftragt waren, wurden 1973 in der Nähe von Zürich festgenommen. 1975 wurden die beiden DDR-Agenten wegen Spionage zu einer siebenjährigen Gefängnisstrafe verurteilt.

Wirtschafts- und Technologie-Spionage

Viele DDR-Geheimagenten waren während dem Kalten Krieg in der Schweiz auch in den Bereichen Wirtschaft und Technologie tätig. Die DDR wollte um jeden Preis ihr enormes industrielles, wissenschaftliches und technologisches Defizit verkleinern, insbesondere im wichtigen Informatiksektor.

Es ging auch darum, Materialien oder strategisch wichtige Ausrüstungen – wie zum Beispiel gewisse Computer-Typen – zu beschaffen, die ein kommunistisches Land auf dem Markt theoretisch nicht erwerben konnte.

Parallel zu ihren Industriespionage-Operationen hatte die DDR in der Schweiz ein eigentliches Handels- und Finanzimperium aufgebaut. Und dies mit kapitalistischen und Mafia ähnlichen Methoden – in willkommener Zusammenarbeit mit Schweizer Banken. Methoden also, die weit entfernt von der marxistisch-leninistischen Ideologie waren.

swissinfo, Michel Walter
(Übertragung aus dem Französischen: Jean-Michel Berthoud)

Seit dem Fall der Berliner Mauer waren die Beziehungen zwischen der Schweiz und der ehemaligen DDR mehrmals ein Thema für Interventionen im Schweizer Parlament.

Abgeordnete von allen politischen Seiten verlangten Entschädigungs-Zahlungen für Schweizer, deren Besitz vom damaligen kommunistischen Regime in Ostdeutschland verstaatlicht wurde, ebenso die Beschlagnahmung der in der Schweiz angelegten Gelder von DDR-Führern.

Ferner wurde Aufklärung über die Aktivitäten ostdeutscher Spione während dem Kalten Krieg in der Schweiz gefordert.

Die Schweizer Regierung befand, eine historische Studie zur Spionage-Frage gehöre nicht zu den prioritären Aufgaben des Staates. Das Parlament entschied 2001 ebenso.

Nun hat der private Forscher, Peter Veleff, diese Aufgabe übernommen.

Peter Veleff: “Spionageziel Schweiz? – Die Geheimdienste der DDR und deren Aktivitäten”

Verlag Orell Füssli, März 2006

288 Seiten, Preis: 49 Franken

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