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IPO/Die GSW darf an die Börse

BERLIN (awp international) – Das Berliner Abgeordnetenhaus hat am Montag dem geplanten Börsengang der GSW Immobilien AG zugestimmt. Mit den Stimmen von SPD, Linken und FDP erlaubte das Landesparlament den Eigentümern, mehr als 50 Prozent der Anteile an den Kapitalmärkten anzubieten. 88 der 146 Abgeordneten votierten für das Vorhaben der Eigentümer, CDU und Grüne lehnten es ab. Auch in der SPD hatte es bis zuletzt Widerstand gegeben. Der Berliner Mieterverein hatte vor der Zustimmung gewarnt.
Das Unternehmen bewirtschaftet in der Hauptstadt 70.000 Wohnungen, in denen 130.000 Menschen leben. Die Goldman Sachs-Tochter Whitehall und der Finanzinvestor Cerberus hatten die einst grösste landeseigene Wohnungsbaugesellschaft vor sechs Jahren für 405 Millionen Euro gekauft und rund 1,7 Milliarden Euro Altschulden übernommen. Die GSW strebt eine Notierung im Regulierten Markt in Frankfurt und an der Berliner Börse bis Ende Juni an.
Finanzsenator Ulrich Nussbaum sagte, Berlin könne froh sein, wenn die Whitehall und Cerberus die Wohnungsbaugesellschaft «verlassen und weiterziehen». Der parteilose Senator sprach von «Heuschrecken» und «Finanzhaien». Nussbaum versicherte: «Es verändert sich für die Mieter der GSW nichts.»
ZUSTIMMUNG DES LANDES NOTWENDIG
Für den Börsengang ist die Zustimmung des Landes erforderlich. Der Senat hatte schon grünes Licht gegeben. Das Ja der Abgeordneten ist juristisch nicht notwendig, wurde vom Senat aber gewünscht. Die GSW- Eigentümer überweisen im Gegenzug 30 Millionen Euro an das Land und machten Zusagen: 100 Millionen Euro aus dem Verkaufserlös fliessen laut Nussbaum in das Eigenkapital der GSW, sie behält ihren Sitz in Berlin, dessen Senat bis 2015 einen Sitz im Aufsichtsrat behält. Die GSW muss bestehende Mietverträge einhalten und sich bei Mieterhöhungen an den ortsüblichen Vergleichsmieten des Mietspiegels orientieren. Sogenannte Luxussanierungen sind ausgeschlossen.
Der Unions-Baupolitiker Manuel Heide warf Whitehall und Cerberus vor, schon nach 2004 ihre Zusagen nicht eingehalten zu haben. Die neuen Vereinbarungen seien reine Absichtserklärungen und juristisch nicht durchsetzbar. Der Grünen-Haushälter Jochen Esser erkannte in der Vorlage des Senats eine «wohnungspolitische Bankrotterklärung». Berlin habe gut diversifizierte Wohnungsbestände aus der Hand gegeben.
Nach Ansicht des Aktionärsschützers Michael Kunert ist die Kritik am Börsengang verfehlt. «Das Kind ist beim Verkauf vor sechs Jahren in den Brunnen gefallen», sagte der Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger in Berlin, der Nachrichtenagentur dpa. «Jetzt ist es egal, ob die GSW an die Börse geht oder nicht. Die Renditeerwartungen bleiben, unabhängig davon, wer Eigentümer ist.»
PROBEABSTIMMUNG GING SCHIEF
Redner von SPD und Linken distanzierten sich vom Verkaufsbeschluss des rot-roten Senats von 2004. «Aus heutiger Sicht war der damalige Verkauf ein Fehler, weil das Land Einfluss auf dem Mietermarkt verloren hat», sagte die Linken-Haushälterin Jutta Matuschek. Heute würde möglicherweise anders entschieden, sagte SPD-Fraktionschef Michael Müller. «Es gibt überhaupt keinen Grund, in Jubel auszubrechen.»
Müller hatte mit Mühe die Kritiker in den eigenen Reihen auf Linie gebracht. Bei einer Probeabstimmung in der vergangenen Woche hatten noch 14 SPD-Abgeordnete gegen den Börsengang gestimmt – unter ihnen Daniel Buchholz. Nach seinen Angaben setzt sich SPD-Fraktion nach dem geschlossenen Ja im Plenum nun dafür ein, dass zehn Millionen Euro aus der Überweisung von Cerberus und Whitehall in Mieterschutz- und Quartiersmanagement-Projekte fliessen.
Nussbaum übte deutliche Kritik an den GSW-Eigentümern: «Diese Leute haben sich bis 2009 ungefähr 447 Millionen Euro Gewinne ausschütten lassen, die das Eigenkapital belastet haben.» Durch das Ja zum Börsengang wahre das Land aber einen gewissen Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmens./bf/DP/gr

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