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Gigantische Kunst-Schau

Der Eingang zum neuen Basler Museum "Schaulager". swissinfo.ch

Das neue Schaulager in Basel besticht durch eine grosszügige Architektur. Es soll Museum, Forschungsstätte und Depot in einem sein.

Gebaut haben Herzog & de Meuron, viel Geld gegeben hat die Kunstmäzenin Maja Oeri, die erste Ausstellung ist Dieter Roth gewidmet.

Was normalerweise in einem Museum zu sehen ist, ist jeweils immer nur Teil einer ganzen Sammlung. Der Rest schlummert und harrt der Wiedererweckung, in Kisten verpackt und zerlegt. Oftmals sind viele Werke jahrelang der Öffentlichkeit wie auch der Forschung nicht zugänglich.

Wenn dann nach einigen Jahren eine solche Kiste geöffnet wird, erleben Museumsangestellte oft ein blaues Wunder.

Gerade die Gegenwartskunst, die vielfach mit organischen Werkstoffen arbeitet, bietet bisweilen unliebsame Überraschungen: Käfer und Motten, Schimmel- und andere Pilze nagen an Blütenstaub, Fetten, Lacken, Farben, Textilien.

Das gilt auch für Werke der Emanuel-Hoffmann-Stiftung. Jetzt wird deren Sammlung im Schaulager in Münchenstein bei Basel fachgerecht und unter konservatorisch optimalen Bedingungen gelagert.

Die Haupttätigkeit des Schaulagers wendet sich einem wissenschaftlichen Fachpublikum und Studierenden zu. Die jeweils aktuelle Ausstellung ist für drei Monate dem Publikum zugänglich. Ob dieses Konzept auf Dauer Bestand hat, wird sich zeigen.

Geld und Geist

Die zündende Idee zu diesem neuartigen Projekt hatte Maja Oeri, Kunstmäzenin und Präsidentin der Emanuel-Hoffmann-Stiftung.

Direktorin der neuen Institution ist Theodora Vischer, frühere Leiterin des Basler Museums für Gegenwartskunst, das weiterhin von der Emanuel-Hoffmann-Stiftung mitgetragen wird.

Und dann stehen da im Raume Basel noch das Kunstmuseum, die Beyeler-Stiftung, das Tingueley-Museum. Wie sich die Konkurrenz auf den ganzen Museumsbetrieb, den Kunstbetrieb auswirken wird, steht noch in den Sternen.

Einfacher wird die Situation auf Dauer kaum werden. Wenn auch die verschiedenen Institutionen versuchen, eher Gemeinsames herauszustreichen als Trennendes zu erwähnen.

Dieter Roths Universum

Die erste Sommer-Ausstellung im Schaulager hat die Direktorin Theodora Vischer dem Universum Dieter Roths gewidmet. Erstmals zeigt eine Retrospektive das Schaffen dieses ungewöhnlichen Schweizer Künstlers.

Die permanent auf 21 Grad gehaltene Raumtemperatur in den Räumen kommt in diesen heissen Tagen nebst den vielen organischen Werken von Dieter Roth auch den Besucherinnen und Besuchern entgegen.

Dieter Roth (1930-1998) war als bildender Künstler und Büchermacher, als Musiker und Filmemacher, als Dichter und Autor, als Kommunikator und Vermittler einer der wenigen Universalkünstler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Logos und Chaos

Empfangen wird das Publikum mit einer Werkbank des Künstlers. Danach taucht man ins Frühwerk von Roth ein. Aquarelle, Tusch-, Feder-, Bleistiftzeichnungen, Schablonendrucke.

Landschaften, Schädel, Menschen, Städte sind die Motive, mal abstrakt, mal figürlich.

Bald schon kommen weitere Materialien dazu. Alutürme, Holzmöbel, Schmuck, Grafiken, Texte, Filme, Installationen. Ein Stupidogramm aus dem Jahre 1961 zeigt eine Fläche mit lauter kleinen Punkten.

Bereits jetzt verliert man langsam die Übersicht, sucht vergeblich nach Ordnung, nach System und erkennt, dass da sicher eines zu Grunde liegt, aber was für eines?

Wir begegnen der berühmten Literaturwurst (1961-70), deren Inhalt aus zerkleinerten Büchern mit Wasser und Gelatine und Fett und Gewürzen in einer Wursthaut besteht.

Wir umkreisen die süsslich duftenden Schoggi-Porträts, staunen über die Bananen, die seit über 30 Jahren hinter Glas vermodern.

Längst haben sich Zeit und Raum aufgelöst, reisen wir mit Roth durch sein Universum. Entdecken Bekanntes und Unbekanntes, schmunzeln, staunen, stocken.

Die Fülle der jeweiligen Serien, seien es Dias, Fotos, Bilder oder Ordner, wird unüberschaubar. Roth war ein Arbeitswütiger, der keine feste Arbeitszeit und kein abgrenzendes Privatleben hatte.

Dieter Roth, der vagabundierende Künstler, der alles definierte, Banalem einen Rahmen gab, der sich gerne als Dichter und Schriftsteller sah, der nie aufhörte zu fragen, kann zu Basel mit dem Schaulager (neu) entdeckt werden.

swissinfo, Brigitta Javurek, Basel

Emanuel Hoffmann-Stiftung:

1933 formuliert die junge Witwe Maja Hoffmann bei der Errichtung der Stiftung folgenden Satz: “Die Hoffmann-Stiftung sammelt Werke von Künstlern, die sich neuer, in die Zukunft weisender, von der jeweiligen Gegenwart noch nicht allgemein verstandener Ausdrucksmittel bedienen.”

1941 wird die Forderung der Stifterin durch die Zusammenarbeit mit der öffentlichen Kunstsammlung Basels erfüllt. Die Sammlung wächst kontinuierlich.

1980 übernimmt die Stiftung die Baukosten für das Museum für Gegenwartskunst.

2003 öffnet das Schaulager auf Initiative von Maja Oeri, der Enkelin Maja Hoffmanns (später Sacher), seine Tore.

Die Sammlung besteht aus rund 650 Werken. Darunter sind Arbeiten von Picasso, Max Ernst, Schwitters, Mondrian, Nolde, Beuys, Warhol, Roth und vielen zeitgenössischen Künstlern zu finden.

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