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Die SRG als Werkzeug der Demokratie

Das öffentliche Radio und Fernsehen in der Schweiz soll nach den Plänen rechtskonservativer Kreise privatisiert werden. Klar ist: Es geht in dieser Debatte um Einfluss, um die Kontrolle des Programms, um Macht – und um viel Geld. Die SRG steht unter Druck, aber nicht in der Defensive. 

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Larissa M. Bieler ist Chefredaktorin von swissinfo.ch Nikkol Rot

Die Digitalisierung stellt die Medienwelt auf den Kopf, neue Technologien erlauben und erfordern neue Medienformate, sie verändern das Nutzungsverhalten und den internationalen Wettbewerb. Auch die Schweiz braucht einen medialen Service Public, der sie im 21. Jahrhundert abbildet. Wie alle audiovisuellen Medien befinden sich auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft im Umbruch.

Dabei ist die SRG als öffentlich-rechtliches Medienhaus, das sich über Gebühren finanziert, derzeit besonders gefordert: “Viele Kräfte möchten auf das Unternehmen einwirken”, sagt Adrian Zaugg, Leiter des Strategie-Stabes in der Generaldirektion des Medienunternehmens.

Die SRG muss sich derzeit aber nicht nur intensiv mit Zukunftsszenarien und den Herausforderungen des digitalen Zeitalters, sondern auch mir ihrer Daseinsberechtigung beschäftigen. Ein moderner Service Public muss erst noch definiert werden. So steht der Schweiz und der 1931 gegründeten SRG diesen Sommer eine von breiten Kreisen aus Politik, Medienwissenschaft und privaten Verlegern geforderte Service-Public-Debatte bevor. Die zentralen Fragen: Was soll künftig die Aufgabe der SRG sein und wieviel SRG braucht die Schweiz?

Allen voran will die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei das öffentliche Radio und Fernsehen zurechtstutzen. Eine SRG in diesem Ausmass, die so viel Geld koste, das sei im 21. Jahrhundert nicht mehr zu rechtfertigen, gab SVP-Nationalrätin Natalie Rickli jüngst in der deutschen Zeitung “Die Zeit”Externer Link zu Protokoll. Rickli arbeitet für die Werbevermarkterin Goldbach MediaExterner Link, “ein Unternehmen mit starker Anti-SRG-Schlagseite”, und sie ist Präsidentin der “Aktion Medienfreiheit”. Diese fordert, dass die SRG nur noch machen darf, was Private nicht auch anbieten können. Rickli möchte mehr Medienwettbewerb und betont im “Zeit”-Artikel: “Medienpolitisch wird 2016 das wichtigste Jahr seit langem.”

Unabhängigkeit als wichtigstes Gut

Wohin also bewegt sich die SRG in den kommenden zehn Jahren? Im Auftrag der SRG hat der Think Tank Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) eine Studie zur Bedeutung und Rolle des öffentlichen Radios und Fernsehen in der digitalen Welt verfasst. Die StudieExterner Link zeigt: Gerade der Umbruch der Medien eröffnet der SRG die Möglichkeit, sich erst recht als Werkzeug der Demokratie zu positionieren.

Service Public ist für das Funktionieren der Demokratie Schweiz unabdingbar, gerade im digitalen Zeitalter. Dies die Position der SRG in der Debatte über den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Medienunternehmens. Keystone

Generaldirektor Roger de Weck wählte an der Präsentation der GDI-Studie mit dem Titel “Öffentlichkeit 4.0 – Die Zukunft der SRG im digitalen Ökosystem” klare Worte: Politisch wie finanziell müsse die SRG auch weiterhin unabhängig bleiben und einem breiten Publikum zur Verfügung stehen. “Die Eliten sind heute meistens besser bedient”, sagte er. In einer immer stärker fragmentierten und monopolisierten Gesellschaft müsse die SRG eine Integrationsfunktion wahrnehmen. Diese Aufgabe der Gemeinschaftsbildung solle bleiben, “aber sie muss stärker dialogisch geführt werden.” Will heissen: Die Nutzer sollen künftig stärker ins Angebot integriert werden. Grundlage für diese Aussage bildet unter anderem die Erkenntnis der Studie über die Bedeutung und Funktion der SRG als “Kitt der künftigen Gesellschaft”.Externer Link Die SRG könne dazu beitragen, die direkte Demokratie unter digitalen Voraussetzungen neu zu definieren.

De Weck: “Lust an der Veränderung”

Die GDI-Studie, die von der SRG in Auftrag gegeben wurde, schliesst mit dem Fazit: “Digitale Demokratie ist weit direkter als analoge Demokratie: Das passt zur Schweiz. Digitale Demokratie ist weit kommunikativer als analoge Demokratie: Das passt zur SRG. Und digitale Demokratie ist weit vernetzter als analoge Demokratie: Das passt zu einer SRG, die sich weniger als Sender, sondern mehr als Plattform versteht.”

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Link zur Studie: www.gdi.chExterner Link

Der Service Public von morgen habe die Aufgabe, über Bevölkerungsgräben hinweg Zusammenhalt und Meinungsvielfalt in der Schweiz zu fördern – als finanziell und politisch unabhängige, demokratisch legitimierte Kraft, heisst es in der MedienmitteilungExterner Link. Der digitale Umbruch sei denn auch eine Chance für einen audiovisuellen Anbieter, der auf Qualität für das breite Publikum setze: “In allen Landesprachen, für alle Generationen. Innovation, Kooperation und Lust an der Veränderung sind Trumpf”, schloss Roger De Weck.  

Es wird diesen Sommer, nach Veröffentlichung des Service-Public-Berichtes der Schweizer Regierung, eine hitzige und spannende Debatte geben. Zu hoffen ist, dass die Debatte sich weitgehend ordnet, und weniger mit Angst und Emotion denn mit Argumenten geführt wird. Für die SRG ist dies eine Chance, für die Schweiz steht viel auf dem Spiel. Nicht Einfluss, Macht oder Geld, sondern viel fundamentaler: ein Zusammenhalt, Werte und eine für die Demokratie unabdingbare und in der Welt beispiellose Meinungsbildung. 

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