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Bio-Sektor soll sein Potenzial besser ausschöpfen

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Der neue Geschäftsführer von Bio Suisse, der Vereinigung der Schweizer Biolandbau-Organisationen, will die sinkenden Verkaufszahlen im Bio-Sektor mit einem neuen Ansatz angehen.

Die Bio-Produzenten müssten sich an die veränderten Umstände anpassen und vermehrt auf Qualität statt Quantität sowie auf besseres Marketing setzen, sagt Markus Arbenz im Gespräch mit swissinfo.

Im letzten Jahr ist die Anzahl Bio-Betriebe in der Schweiz zum ersten Mal gesunken, der Umsatz ging leicht zurück. Doch die Schweizer bleiben im Konsum von Bio-Produkten Weltspitze.

Der Agro-Ingenieur und ehemalige Biobauer Markus Arbenz, seit dem 1. Juni an der Spitze von Bio Suisse, hat zuvor Entwicklungs-Projekte in Kirgisien und Afghanistan geleitet.

swissinfo: Sie sind nach einigen Jahren in Kirgisien und Afghanistan eben erst in die Schweiz zurückgekehrt. Was haben Sie dort gelernt, das Sie in Ihrem neuen Job einsetzen können?

Markus Arbenz: Zuallererst, wie man mit Menschen umgeht. Wir mussten Institutionen aufbauen, lernen, wie miteinander umzugehen und Regeln aufstellen. Hier ist es dasselbe, wobei natürlich die Institution schon besteht.

Eine andere Parallele ist die Suche nach Lösungen, angepasst an die jeweiligen Bedingungen im Land, damit die Leute existieren können.

Was wir von ihnen lernen können, ist hauptsächlich der Umgang mit Schwierigkeiten. Sie sind Spezialisten, wenn es darum geht, trotz grosser Not zu überleben. Das ist etwas, von dem wir hierzulande nichts mehr verstehen.

swissinfo: Sie sind nun seit über einem Monat Leiter von Bio Suisse. Welche Herausforderungen warten auf Sie?

M.A.: Die Bio-Bewegung in Europa ist sehr stark und hat sich schnell entwickelt. Die Schweiz war dabei immer an der Spitze. Nun ist die Periode des schnellen Wachstums zu Ende.

Für die Bauern ist das eine neue Situation, und wir müssen wieder vermehrt auf Qualität statt Quantität setzen. Auch im Bereich des Marketing von Bio-Produkten müssen wir aktiver werden.

Wir wollen eine breite Produkte-Palette, Konsumentinnen und Konsumenten sollen überall die Möglichkeit zum Kauf von Bio-Produkten haben.

Natürlich sind diese teurer, weil sie mehr Pflege brauchen. Doch dafür erhalten die Kunden einen Mehrwert. Interessanterweise sind unsere Hauptkunden Familien mit Kindern, die Bevölkerungsgruppe, die es sich am wenigsten leisten kann, jedoch die Wichtigkeit dieser Produkte für eine ausgewogene Ernährung erkannt hat.

swissinfo: Letztes Jahr waren die Absatzzahlen von Bio-Produkten erstmals rückläufig. Sind Ihre Mitglieder besorgt?

M.A.: Absolut. Speziell die Bauern in Randregionen sind sehr beunruhigt. Und im Milch- und Fleischsektor wissen viele nicht, ob sie noch eine Zukunft haben.

Gleichzeitig findet durch die Welthandels-Organisation (WTO) und unsere Beziehung zur Europäischen Union (EU) eine Bewegung zu mehr Marktöffnung statt. Die Schweiz ist immer noch eine Hochpreis-Insel und die Bauern haben Angst vor dem Wettbewerb.

Unsere Mitglieder erwarten von uns, dass wir ihre Produkte verkaufen, neue Märkte und Möglichkeiten ausfindig machen, inklusive dem Export-Potenzial.

swissinfo: Welchen Ausweg sehen Sie für den Bio-Sektor in der Schweiz? Mehr Unterstützung durch den Bund?

M.A.: In der Schweizer Bundesverfassung hat der Naturschutz eine hohe Priorität. Doch derzeit werden die dort festgeschriebenen Grundsätze in der Gesetzgebung nicht sorgfältig genug umgesetzt. Dazu kommt ein grosser Druck von Lobby-Gruppen, die gegen die hohen Kosten für den Naturschutz ins Feld ziehen.

Andererseits bin ich nicht der Meinung, es sei Aufgabe der Regierung, unsere Probleme zu lösen. Was wir wollen, ist das Potenzial, um entwickeln und exportieren zu können oder unsere Innovationen auf den Markt zu bringen, ohne mit der Bürokratie oder Zollfragen kämpfen zu müssen.

Wenn wir die Entwicklung der Produktionskosten in den letzten 20 Jahren betrachten, stelle ich fest, dass diese in der Schweiz viel schneller als in irgendeinem anderen Land gesunken sind. Die Gründe sind Strukturreformen, Kostenreduktionen bei den Ausgangsprodukten – beispielsweise Samen – und effizienteres Marketing.

swissinfo: Sind sie zuversichtlich, dass der Rückgang der Verkäufe gestoppt werden kann?

M.A.: Wir sind an einer kritischen Gabelung angelangt. Aber die Trends in der Gesellschaft weisen auf die Bevorzugung von Bio-Produkten hin. Die Menschen wollen länger und gesünder leben und dies auf eine umweltverträgliche Art und Weise.

Die Herausforderung im Moment ist, so mit den Menschen zu kommunizieren, dass sie begreifen, dass Bio-Produkte Teil eines gesunden Lebensstils sind.

swissinfo: Bio Suisse wird dieses Jahr 25. Was tun Sie, um das erste Vierteljahrhundert zu markieren?

M.A.: Für uns ist das ein sehr grosses Ereignis, und wir wollen das gebührend feiern: Am 18. August laden wir unsere Bauern, Produzenten, Kunden und alle Interessierten ein zu einer grossen Party auf dem Bundesplatz in Bern.

Die Geschichte der biologisch produzierten Produkte in der Schweiz ist eine grosse Erfolgsgeschichte – vielleicht die grösste Erfolgsgeschichte der Schweizer Landwirtschaft in der letzten Dekade. Und ich hoffe, wir können das auch nach weiteren 25 Jahren sagen.

swissinfo-Interview: Morven McLean
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

2005 erzielte die Bio-Landwirtschaft der Schweiz einen Umsatz von 1,183 Mrd. Fr., 0,5% weniger als im Jahr zuvor.
Während die Verkäufe von Früchten, Gemüse und Eiern markant stiegen, waren sie bei Milch und Fleisch rückläufig.
Die Anzahl der nach Bio-Suisse-Richtlinien geführten Betriebe (ohne Einsatz von Dünger und Pestizide) sank leicht auf 6114.
Dies entspricht 11% aller Bauernhöfe in der Schweiz.

Bio Suisse wurde am 1. September 1981 in Basel gegründet.

Der Verband repräsentiert 33 Bio-Organisationen.

Das Label von Bio Suisse (Knospe) garantiert, dass ein Produkt biologisch hergestellt wurde.

Die Bio-Landwirtschaft wird in der Schweiz seit 1998 offiziell anerkannt, als die Bio-Verordnung in Kraft gesetzt wurde.

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