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Klima-Expertin: «Wenn die Schweiz nichts ändert, wer dann?»

Die Teilnehmer der UN-Klimakonferenz in Madrid stehen unter Druck. Sie müssen Massnahmen zur Begrenzung der CO2-Emissionen beschliessen. Die Klimaforscherin Sonia Seneviratne schätzt im Interview mit SWI swissinfo.ch ein, wo die Schweiz bei der Begrenzung der Klimaerwärmung steht. 

Eine Erwärmung der Erde um drei bis vier Grad bis zum Ende des Jahrhunderts ist leider kein Horroszenario. Es ist nicht nur möglich, sondern sogar sehr wahrscheinlich. Viele Länder steuern auf dieses «Worst-Case-Szenario» zu. Gemäss der UN-Umweltagentur würde sich die Erde selbst dann um 3 Grad erwärmen, wenn alle bisher getroffenen Versprechen für Klimareduktionsmassnahmen eingehalten würden.

Wenn die globale Staatengemeinschaft nicht handelt, kann das laut Forscherinnen und Forschern grosse Auswirkungen haben, die momentan niemand absehen kann. Wir haben Sonia Seneviratne, Professorin für Land-Klima-Dynamik an der ETH ZürichExterner Link, zu den Klimazielen befragt und dazu, was die Schweiz beitragen kann. 

swissinfo.ch: Kann die globale Staatengemeinschaft die Begrenzung der Erwärmung auf unter zwei Grad bis Ende des Jahrhunderts schaffen?

Sonia Seneviratne: Ich glaube, wir sind an einem Punkt, an dem alles offen ist. Die Regierung der US möchte aus dem Pariser Abkommen aussteigen, dagegen haben andere Länder wie etwa Norwegen strenge CO2-Gesetze verabschiedet. Vieles wird von gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen im kommenden Jahr abhängen. Aus rein physikalischer und technischer Sicht ist die Begrenzung auf deutlich unter zwei Grad, und grundsätzlich auch 1,5 Grad Celsius, aber noch möglich. Das ist nur eine Frage von Willen und Prioritätensetzung.

swissinfo.ch: Die Auswirkungen auf das Wetter in der Schweiz sind dank den Modellrechnungen relativ klar. Wie wird sich die Klimaerwärmung sonst noch auf das Alpenland auswirken?

S. S.:  Die Schweiz wird auch von Veränderungen in anderen Ländern betroffen sein. Nur schon bei zwei Grad Erwärmung werden möglicherweise anderswo Nahrungsmittel knapp, was auch die Importe der Schweiz betreffen kann. Bei zwei Grad wird es zudem im Mittelmeerraum viel wärmer und trockener. Gut möglich, dass manche Lebensräume nicht mehr bewohnbar sein werden und viele Menschen zu uns migrieren werden.

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swissinfo.ch: Wie sieht es in der Schweiz aus, sind wir auf Kurs für unter zwei Grad?

S. S.: Nein. Mit den aktuellen Emissionen steuert die Schweiz auf drei Grad zu, vielleicht sogar mehr. Der Bundesrat hat ein revidiertes CO2-Gesetz vorgeschlagen. Darin steht, es sollen netto null Emissionen bis 2050 erreicht werden – aber der Vorschlag lässt die Möglichkeit offen, dass die Schweiz immer noch CO2 ausstossen darf und Kompensationen zahlt. Das geht nicht: Konsequent wäre eine Netto-Null-Lösung ohne eine solche Einschränkung. 

swissinfo.ch: Welche Massnahmen muss die Schweiz ergreifen?

S. S.: Das Parlament muss endlich ein strenges CO2-Gesetz verabschieden, und zwar schnell. Die wichtigste Massnahme meines Erachtens ist: Die Nutzung von fossilen Brennstoffen muss stark heruntergefahren werden und zwar bis auf null bis spätestens 2040-2050. Genauso wichtig ist mindestens eine Halbierung der CO2-Emissionen bis 2030, wenn wir eine Chance auf eine Begrenzung auf 1,5 Grad behalten wollen.

swissinfo.ch: Was heisst das konkret?

S. S.: Wir müssen von den fossilen Brennstoffen wegkommen, und zwar in allen Bereichen. Wir dürfen nicht weiterhin mit Öl heizen, wir müssen endlich auf erneuerbare Energien umsteigen. Wenn wir Solarenergie vermehrt nutzen, müssen wir uns überlegen, wie wir effizient Energie speichern können. Oder nehmen Sie den Verkehr: Warum sind Autos mit Verbrennungsmotoren immer noch so wichtig? Das ist eine veraltete und umweltschädliche Technologie. Es gibt genug Alternativen: ÖV, Velo, E-Velo, elektrische Autos. Ohne diese Massnahmen wird der Wandel nicht klappen. 

swissinfo.ch: Welche Rolle kann denn die kleine Schweiz bei dieser globalen Anstrengung, die Klimaerwärmung aufzuhalten, überhaupt spielen?

S. S.: Wenn die Schweiz nichts ändert, wer soll es dann tun? Wir haben keine politischen Konflikte oder wirtschaftliche Krisen, und wir haben Geld und innovative Firmen. Warum also nicht Lösungen ausprobieren und anderen Ländern helfen, die weniger dazu in der Lage sind? Die Schweiz hat nichts zu verlieren und kann nur gewinnen, wenn sie als Vorreiterin bei der Entwicklung klimaneutraler Lösungen vorangeht.

swissinfo.ch: Wie teuer wird das die Schweiz zu stehen kommen? 

S. S.:  Es wird nicht so teuer sein, wie viele denken. In Grossbritannien haben Ökonomen ausgerechnet, dass die Umstellung auf netto null CO2 bis 2050 den Staat gerade einmal ein bis zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts kosten würde. In der Schweiz wären die Kosten ähnlich. 

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