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Schweiz-Südafrika: So profitierte die Schweizer Wirtschaft von der Apartheid

Demonstration gegen die Aktionärsversammlung
Die Anti-Apartheidbewegung protestiert an der Generalversammlung der Schweizerischen Bankgesellschaft 1989. Keystone

Vor 30 Jahren fanden die ersten freien Wahlen in Südafrika statt. Die Schweiz hat davor lange mit dem Apartheidsregime kooperiert.

Sogar beim Bau von Atombomben hat die Schweiz geholfen. Heute ist Südafrika keine Atommacht mehr, aber die rassistische Apartheid-Regierung, die das Land bis zum Ende des Kalten Krieges regierte, hat insgesamt sechs Atombomben hergestellt. Mit Unterstützung von Schweizer Unternehmen, wie sich in der Aufarbeitung zeigte. Ostschweizer Industrieunternehmen haben Komponenten zur Urananreicherung geliefert – und Material, das die Reichweite erhöhte.

Peter Hug an einer Medienkonferenz
Der Historiker Peter Hug präsentiert 2005 seine Studie “Mit der Apartheid-Regierung gegen den Kommunismus”. Keystone

“Die Schweizer Industrie gehörte auch zu den Stützen des geheimen südafrikanischen Atomwaffenprogramms”, befand der Historiker Peter Hug in seiner StudieExterner Link innerhalb des Forschungsprogramms “Beziehungen Schweiz-Südafrika” (NFP 42+).

Das nationale Forschungsprogramm, dessen Ergebnisse im Herbst 2005 präsentiert wurden, kam insgesamt zum Schluss, für die Schweiz war Handel wichtiger als Menschenrechte.

Die Apartheid begann vor 1948

Bereits vor dem eigentlichen Apartheidregime war der britische Commonwealth-Staat von Rassendiskriminierung geprägt, so waren etwa sexuelle Handlungen und Ehen von Nichtweissen und Weissen verboten.

1948 gewann die “Nasionale Partei”, die Partei der Buren mit niederländischen Wurzeln, die Wahlen. Die neue Regierung installierte die sogenannte Apartheid (Afrikaans: Geteiltheit). Die nichtweisse Mehrheit der Bevölkerung sollte in sogenannten Homelands leben und dem Land als billige Arbeitskräfte ohne politische Rechte zur Verfügung stehen. 1973 verurteilte die UNO die Apartheid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Die UNO wird nach dem Massaker von Sharpeville aktiv

1960 schossen südafrikanische Polizisten mit Maschinengewehren auf mehrere tausend schwarze Demonstrant:innen. Beim Massaker von Sharpeville starben 69 Menschen. In Folge verschärfte die UNO ihre Position gegenüber Südafrika und der UNO-Sicherheitsrat beschloss ein Waffenembargo.

Das Massaker von Sharpeville
Die Polizei des Apartheid-Staates nach dem Massaker von Sharpeville. Die Toten und Verletzten liegen noch am Boden. Keystone

Auch die Schweiz hat Ende 1963 den Waffenexport nach Südafrika offiziell untersagt. Dieses Verbot wurde jedoch nicht durchgesetzt.

Stattdessen knüpfte das Schweizer Militär in den 1960er-Jahren Kontakt zur südafrikanischen Heeresführung. Auch eine Militärmission aus Südafrika wurde in die Schweiz eingeladen, die sich besonders interessiert an der psychologischen Kriegsführung gegen innere Feinde zeigte.

Gleichwohl hat die Schweiz das Apartheid-System seit der UNO-Menschenrechtskonferenz von 1968 mehrfach verurteilt und Massnahmen ergriffen, wie die Plafonierung von Investitionen 1974. Die von der Schweiz verabschiedeten gesetzlichen Massnahmen liessen der Wirtschaft aber einen breiten Spielraum.

Schweizer Anteil der Investititionen über 10%

So machte die Schweizer Wirtschaft bis Ende der 1980er-Jahre Geschäfte mit Südafrika, während die UNO zunehmend versucht hat, das Apartheid-Land zu isolieren. Von 1979 bis 1990 überstieg der Schweizer Anteil ausländischer Investitionen in Südafrika jedes Jahr 10%.

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Entsprechend gewann die Schweiz für die Führer der Apartheidregierung an Bedeutung – diese intensivierten ihre Kontakte.

Südafrika war der Produktionsstandort grosser Schweizer Unternehmen. Die Unternehmen der Familie Schmidheiny kontrollierten in den 1980er-Jahren einen Drittel des südafrikanischen Zementmarktes und dominierten den Eternitmarkt dort.

Auch Schweizer Traditionsfirmen wie Nestlé, Roche, Sulzer oder Brown Boveri haben in Südafrika produziert.

1988 arbeiteten 17’000 Südafrikaner:innen für Schweizer Unternehmen.

Empfang des suedafrikanischen Praesidenten Pieter Willem Botha (2. v. r.) und des Aussenministers Pik Botha (3. v. r.) durch Bundespraesident Leon Schlumpf (2. v. l.), in Bern am 1. Juni 1984.
Der Schweizer Bundespräsident Leon Schlumpf (links) empfing den südafrikanischen Präsidenten Pieter Willem Botha (2. von rechts) und seinen Aussenminister beim Staatsbesuch 1984 in Bern. Keystone

Der lukrative Goldhandel der Schweizer Banken

Doch die Schweizer Südafrika-Geschäfte machten kaum mehr als 1% des Aussenhandels aus – der Goldhandel kommt in diesen Statistiken allerdings nicht vor.

Sandra Bott, die im Rahmen des NFP42+ die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika untersuchte, war damals vom Ausmass des Handels mit Gold aus Südafrika überrascht.

Den Schweizer Banken gelang es 1968 Grossbritannien als Drehscheibe für den internationalen Goldhandel abzulösen. Auch für Gold aus Südafrika: Die Schweizer Grossbanken importierten in einem gemeinsamen Pool mehr als die Hälfte des in Südafrika geschürften Goldes. Bereits seit den 1950er-Jahren mischten Schweizer Unternehmen im für Südafrika zentralen Diamanthandel mit.

Das Geschäftsvolumen der Schweizer Banken umfasste zum Höhepunkt 1984 vier Milliarden Franken.

Nelson Mandela und ein Wahlzettel.
Nelson Mandela gibt 1994 in den ersten freien Wahlen in Südafrika seine Stimme ab. Keystone

Schweizer Botschafter für Fälschungen

Wie Sandra Bott herausfand, waren Schweizer Behörden 1968 auch daran beteiligt, Kapitalbewegungen ins Apartheid-Südafrika zu verschleiern. “Der Schweizer Botschafter in Pretoria hat im Auftrag des Aussendepartements die Zentralbank angehalten, ihre Statistiken zu fälschen”, erklärte Sandra Bott 2010, “Und zwar so, dass die einzelnen Länder nicht mehr namentlich auftauchen.”

Die Schweiz figurierte dank dieses Tricks in der Statistik der südafrikanischen Zentralbank unter “Restliches Europa”.

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Gesperrte Archive wegen dem Bundesrat

Die Schweizer Regierung sorgte im Rahmen des Forschungsprojekts zu Südafrika dann vor allen für einen ganz eigenen Skandal: Der Bundesrat liess die Dossiers sperren, in denen Schweizer Unternehmen namentlich im Zusammenhang mit Südafrika-Geschäften genannt waren.

Die Einschränkung eines Forschungsprojekts, das immerhin von einem Auftrag des Schweizer Parlaments gestützt war, sorgte für massiven Unmut.

Die Begründung der Regierung in Bern: Den Schweizer Firmen mit Südafrika-Geschäften hätten in den USA Sammelklagen gedroht.

Ein neues Forschungsprojekt Schweiz-Südafrika?

Léonore Porchet am Rednerpult
Nationalrätin Léonore Porchet von den Grünen hat zuletzt eine Motion lanciert, die Geschichte der Beziehungen mit Apartheid-Südafrika aufzuarbeiten. Nachdem sie der Bundesrat zur Ablehnung empfohl, hat Porchet die Motion allerdings zurückgezogen. Keystone/Anthony Anex

Die grüne Politikerin Léonore Porchet startete 2022 einen Vorstoss für eine neue NFP42+-Studie der Schweiz zur Apartheid.

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme darauf verwiesen, dass die Archive der Forschung heute wieder offenstehen: “Mit Bundesratsbeschluss vom 20. Juni 2014 wurde die Zugangsbeschränkung zu den Akten aufgehoben.” Spezielle Mittel für diese Forschung hält der Bundesrat in seiner Stellungnahme aber für unnötig.

Die Archivsperre endete 2014, nachdem die letzten Sammelklagen zu Südafrika 2013 von einem US-Gericht abgelehnt worden waren. Die Motion von Porchet empfahl der Bundesrat zur Ablehnung. Die Motion wurde dann zurückgezogen, bevor das Parlament entscheiden konnte.

Bräuchte ausreichend Mittel und politischen Willen

Der Historiker Georg Kreis, der das NFP42+-Forschungsprojekt präsidiert hatte, hält ein neues Projekt zur Untersuchung der Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika nur für sinnvoll, wenn es politisch gewollt und mit finanziellen Mitteln ausgestattet ist.

Der Archivzugang biete den Rahmen, “das Verhinderte nachzuholen”. Aber damit dies wirklich geschehe, würde es einen politischen Auftrag benötigen, der explizit genau das tun soll.

Bei gesetzlicher Verankerung der Rassentrennung in Südafrika 1950 eröffneten die Schweizer Firmen Ciba-Geigy (heute Novartis), Roche, BBC (heute ABB), die UBS-Filialen am Kap.

1956 wurde in Zürich die Vereinigung Schweiz-Südafrika gegründet, die als Handelskammer fungierte.

1960 tötete die Polizei in Sharpeville 69 schwarze Demonstrierende. Nach einem Generalstreik wurde der African National Congress (ANC) verboten.

1963 verhängte die UNO ein Waffenlieferungsverbot an Südafrika. Die Schweiz umging dies.

1964 wurde ANC-Führer Nelson Mandela und weitere Aktivisten zu lebenslanger Haft verurteilt.

1968 gründeten Schweizer Banken einen Pool zum Kauf von südafrikanischem Gold.

Bis Ende der 1980er-Jahre kauften Schweizer Banken südafrikanisches Gold für mindestens 300 Milliarden Franken.

1974 beschränkt der Bundesrat die jährlichen Investitionen in Südafrika auf 250 Millionen Franken (300 Millionen Franken ab 1980). Die Obergrenze wurde regelmässig umgangen.

1976 kamen nach dem Aufstand in Soweto im ganzen Land rund 600 Menschen ums Leben.

1986 unterstützte die Schweiz südafrikanische NGOs, die sich für das Ende der Apartheid und für Demokratie einsetzten.

1990 hob Pretoria das Verbot des ANC auf. Am 11. Februar kam Nelson Mandela frei. Am 8. Juni traf er bei seinem Besuch in der Schweiz den damaligen Schweizer Aussenminister René Felber.

Im April 1994 gewinnt der ANC die Wahlen überlegen, Mandela wird erster schwarzer Präsident Südafrikas.

Editiert von David Eugster

Dieser Artikel von 2010 wurde 2024 mit neuen Recherchen und Informationen ergänzt und stilistisch umgearbeitet.

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