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Ein Leben für den Tod

Elisabeth Kübler-Ross vor ihrem Haus in Arizona, wo sie die letzten Lebensjahre verbrachte. Keystone Archive

Die Schweizer Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross ist tot. Sie war die erste Wissenschafterin, die das Tabuthema Sterben systematisch erforschte.

Gemäss US-Medienberichten starb Kübler-Ross am Dienstagabend Ortszeit im Alter von 78 Jahren.

“Sterben? Ich kann es kaum erwarten. Das ist doch kein Leben mehr”, sagte Elisabeth Kübler-Ross 1996 in einem Interview, nachdem sie im Jahr zuvor einige Schlaganfälle erlitten hatte.

Diese Widrigkeiten hielten sie jedoch nicht davon ab, nach Dutzenden von Büchern über den Tod vor dem eigenen Ableben noch ein Werk über das Leben zu verfassen. Zusammen mit Co-Autor David Kessler entstand “Geborgen im Leben” (englisch “Live Session”).

Der Schweizer Stefan Haupt drehte 2002 das Porträt “Elisabeth Kübler-Ross – Dem Tod ins Gesicht sehen”. Es wurde einer der erfolgreichsten Dokumentarfilme und erhielt beim Schweizer Filmpreis 2004 auch eine Nomination als bester Dokumentarfilm.

Pestalozzi von der Goldküste

Das Thema Sterben wurde Elisabeth Kübler-Ross gleichsam in die Wiege gelegt: Sie wurde am 8. Juli 1926 in Meilen an der Zürcher Goldküste als untergewichtiger Drilling geboren – in den Frühzeiten der Neonatologie fast ein Todesurteil.

Elisabeth überlebte wie ihre Schwestern und zeigte schon als Kind ausgeprägte Hilfsbereitschaft, was ihr den Spitznamen “dr Pestalozzi” einbrachte. Ein Medizinstudium kam für die dem traditionellen Rollenverständnis verhafteten Eltern dennoch nicht in Frage.

So organisierte sich die 17-Jährige auf eigene Faust eine Laborantinnenstelle am Zürcher Kantonsspital und bereitete sich nebenher auf die eidgenössische Matura vor. Das Studium finanzierte sie sich mit Nachtwachen, daneben beteiligte sie sich an freiwilligen Hilfseinsätzen im kriegszerstörten Ausland.

Sterbende als “Lehrer”

1957 promovierte sie, im Jahr darauf heiratete sie ihren amerikanischen Studienkollegen Emanuel Robert Ross. Aus der später geschiedenen Ehe gingen die Kinder Kenneth und Barbara hervor.

In den USA arbeitete Kübler-Ross zunächst an New Yorker Krankenhäusern, wo sie sich auf das Fachgebiet Psychiatrie spezialisierte. Ab 1962 wirkte sie als Dozentin in Denver, ab 1965 als Professorin in Chicago, um schliesslich bis 1970 das “Family Service and Mental Health Center” in Chicago Heights zu leiten.

Mitte der 60er-Jahre hielt sie erste Vorträge über Sterberiten verschiedener Völker, darauf folgten systematische Forschungen über Sterben und Tod, was damals über Fachkreise hinaus als Sensation galt.

Charakteristisch für Kübler-Ross’ Methode waren die Gespräche mit Schwerkranken und Sterbenden, die sie stets als “Lehrer” bezeichnete.

23 Ehrendoktorhüte

Ihre Leistung erschöpfte sich nicht im besseren Verständnis des phasenweisen Abschieds vom Leben, sondern sie gab auch wertvolle Ratschläge für die Betreuung Sterbender und war massgeblich beteiligt an der Gründung von Sterbehospizen.

1977 gründete die Thanatologin die erste Arbeits- und Begegnungsstätte “Shanti Nilaya” (Sanskrit “Haus des Friedens”) in Kalifornien, weitere in der ganzen Welt folgten. Ihre Arbeit brachte Kübler-Ross unter anderem 23 Ehrendoktorhüte und die Ehrenbürgerschaft ihres Geburtsorts Meilen ein.

Im Alter etwas wunderlich geworden

Die besondere Berücksichtigung von Nahtoderlebnissen lenkte Kübler-Ross’ Aufmerksamkeit immer mehr in spirituelle, später auch esoterische Richtung, was ihr Kritik, mithin sogar Hohn der Fachwelt einbrachte.

Ihre Leistung um die Enttabuisierung des Sterbens bleibt dennoch unbestritten. Die Hospizbewegung hat namentlich in den Zeiten von Aids an Stellenwert gewonnen.

Doch selbst in diesem Bereich blieb sie von Anfeindungen nicht verschont: 1994 wurde, wie sie sagt, ihre Farm in Virginia angezündet, weil sie vorhatte, 28 aidskranke Kinder dort zu pflegen.

Danach zog Kübler-Ross in ein abgelegenes Haus bei Scottsdale in der Wüste Arizonas, wo sie nach mehreren Schlaganfällen zurückgezogen lebte.

swissinfo und Agenturen

Geboren am 8. Juli 1926 in Zürich.
Gestorben am 24. August 2004 in Arizona.
Als Medizinerin befasste sie sich mit dem Tod und dem Umgang mit Sterbenden.
Sie wurde mit 23 Ehrendoktor-Titlen geehrt.
Die Interviews von Elisabeth Kübler-Ross stellen den Grundstein der heutigen Erkenntnisse über die Situation Sterbender dar.

Die fünf Phasen des Sterbens nach Elisabeth Kübler-Ross:

1. Nicht-Wahrhaben-Wollen und Isolierung
2. Zorn
3. Verhandeln
4. Depression
5. Zustimmung

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