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Die schönsten Tage im Jahr

Zwei "Fasnächteler" vor der berühmten Kappelbruecke an der Reuss in Luzern. Keystone

Bald schon verkleiden sich Schweizerinnen und Schweizer. Landauf, landab ist Fasnacht. Laute und feucht-fröhliche Tage vor der Fastenzeit.

Wenn auch schweizweit Fasnacht gefeiert wird, liegen doch die Zentren des Brauches in der Deutschschweiz. Wobei katholische und protestantische Gebiete unterschiedlich fasnachten.

Das Wort Karneval darf nur in der französisch- und italienischsprechenden Schweiz in den Mund genommen werden. In der Deutschschweiz heisst das “närrische Treiben” Fasnacht. Nur die Zürcher geben sich bieder-weltmännisch und nennen den Brand ZüriCarneval.

In der Romandie ist Payerne das Fasnachtszentrum. Die “Brandons” dort ist die grösste Fasnacht der Romandie.

Das gleiche gilt für Bellinzona im Tessin, wo die närrischen Tage mit der Übergabe des Stadtschlüssels an König Rabadan beginnen.

Fasnachtshochburg aber ist die deutschsprachige Schweiz. Mit Basel, Luzern und Solothurn gibt es gleich drei traditionelle Zentren.

Doch praktisch jeder Ort im Land pflegt seine lokale Fasnacht. Von den grossen Fasnachtsorten oft etwas verlacht und als reine Maskenbälle im Sinne von “gäll du kännsch mi nööd” abgetan.

Das gilt auch für die Newcomer in der Fasnachtszene, wie etwa Bern oder Zürich, wo die in frühprotestantischen Zeiten verschwundene oder gar verbotene Fasnacht in jüngster Zeit wiederbelebt wurde. Es fällt ja auch schwer, sich die sittenstrengen Huldrich Zwingli oder Johannes Calvin als Fasnächtler vorzustellen.

Ein Verbot kam auch den Regierenden zupass, denn Fasnacht bedeutet auch Ausgelassenheit, Völlerei und beissenden Spott den Herrschenden gegenüber. Das ist bis heute so geblieben.

Katholisch und laut

Sonst allerdings unterscheiden sich die Anlässe in den katholischen und protestantischen Gebieten fundamental.

Schon punkto Dauer und Zeitpunkt. Die Fasnacht im katholischen Luzern oder Solothurn beginnt am Schmutzigen Donnerstag in der Frühe mit viel Lärm.

In Solothurn ist es die Chesslete. Mit Klamauk und Getöse dringen die Fasnächtler in die stillen Gassen der Altstadt ein.

Auch die zweitgrösste Fasnacht der Schweiz, die in Luzern, beginnt am Schmutzigen Donnerstag in aller Frühe. Der “Urknall”, eine sehr laute Detonation, die in der ganzen Stadt zu hören ist, lanciert das fasnächtliche Treiben.

Laut sind auch die omnipräsenten Guggen. Blasmusikformationen, die – getrieben von donnernden Paukenschlägen – ohrenbetäubend schräge Töne verbreiten. Für viele schaurig-schön anzuhören, für ebenso viele ein Grund zur Flucht.

Die katholische Fasnacht dauert fast eine Woche. Bis dann in der Nacht zum Aschermittwoch die Fastenzeit beginnt und der “Völlerei” ein Ende setzt.

Basel ist anders

Wenn alle in der Schweiz ausgefeiert haben, beginnt am Montag um vier Uhr im protestantischen Basel mit dem Morgestraich die grösste und wichtigste Fasnacht der Schweiz. Eine hochmusikalische Fasnachts-Ouvertüre mit Trommeln und Pfeifen, an der die Guggen mit ihren schrillen Tönen ausgeschlossen sind.

Die “drey scheenschte Däg” beginnen. Sie dauern exakt 72 Stunden und sind eine, wie das Fasnachts-Comité selber sagt “Mischung aus Lebensfreude und Melancholie”.

Die Basler Fasnacht ist so gesehen ein vielschichtiger Anlass. Es braucht Jahre, bis es gelingt, sie in ihrer Gesamtheit zu erfassen und zu erleben. Über all den Larven, Laternen, Cliquen, Sujets, Wagen, Schnitzelbänken und Cortèges, findet sich die omnipräsente Basler Schnurre, die spitzzüngige Basler Mentalität, die gerade während der Fasnacht gnadenlos alles durch den Kakao zieht und verhöhnt.

Event geworden

Die Neuzeit hat vor der jahrhundertealten Tradition nicht Halt gemacht. Tourismus und vor allem die Medien nehmen Einfluss auf das Geschehen. Alle drei Tourimusbüros in Basel, Luzern und Solothurn bestätigten gegenüber swissinfo, dass die Zahl der Touristen, welche die Fasnacht “sehen” möchten ständig zunimmt.

Basel bietet gar ein “Fasnachts-Package” an, von dem Leute aus der ganzen Welt Gebrauch machten.

Dazu verfolgen unzählige Kameras und Mikrofone das närrische Treiben. Jede Filmkamera beeinflusst das Gefilmte.

Das Optische und Akustische dominieren. Inhalte und Aussagen treten etwas in den Hintergrund. Kleines und Feines wird oft nicht mehr wahrgenommen. Wie etwa diese Einzelmaske in Basel, die ein altes Telefon umgehängt hat auf dem steht: “Em Herr Neander sy Telifon ins Tal abe.”

swissinfo, Urs Maurer

Fasnacht soll aus einem altgermanischen Opferfest entstanden sein, bei dem man festliche Umzüge hielt. Diese Umzüge arteten später in allerlei tollen Putz und in Vermummung aus.

Das Christentum verwandelte dieses heidnische Fest in ein kirchliches und bezog es aufs Fasten.

So entstand die Fasnacht oder Fastnacht, die letzte Nacht vor dem Fasten, wo man sich noch einmal gütlich tun konnte.

Gemäss einigen historischen Dokumenten versuchten unsere vorchristlichen Ahnen so vegetations- und menschenfeindliche Dämonen zu bannen.

Man war damals der Meinung, der Dämon werde vor dem gleichen Gesicht, das er in der Larve findet, fliehen.

Wieder andere Quellen sehen in der Fasnacht auch einen Ausdruck der Freude über das Weichen des Winters und das Kommen des Frühlings.

Die Basler Fasnacht dauert 72 Stunden, vom Montag, 11. Februar 2008 um 04.00 Uhr (Morgestraich) bis 04.00 Uhr am Donnerstag.

Die Luzerner Fasnacht beginnt am 31. Januar (Schmutziger Donnertag) um 05.00 mit dem Urknall. Zudem trifft der Fritschivater per Boot in der Stadt ein. Schluss ist am 5. Febraur in der Frühe.

Die Fasnacht in Solothurn findet zur gleichen Zeit statt. Sie beginnt am 31. Januar um 05.00 mit der Chesslette.

Die Bärner Fasnacht dauert vom 07. bis 09. Februar. Sie wurde vor 20 Jahren wiederbelebt und soll inzwischen die Nummer drei in der Schweiz sein.

Die Brandons von Payerne, eine der ältesten Fasnachten der Schweiz, findet vom 08. bis 11. Februar statt.

Der Rabadan in Bellinzona dauert vom 31. 01 bis 05.02 und beginnt am Donnerstag mit der Übergabe des Stadtschlüssels an König Rabadan.

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