
Das Paradies muss man sich täglich erkämpfen

Als junger Mann verliebte er sich in die Toskana, kaufte mit 30 ein Bauerngut und schlug tiefe Wurzeln: Der Basler Winzer und Olivenbauer Andreas März.
März ist auch Chefredaktor der Zeitschrift «Merum». Hartnäckig kämpft er gegen den Etikettenschwindel und für Qualität im Olivenölmarkt.
Seine Motivation nährt sich an der ungerechten Situation: 70% allen Olivenöls auf dem Markt werden laut Andreas März als Extra Vergine, also als Spitzenöl, verkauft. Davon seien jedoch nur 5 bis 10% echtes Extra Vergine.
Die Leidtragenden sind jene Bauern, die ihre Oliven von Hand ernten und sie innert weniger Stunden nach der Ernte durch die Ölpresse laufen lassen. Eine aufwändige Arbeit, die kostet und sich logischerweise auf den Preis des Produkts auswirkt.
Schlecht für die echten Extra Vergine-Hersteller, die mit Absatzschwierigkeiten zu kämpfen haben, gibt es auf dem Markt doch haufenweise spottbilliges Öl mit derselben Bezeichung.
Für Klarheit und Qualität
«Mir geht es um Konsumentenschutz, aber auch um den Schutz der landwirtschaftlichen Produzenten. Die Anbieter müssen gezwungen werden, das auf die Etikette zu schreiben, was in der Flasche drin ist – mehr nicht.»
Es ist ein Kampf des David gegen Goliath, den März hier führt. Seine Feinde sind multinationale Unternehmer, mit einem Erfolg kann er nicht rechnen. Er verhält sich aber so, als ob sein Ziel – Klarheit im Olivenöl-Markt – erreichbar wäre. «Ich weiss, ich bin auf dem richtigen Weg.»
Als Bewirtschafter von 3600 Olivenbäumen auf dem Gut Balduccio bei Lamporecchio, unweit von Pisa und Florenz, produziert März gemeinsam mit seinem Partner und Freund Andrea Menichetti 3000 bis 4000 Liter Öl pro Jahr, rund einen Liter pro Baum.
März schmerzt’s, denn schon heute gibt es in seinem Dorf auf dem Montalbano-Hügel praktisch keine vollberufliche Landwirtschaft mehr, fast nur noch Freizeitbauern und Rentner, die Landwirtschaft betreiben. «Wenn hier nicht Gerechtigkeit einkehrt, wird auch der letzte Bauer aufgeben. Die traditionelle Landwirtschaft wird vor die Hunde gehen.»
Er hat seine Scholle gefunden
Schon als kleiner Junge wollte Andreas März Bauer werden. Als junger Mann reiste er Ende der 60er-Jahre nach Italien und war angetan von der toskanischen Landschaft. 1979 kaufte der Agronom zusammen mit seiner Frau Eva das Bauerngut Balduccio. Er hat es keine Sekunde bereut.
25 Jahre – fast die Hälfte seines Lebens – hat der Genussmensch März hier verbracht. Er schätzt die Offenheit der hiesigen Bevölkerung. «Ich gehöre hier dazu, verhalte mich wie sie. Wir ärgern uns über die gleichen Dinge, die mühsame Bürokratie zum Beispiel, und lieben das Essen und das Leben.»
Kein Zweifel: März ist eine Persönlichkeit, von vielen geachtet, von anderen gefürchtet, ein kommunikativer, engagierter und leidenschaftlicher Mensch, etwas ruhelos auch.
Gross gewachsen, mit markantem Schnauz, unter dem fast pausenlos eine Toscani-Zigarre hängt. Eine lässige Erscheinung, vor allem wenn er in seinem alten Mercedes aufkreuzt.
Die Sprache – Schlüssel zu Integration
Italiener ist Andreas März nicht geworden, die Bürokratie war zu aufwändig. Die Sprache ist ihm jedoch so vertraut wie seine eigene. Hochdeutsch und Italienisch sind Arbeitssprache, in der Familie werden Schweizerdeutsch und Italienisch gesprochen. Fluchen kann er auch auf Toskanisch.
«Das gehört in der Toskana zur zwischenmenschlichen Beziehung, man kann es etwas harmloser oder «più pesante» gestalten, indem man die Heiligen mit einbezieht. Die lasse ich draussen – aus Respekt gegenüber den Leuten, für die das wichtig ist.»
März versteht sich auch als eine Art Kulturübersetzer. Als Chefredaktor von «Merum», des Insidermagazins für Wein und Olivenöl aus Italien, bringt er einer deutschsprachigen Leserschaft die italienische Kultur und Lebensweise näher.
«Der Schweizer kann das schon gebrauchen, dass man ihm immer wieder mal sagt, wie seine Nachbarn sind und leben.» Erstaunlicherweise habe die jahrzehntelange Präsenz von Italienern in der Schweiz wenig abgefärbt.
Mühsame Bürokratie
Als Schweizer nervt sich März über die Unzuverlässigkeit und penetrante Arroganz der italienischen Amtsstellen. «Den Schweizer darf ich in Italien aber nicht zu sehr herauskehren.»
Sich im italienischen Gesetzesdschungel zurechtzufinden, sei nicht einfach. «Würde man alle herrschenden Gesetze respektieren, könnte man am Morgen das Bett nicht verlassen.»
Trotz allen Unannehmlichkeiten, die das Leben mit sich bringt: März wird hier bleiben. «Ich habe keine Alternative. In der Schweiz besitze ich nichts, hier habe ich Haus, Arbeit, Familie und Freunde. Es gibt keinen Grund, etwas zu ändern.»
Alter ist im Moment kein Thema
März, der sich als glücklichen Menschen bezeichnet, kann unabhängig und autonom seine Kämpfe ausfechten. «Ein Schlafen ist das nicht, es ist ein Kampf um dieses Wohlgefühl, um dieses Paradies, das man sich täglich erkämpfen muss.»
Er nimmt das Leben, wie es kommt. «Mein Kopf sagt mir, dass ich älter werde, aber es ist mir egal, ich kann es nicht ändern.» Der toskanische Basler befasst sich nicht mit Phänomenen, auf die er keinen Einfluss hat. «Ich kann nicht viel mehr tun, als die AHV bezahlen.»
Er hofft, dass die Reben und Olivenhaine auf Balduccio weitergedeihen und er noch lange viel zu tun hat. «Vielleicht wird es im Alter ärgerlich, traurig und schlimm. Vielleicht falle ich morgen von einem Olivenbaum und bin querschnittgelähmt, dann ist das ein grosses Problem.»
swissinfo, Gaby Ochsenbein, Lamporecchio
In Italien lebten 2004 45’442 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer.
Über zwei Drittel sind Doppelbürger.
Knapp ein Viertel sind unter 18 Jahre alt, rund ein Fünftel über 65.
31,4% der gut 35’000 stimm- und wahlberechtigten Schweizer in Italien sind registriert.
Andreas März ist 1950 in Basel geboren.
1979 erwarb der Agronom das Bauerngut Balduccio.
Seit 1981 lebt er dort mit seiner Familie.
Die Azienda Agricola Balduccio ist seit 2003 ein biologisch zertifizierter Betrieb.
Das Gut ist 19 ha gross, 15 ha davon Oliven.
Auf Balduccio wird auch Wein produziert, aus Sangiovese- und Canaiolo-Trauben.
Andreas März ist Mitbegründer der Fachzeitschrift «Merum», dessen Chefredaktor er ist.
Zuvor war er Italien-Korrespondent des Schweizer Weinmagazins «Vinum» und des Weinführers «Der kleine Johnson».

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