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Neue Wege, um Junge an die Urne zu bringen

Eine Schülerin spricht im Rahmen des Projektes "Schulen nach Bern" vor der grossen Parlamentskammer. Keystone

Die Aussichten betreffend die Teilhabe der Schweizer Jugend am politischen Leben sind alarmierend. Neue Umfrageergebnisse lassen befürchten, dass die Stimmabstinenz weiter zunehmen wird. Vor allem für die repräsentative Demokratie haben die jungen Schweizerinnen und Schweizer kaum noch etwas übrig; lediglich bei direkten Abstimmungen werden sie sporadisch aktiv. Der Dachverband Schweizer Jugendparlamente (DSJ) verfeinert nun die Strategie des easyvote-Projekts, um mehr Junge zum Urnengang zu bewegen.

Gerade einmal 25% der Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 bis 25 Jahren sind sich sicher, dass sie an den nächsten eidgenössischen Wahlen 2019 teilnehmen werden, so der “easyvote-Politikmonitor 2016Externer Link“, den das Institut gfs.bernExterner Link im Auftrag des DSJExterner Link durchgeführt hat –ein Wert, der sogar noch unter dem tiefen Wert der eidgenössischen Wahlen 2015 liegt. In der Altersgruppe der unter 25-Jährigen hatte dieser laut Studie Selects-FORS 2016Externer Link damals noch 30 Prozent betragen.

Angesichts dieses Abwärtstrends zeigt sich der DSJ besorgt, aber nicht entmutigt. “Sicher gibt es viel Unzufriedenheit und grosses Misstrauen gegenüber der Politik. Viele Junge haben den Eindruck, dass ihre Stimme nicht zählt”, bedauert der Programmleiter von easyvoteExterner Link, Flavio Bundi.

“Dabei zeigen die Jungen durchaus Interesse für politische Themen”, betont er. Lediglich neun Prozent der von gfs.bern Befragten gaben an, sich überhaupt nicht für Schweizer Politik zu interessieren. Ein weiteres Zeichen für das doch noch vorhandene Interesse: Die klare Mehrheit der Befragten – nämlich 70 Prozent – hält politische Bildung für sehr wichtig.

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Selektive und zweckorientierte Beteiligung

Im Allgemeinen interessiert sich die Jugend etwas mehr für Abstimmungen als für Wahlen. So gaben 37 Prozent der Befragten an, sicher an der nächsten Volksabstimmung teilnehmen zu wollen.

Die Jungbevölkerung ist eher geneigt, sich für konkrete Ziele einzusetzen: Junge stimmen eher ab, wenn es um Themen geht, von denen sie sich als Einzelperson oder als gesamte Generation betroffen fühlen.

Dass die Jugendlichen sich durchaus für Politik interessieren und mobilisieren lassen, zeige auch ihre Teilnahme am kürzlich abgeschlossenen DSJ-Projekt “Verändere die Schweiz!Externer Link“, bemerkt Flavio Bundi. Innert fünf Wochen haben sie auf der Plattform engage.chExterner Link mehr als 700 Ideen für die eidgenössische Politik präsentiert, die “konkret, realisierbar und innovativ” sein sollten.

Einfache, neutrale und hochwertige Information

Das Team von easyvote ist sich einig, dass sich dieses Interessenspotenzial in eine Beteiligung an den politischen Entscheidungen des Landes umwandeln lässt. Das wird nicht einfach sein, aber die Umfrageergebnisse von gfs.bern belegen, dass das DSJ-Projekt ein Schritt in die richtige Richtung ist.

Das Hauptmotiv für die Stimmabstinenz der jungen Bürgerinnen und Bürger bleibt die unverständliche Sprache der Politiker. Dieses Hindernis mithilfe einfacher und deutlicher Formulierungen zu überwinden, ist Ziel des Programms “von der Jugend für die Jugend”, in dessen Rahmen bei jeder eidgenössischen Abstimmung erklärende Broschüren und Videoclips bereitgestellt werden.

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Besonders die im Internet abrufbaren Videoclips finden bei Jugendlichen Anklang. Ganz allgemein schauen sie sich lieber das von easyvote produzierte Informationsmaterial an, anstatt von Parteien und Organisationen bereitgestellte Broschüren zu lesen oder politische Kundgebungen zu besuchen.

Dies ist wahrscheinlich das für die Gemeinden überzeugendste Argument, um die in den drei Amtssprachen Deutsch, Französisch und Italienisch verfügbaren Broschüren von easyvote zu den Abstimmungsthemen zu erwerben und an die jungen Schweizerinnen und Schweizer zu verschicken. Derzeit gehen sie an 100’000 stimmberechtigte Jugendliche in 360 der insgesamt 2255 Schweizer Gemeinden, so Flavio Bundi.

Der Programmleiter vertraut auf den interkommunalen Werbeeffekt: Sobald eine Gemeinde die Broschüren verteilt, zeigen auch die Nachbargemeinden Interesse, wenn sie sich von deren Hochwertigkeit, Neutralität und Nützlichkeit überzeugt haben.

Eltern und Schulen einbeziehen

Clips und Broschüren seien ein wesentlicher Bestandteil der easyvote-Strategie, reichten aber alleine nicht aus, präzisiert Bundi. Bei der Umfrage von gfs.bern gaben die Jungen ihre Eltern und die Schule als ihre beiden wichtigsten Informationsquellen an.

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Die Strategie “von der Jugend für die Jugend” zielt daher auch auf den Einbezug von Schulen und Eltern ab. Letztere zu erreichen, sei schwierig. “Wahrscheinlich werden wir versuchen, vor den Abstimmungen im September eine Kampagne durchzuführen, um die Eltern für die Bedeutung ihrer Rolle und ihrer Vorbildfunktion zu sensibilisieren”, kündigt Flavio Bundi an.

Für die Schulen hingegen wird derzeit ein neues Angebot entwickelt: easyvote schoolExterner Link. Dieses ist auf die Sekundarstufe II (Gymnasien und Berufsschulen) zugeschnitten und umfasst drei Module. Das erste Modul widmet sich der Information: Das gesamte Material steht auf der Website bereit und kann für den Unterricht heruntergeladen werden. “Wir erstellen Dossiers zu aktuellen Themen, die jedes Jahr aktualisiert werden, je nachdem, für welche fünf Themen sich die Jungen am meisten interessieren”, erläutert Flavio Bundi das Programm.

Das zweite Modul widmet sich dem Polittalk: Auf der Website gibt es eine Plattform, über die junge Politikerinnen und Politiker eingeladen werden, in der Schule über bestimmte Themen zu debattieren. Ebenfalls online können die Schülerinnen und Schüler zum Beispiel darüber abstimmen, wer sie am ehesten überzeugt hat oder was sie über konkrete Themen denken (eidgenössische Abstimmungen). Dies kann sogar noch während der Debatte live geschehen.

Das dritte Modul “befindet sich noch in der Entwicklungsphase und wird sich der Vertiefung widmen. Es könnte sich zum Beispiel um ein Rollenspiel handeln”.

Eines ist sicher: easyvote kämpft mit allen Mitteln. Bleibt nur noch abzuwarten, ob sich die Politikverdrossenheit der Jugendlichen damit besiegen lässt.

easyvote-Politikmonitor 2016

Die Umfrage des Instituts gfs.bern mit einer repräsentativen Auswahl von 1477 Jungen in der Schweiz zwischen 15 und 25 Jahren wurde im Auftrag des Dachverbands Schweizer Jugendparlamente (DSJ) im Rahmen des Projekts easyvote durchgeführt. Ziel von easyvote ist es, die Beteiligung der Jungen an Abstimmungen und Wahlen in der Schweiz zu erhöhen. Mit dem Politikmonitor, der von nun an jährlich durchgeführt wird, soll die Wirkung von easyvote gemessen werden und letzteres stetig an die Bedürfnisse der Jugendlichen angepasst werden, um seine Effektivität zu steigern.

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