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Hans Küng – Theologe für den Frieden

Hans Küng: Klare Linie, auch gegenüber dem Vatikan und den Supermächten. Keystone

Hans Küng ist für sein Bemühen um eine bessere Verständigung der Religionen der Lew-Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte verliehen worden.

Der Schweizer Theologe nahm den Preis am Sonntag in Köln entgegen. Bundesrätin Micheline Calmy-Rey würdigte ihn dabei als engagierten Intellektuellen.

Der 78-jährige Hans Küng erhielt den undotierten Lew-Kopelew-Preis für seinen, laut Kopelew-Forum, “unermüdlichen Einsatz um ein besseres Verständnis zwischen den grossen Religionen der Welt”.

So geht das “Projekt Weltethos” auf Küng, einen der bekanntesten katholischen Theologen der Schweiz, zurück. Dessen Grundidee lautet, dass Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen unmöglich ist.

Küng arbeitete auch mit Papst Benedikt XVI zusammen. Als Kardinal hatte Joseph Ratzinger im Vatikan wenig Freude an Küngs progressiven theologischen Ansätzen.

Weil Küng die Unfehlbarkeit des Papstes in theologischen Fragen anzweifelte, wurde ihm 1979 vom Vatikan die Lehrerlaubnis entzogen.

Küng setzte sich auch für eine gleichberechtigtere Rolle der Frauen innerhalb der Kirche ein.

Kritik an US-Präsident Bush

Bei der Verleihung kritisierte der in Köln lebende Küng US-Präsident George W. Bush, dem er eine “rücksichtslose, neo-imperiale Interessen-, Macht- und Prestigepolitik” vorwarf.

Bush präsentiere sich zwar als Christ, doch in Wahrheit betreibe er eine menschenverachtende Machtpolitik. Dazu gehörten “Angriffskriege, unmenschliche Behandlung von Kriegsgefangenen und Zivilpersonen und massive Verletzung der Menschenrechte”, sagte er.

Dies alles habe zu einem “noch nie da gewesenen Verlust an moralischer Glaubwürdigkeit der Vereinigten Staaten selbst bei Alliierten und Freunden” geführt.

Nicht Abgrenzung, sondern Respekt

Die Schweizer Aussenministerin, Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, bezeichnete ihren Landsmann in ihrer Laudatio als den “Inbegriff des Intellektuellen, der sich in die öffentliche Sache einmischt”.

Ganz im Sinne Küngs gelte es, die Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Religionen zu betonen und zu fördern.

Abgrenzung beginnt schon beim Kopftuch

Nicht Abgrenzung, sondern gegenseitiger Respekt sei gefragt: “Wenn es also um das Kopftuch der Kassiererin geht, sollten wir alle die Zeichen und Formen (…) nicht allzu eng begreifen.”

Sie erinnere sich noch ganz genau, wie selbstverständlich es für ihre katholische Grossmutter gewesen sei, immer ein Kopftuch zu tragen, erklärte Calmy-Rey.

Bisherige Preisträger der Auszeichnung, die in Erinnerung an Lew Kopelow vergeben wird, sind unter anderen der israelische Publizist Uri Avnery, der palästinensische Politologe Sari Nusseibeh sowie die tschetschenische Menschenrechtlerin Sainap Gaschajewa.

swissinfo und Agenturen

Hans Küng ist 1928 in Sursee im Kanton Luzern geboren.
Studium der Philosophie und Theologie in Rom, 1955 Ordination zum katholischen Priester.
Ab 1960 Ordentlicher Professor Uni Tübingen.
1962/65: Offizieller Berater des 2. Vatikanischen Konzils, zusammen mit Joseph Ratzinger, dem jetzigen Papst Benedikt XVI.
1966: Küng holt Ratzinger nach Tübingen.
Bis 1996 Lehrstühle Uni Tübingen.
1995 Präsident Stiftung Weltethos.
Zahlreiche Gastprofessuren, zahlreiche Dr. h.c., zahlreiche Preise.

Der Preis führt seinen Namen auf den russischen Schriftsteller, ukrainischen Juden und ex-Offizier der Roten Armee Lew Kopelew zurück.

Dieser wurde in den 50er-Jahren zu Lagerhaft verurteilt, wo er Alexander Solschenizyn kennen lernte.

Kopelew (1912-1997) wurde in der Spätfolge des “Prager Frühlings” die Staatsbürgerschaft aberkannt.

1981 zog der Literaturwissenschaftler, Germanist und überzeugte Europäer nach Köln.

In Köln wird seit 2001 jährlich vom Kopelew-Forum ein Preis verliehen, womit Menschen, Projekte oder Organisationen auszeichnet werden, die im Sinne Lew Kopelews tätig sind.

Der Name Kopelew steht für Kultur, Humanität, Völkerverständigung und die deutsch-russische Freundschaft.

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