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Ein Hodler jenseits des Nationalmalers

"Die Wahrheit" und weitere symbolistische Figurenbilder in der Ausstellung des Kunstmuseums Bern. Keystone

Ferdinand Hodler ist nicht nur der "Holzfäller" und "Wilhelm Tell", sondern ein Schweizer Künstler mit grosser internationaler Ausstrahlung: Dies will das Kunstmuseum Bern mit seiner Ausstellung zeigen.

“Eine symbolistische Vision”: So lautet der Titel der grossen Hodler-Ausstellung, die Museumsdirektor Matthias Frehner in Zusammenarbeit mit der Kuratorin Katharina Schmidt eingerichtet hat.

Gemeint ist damit Hodlers Vision einer harmonischen Einheit von Mensch und Natur. “Wir wollen das bestehende Hodler-Bild erweitern”, erklärt Frehner.

Denn der Schweizer Maler, der von 1853 bis 1918 lebte, wird nach wie vor stark als Nationalmaler und Schöpfer des “Holzfällers”, der “Schlacht bei Marignano” und des “Wilhelm Tell” angesehen. So ist es kein Zufall, dass sich alt Bundesrat Christoph Blocher in seinem Büro gerne vor dem “Holzfäller” fotografieren liess.

Mit seiner grossen Hodler-Sammlung ist Blocher der wichtigste private Leihgeber der Ausstellung und Mitglied des Patronatskomitees. Als solches hat er darauf bestanden, auf der Einladungskarte zur Eröffnung nicht als “alt Bundesrat”, sondern gemäss Sprachregelung seiner Schweizerischen Volkspartei (SVP) als “abgewählter Bundesrat” bezeichnet zu werden.

Aus Protest und aus Sorge, dass “Hodler von der SVP politisiert und instrumentalisiert” werde, hat der Berner Stadtpräsident seine Teilnahme an der Eröffnungsfeier kurzfristig abgesagt.

Impulse für Avantgarde seiner Zeit

Sicher ist: Ferdinand Hodler hat solche politische Holzfällerei nicht verdient. Durch 150 Werke aus allen Schaffensphasen lässt sich die Entwicklung des Malers von den Anfängen im Realismus zu den symbolistischen Figurenbildern nachvollziehen.

Zeitlebens beschäftigte er sich mit den menschlichen Grundthemen Liebe, Tod, Glaube und Hoffnung. Der Mensch ist in seinen Bildern stets Teil eines grösseren Ganzen, verbunden mit der Natur und dem Kosmos.

“Hodler hatte seine Wurzeln zwar in der Kunst des 19. Jahrhunderts, gab aber wesentliche Impulse für die Avantgarde seiner Zeit und überhaupt die Kunst des 20. Jahrhunderts”, sagt Kuratorin Katharina Schmidt.

Erfolgreicher als Gustav Klimt

Den internationalen Durchbruch schaffte Hodler an der Ausstellung der Wiener Secession 1904. Damals war er berühmter und erfolgreicher als der österreichische Maler Gustav Klimt. Doch später wurde es wieder still um ihn.

1914 hatte der Schweizer Maler einen Protest gegen die Bombardierung der Kathedrale von Reims durch die deutsche Armee unterschrieben, worauf er von Museen und Sammlern aus Deutschland gemieden wurde.

Eines der wichtigsten Werke Hodlers ist “Die Nacht”, ein düsteres Gemälde von schlafenden Figuren, in deren Mitte ein Mann mit Hodlers Gesichtszügen, schreckverzerrt, vor einer schwarz verhüllten Figur zurückweicht. Der Maler, der früh vom Tod seiner Eltern traumatisiert wurde, hat hier die Allgegenwart des Todes im Leben dargestellt.

Das Bild wurde 1891 in Genf zum Skandal und aus der geplanten Ausstellung ausgeschlossen. Doch kurze Zeit später wurde es in Paris gezeigt, wo es als bedeutendes Werk des Symbolismus gewürdigt wurde. Jetzt ist es in Bern zu sehen.

Tod und lichte Landschaften

Der Tod prägt auch die letzte Schaffensphase des Künstlers. Ihr ist in der Berner Ausstellung ein ganzer Raum gewidmet. Von 1913 bis 1915 begleitete er die Krankheit und das langsame Sterben seiner Geliebten Valentine Godé-Darel.

“Ich male den menschlichen Körper, wenn er bewegt ist von seinen Gefühlen, jede Empfindung hat ihren Gestus”, sagte Hodler.

Friedlich, weiträumig und licht wirken dagegen die späten Landschaftsbilder aus der Umgebung des Genfersees. Die Farbe hatte den Künstler schon in seinen Anfängen fasziniert. Hier setzte er sie meisterhaft ein für seine Visionen einer alles durchdringenden kosmischen Einheit.

swissinfo, Susanne Schanda

Die Ausstellung im Berner Kunstmuseum dauert vom 9. April bis zum 10. August 2008.
Mit einem Budget von rund 2 Mio. Franken gehört sie zu den teuersten in der Geschichte des Museums.
Ein Viertel der Kosten wird vom Schweizerischen Lotteriefonds gedeckt. Weitere Sponsoren sind die Bank Credit Suisse, die Mobiliar Versicherung, die Burgergemeinde Bern und die Ernst Göhner Stiftung Zug.

Ein internationales Symposium und weitere Veranstaltungen begleiten die Hodler-Ausstellung.

Das Symposium behandelt am 17. und 18. April sechs Themenblöcke von den “Hodler-Forschungen” über “Biografie und Karriere” bis zur “Kunsthistorischen Position” des Künstlers.

Organisiert wird es vom Kunstmuseum Bern, vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft (SIK) und vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Bern.

Zum Rahmenprogramm der Ausstellung gehören auch literarische Führungen, Workshops für Kinder, der Vortrag “Hodlers Nacht” von Elisabeth Bronfen sowie ein Filmprogramm.

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