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Kehricht-Sackgebühr setzt sich langsam durch

Die Sackgebühr zeigt laut einer neuen Studie Wirkung, der Abfall wird besser getrennt. Keystone

Die Kehricht-Sackgebühr zeigt gemäss einer neuen Studie Wirkung: Die Kehrichtmenge sank in den letzten Jahren um 15 Prozent. Zudem hilft die Gebühr Kosten zu senken.

Die Gebühren setzen sich vor allem in der Deutschschweiz durch, die Romandie und das Tessin zögern mit dem Systemwechsel.

Die Schweiz kennt versursachergerechte Abfallgebühren seit 1975. Das System setzte sich vor allem in der Deutschschweiz durch. Rund 70% der Schweizer Bevölkerung zahlen heute für die Abfallentsorgung nach dem Verursacherprinzip.

Sackgebühr sensibilisiert



Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) untersuchte die Wirkung dieser Sackgebühren und stellte dabei einen positiven Effekt auf die Abfallmenge und die Zusammensetzung des Abfalls fest. Die Studien waren im Auftrag der kantonalen Umweltdirektoren-Konferenz erfolgt und wurden am Donnerstag in Bern präsentiert.

Entgegen oftmals geäusserten Befürchtungen führte das Verursacherprinzip nicht dazu, dass deutlich mehr Abfall illegal deponiert oder verbrannt wird.

Die Sackgebühr hat den Untersuchungen zufolge in der Bevölkerung eine recht grosse Akzeptanz. In Gemeinden, die eine Sackgebühr haben, ist der Rückhalt in der Bevölkerung etwas grösser als in Gemeinden ohne.

Einst auch in der Romandie und im Tessin

Hans-Peter Fahrni, Chef der BUWAL-Abteilung Abfall, erklärte gegenüber swissinfo: “Beide Studien zeigten dieselbe Wirkung der Gebühren auf: Es ist ein Ansporn, den Abfall zu trennen und alle Möglichkeiten zum Recycling zu nutzen.”

Das BUWAL zeigt sich zuversichtlich, dass das Gebühren-System einst auch in der Romandie und im Tessin Fuss fassen wird. Das BUWAL setzt hier vor allem auf die Einsicht von Behörden und Bevölkerung.

Man will dort, wo es noch keine Gebühren gibt, in erster Linie Öffentlichkeits-Arbeit leisten – obwohl das Bundesgesetz eigentlich vorschreibt, dass die Verursacher die Entsorgung der Siedlungsabfälle über Gebühren finanzieren müssen.

Der Dreck auf Strassen und Plätzen



Dass heute auf öffentlichen Plätzen und Strassen viel mehr Dreck herumliegt als noch vor einigen Jahren, kann laut Fahrni nicht den Sackgebühren angelastet werden.

“Die Menge dieser Abfälle hat in den letzten Jahren zugenommen, auch in Regionen, die keine Sackgebühren kennen. Ich denke, das hängt vor allem mit neuen Gewohnheiten zusammen, heute essen und trinken viel mehr Leute auf den Strassen und in Parks.”

In Gemeinden mit Gebühren finde man tendenziell etwas mehr wild deponierten Müll in der direkten Umgebung von Recycling-Sammelstellen als in Gemeinden ohne Gebühren.

Weniger Abfall – trotz Bevölkerungswachstum

Insgesamt landeten laut den BUWAL-Studien in den letzten zehn Jahren 15% weniger Abfall im Kehrichtsack, und dies trotz eines Bevölkerungs-Wachstums von 3,9%.

Sobald eine Gemeinde die Sackgebühr eingeführt hat, sinken die brennbaren Abfälle im Schnitt um 30%. Gleichzeitig nehme die Menge der separat gesammelten und verwerteten Abfälle um den gleichen Prozentsatz zu, heisst es weiter.

Kosten sinken



Die Gesamtkosten für die Abfallentsorgung nahmen in den Gemeinden mit Sackgebühr um durchschnittlich 20% ab. Laut BUWAL optimieren diese Gemeinden meist ihre Sammellogistik und Entsorgungswege. Zudem sei es meist billiger, die separat gesammelten Abfälle zu verwerten statt zu verbrennen.

In Gemeinden ohne Sackgebühr ist die Müllentsorgung wegen der Zunahme der entsorgten Menge in der Regel teurer geworden.

Noch zu viel Recycling-Gut im Sack

Trotzdem landet nach Ansicht des BUWAL noch immer zu viel Material im Kehricht, das wiederverwertet werden könnte. In einem repräsentativen Schweizer Kehrichtsack finden sich zu 27% biogene, also kompostierbare, Abfälle. 16% entfallen auf Papier aus, wobei auch unverwertbare Servietten oder Taschentücher eingerechnet sind.

Weitere grosse Abfallposten sind Verbundstoffe wie Windeln, Spielzeuge oder Schuhe mit einem Anteil von 14% und Kunststoffe mit einem Anteil von 13%.

Würden in der ganzen Schweiz Abfallgebühren erhoben, liesse sich die Abfallmenge um nochmals bis zu 220’000 Tonnen reduzieren.

swissinfo und Agenturen

In Gemeinden mit Sackgebühr halten 88% der Befragten die Gebühr für sinnvoll, 87% beurteilen die Kosten als angemessen.

In Gemeinden, welche das Verursacherprinzip bei der Hauskehricht-Entsorgung nicht kennen, halten 73% eine Sackgebühr für sinnvoll.

Erste verursachergerechte Abfallgebühren wurden in der Schweiz 1975 erhoben. Seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts setzte sich das System dann vor allem in der Deutschschweiz durch.

Härter hat es der durch Bundesgesetz vorgeschriebene Systemwandel in der Westschweiz, wo bisher erst der Kanton Freiburg Gebühren erhebt. Im Kanton Waadt hatte das Stimmvolk die Einführung der Sackgebühren im Herbst 2002 abgelehnt.

Im Jahr 2001 wog der Siedlungsabfall pro Person 660 Kilogramm.
Mit 4,75 Millionen Tonnen blieb das Volumen im Vergleich zu den Vorjahren in etwa gleich.

Die Schweiz gehört in Europa zu den Ländern, in den am meisten Papier (67%), PET (82%), Glas (91%) und Alu-Dosen (91%) zur Wiederverwertung gelangt.

Verbesserungspotenzial gibt es im Bereich der Grünabfälle: Von den rund 400’000 Tonnen pflanzlicher und tierischer Abfälle, die in Abfalleimern landen, könnten rund 170’000 Tonnen wiederverwertet werden.

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