Ehrung mit Rührung

Ehrung für die Schauspielerin Anne-Marie Blanc: Die bald 82-jährige Grade Dame des Schweizer Theaters, aber auch des Schweizer Films, ist am Montag am Filmfestival Locarno mit einem ihrer Filmklassiker und einem neuen Film geehrt worden.
Eine Uraufführung und eine Wieder-Aufführung: Die rüstige und trotz ihres Alters gut aussehende Anne-Marie Blanc zeigte sich gerührt von den Ehrerbietungen des Festivals.
Der uraufgeführte Dokumentarfilm «La petite Gilberte» der Westschweizer Filmerin und Autorin Anne Cunéo lässt den Werdegang der berühmten Schauspielerin Revue passieren. Aussagen von Anne-Marie Blanc werden mit Ausschnitten aus ihren Filmen und Theaterstücken gemischt.
Zuvor war als Wiederaufführung die Gottfried Keller-Verfilmung «Die missbrauchten Liebesbriefe» von Leopold Lindtberg aus dem Jahre 1940 zu sehen.
«Gilberte de Courgenay»
Anne-Marie Blanc ist die wohl bekannteste Schweizer Schauspielerin. Sie wurde am 2. September 1919 in Vevey geboren, wuchs in Bern auf und hat in ihrer Laufbahn die meisten grossen Frauenrollen der Theatergeschichte verkörpert.
Über 200 Theaterrollen hat sie gespielt, etwa 25 Kinofilme und ebenso viele Fernsehfilme gedreht. In der Erinnerung bleibt sie aber die «Gilberte de Courgenay», mit der sie 1941 im gleichnamigen Film von Franz Schnyder über Nacht berühmt wurde.
Der unterhaltende Propagandafilm im Dienste der geistigen Landes-Verteidigung allein wird jedoch Blanc nicht gerecht, hat sie doch auf der Theaterbühne von Shakespeare zu Lessing, von Goethe zu Schiller und Kleist, von Ibsen und Tschechow zu Zuckmayer und Brecht so ziemlich alle grossen klassischen Rollen gespielt.
«Die missbrauchten Liebesbriefe»
Die 19jährige Anne-Marie Blanc wurde nach der Matura auf Anhieb am Schauspielhaus Zürich engagiert; eine Theaterschule besuchte sie nicht. Ein Jahr später hatte sie in «Wachtmeister Studer» des am Schauspielhaus tätigen Regisseurs Leopold Lindtberg ihre erste Filmrolle.
Neben ihrem bis heute grössten Kinoerfolg «Gilberte de Courgenay» spielte sie noch in den erfolgreichen Kinofilmen «Die missbrauchten Liebesbriefe», «Landammann Stauffacher», beide ebenfalls in der Regie von Leopold Lindtberg, oder in der Komödie «Matura-Reise», die Sigfrit Steiner inszenierte.
Daneben hatte sie zahlreiche Filmrollen in deutschen Produktionen, die grösstenteils als unterhaltende Heimat- oder Boulevardfilme zu qualifizieren sind. In Paris drehte sie 1946 zusammen mit Erich von Stroheim «On ne meurt pas comme ça». Ein Angebot aus Hollywood lehnte sie aus Rücksicht auf ihre Familie ab.
«Violanta»
Anne-Marie Blanc war aber nicht nur im alten Schweizer Film aktiv, sondern auch in Filmen von jungen Schweizer Regisseuren. Sie spielte etwa in «Riedland» von Wilfried Bolliger (1975), «Violanta» von Daniel Schmid (1977), «Nestbruch» (1980) von Beat Kuert oder «L’allègement» von Marcel Schüpbach (1983).
Anne-Marie Blanc ist aber vor allem Theater-Schauspielerin. Von 1939 bis 1952 gehörte sie zum Ensemble des Schauspielhauses Zürich. Sie trat aber auch auf anderen Stadttheater-Bühnen der Schweiz auf, und stand im deutschsprachigen Ausland auf den wichtigen Bühnen. 1986 erhielt sie für ihre Karriere die begehrteste Bühnen- Auszeichnung der Schweiz, den Hans Reinhart-Ring.
swissinfo und Agenturen

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