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Ländlermusik ergattert Marktanteile

Lange verschmäht, heute im Trend: Ländlermusik.[Bild: picswiss.ch] picswiss.ch

In Bulle findet am Wochenende das 9. eidgenössische Ländlermusikfest statt. Über 250 Gruppen und über 10'000 Zuschauende werden erwartet.

Auch die Medien entdecken den Anlass – und die Schweizer Volksmusik – neu.

“Noch vor 30 oder 40 Jahren spuckten alle auf die Ländlermusik”, erinnert sich Marcel Cellier, Vizepräsident der “Gesellschaft für die Volksmusik in der Schweiz” (GVS).

Und um den seither stattgefundenen Wechsel im Denken zu unterstreichen, präzisiert er: “Heute werden die Verfechter dieser Tradition von überall her umworben”.

Noch nie soviel Medieninteresse

Das zeigt sich auch im Vorfeld des Ländlermusikfests, das der “Verband Schweizer Volksmusik” (VSV) organisiert. “Noch nie hatten wir so starkes Interesse von Seiten der Medien”, freut sich Hans-Peter Trefalt, VSV-Vizepräsident.

Die 9. Ausgabe des alle vier Jahre stattfindenden Anlasses, die gleichzeitig mit dem 40-jährigen Bestehen des VSV zusammen fällt, geniesst eine starke mediale Abdeckung.

So hat die SRG SSR idée suisse beschlossen, gewisse Anlässe direkt sowohl im Fernsehen als auch und am Radio zu übertragen.

Die Romandie entdeckt den Ländler

Während das Deutschweizer Fernsehen SF DRS bereits seit 40 Jahren am Ländler-Festival Präsenz zeigt, ist das Interesse der französischsprachigen Kette eher ein Novum.

“Es gibt neuerdings ein wachsendes Interesse der welschen Medien an der Volksmusik”, bestätigt Jean-Marc Richard, Verantwortlicher für die Volksmusik bei der SRG in der Romandie.

“Je beliebter diese Musik wird, umso mehr steigt das Interesse der Medien. Sie wollen mit diesem Teil der helvetischen Kultur die Einschaltquote erhöhen”, sagt der Starmoderator des “Kiosque à musique”, der jeweils am Samstag vom RSR la première gesendet wird .” Die entsprechenden Sendungen würden sich auch weit vorne in der Gunst des Publikums platzieren.

Expo.02 als Wiedergeburt

Eine Studie, die an der Landesaustellung Expo.02 im letzten Jahr durchgeführt wurde, bestätigt die neue Schwärmerei der Schweizerinnen und Schweizer mit ihrem musikalischen Erbe: Die Studie zählte 310’000 Musikerinnen und Musiker, von denen 87% traditionelle Schweizer Volksmusik machten.

“Die Expo.02 hat Musik-Gruppen aller Richtungen die Möglichkeit gegeben, sich unter ähnlichen Bedingungen zu präsentieren”, betont Rodolphe Moser, der während der Landesausstellung für die Volksmusik zuständig war.

VSV-Vizepräsident Trefalt weist aber auch darauf hin, dass die Schweizer Volksmusik in der Deutschschweiz und der Romandie unterschiedliche Stellungen einnehmen: “In den Deutschschweizer Kantonen ist sie stärker verankert als in den französischsprachigen.”

In den calvinistischen Kantonen sei die ländliche Musik nicht erwünscht gewesen. “Das Gesetz bestrafte jene, die es wagten, in aller Öffentlichkeit zu tanzen oder zu singen.”

Kulturelle Unterschiede

Unterdessen habe das “Schwyzer-Örgeli” und der Kontrabass haben aber auch Anhänger auch im Welschland gefunden. Allerdings sendet das Radio für die deutsche Schweiz immer noch mehr als traditionelle Musik als das welsche Pendant. Heute sind es auf SR DRS täglich eine 40-minütige Sendung und zwei wöchentliche Sendungen.

Gewisse Berührungsängste in der Romandie erklärt Richard so: “Die welschen Künstler verbinden diese Musik schnell mit einer gewissen ‘Blut und Boden’-Ideologie. Hinzu kommt, dass der VSV vom Appenzeller SVP-Nationalrat Jakob Freund präsidiert wird.”

Auch Katrin Hasler, Volksmusik-Produzentin bei SR DRS, beobachtet, dass gewisse politischen Kreise gerne aus der Volksmusik Kapital schlagen. “Aber diese Zeiten sind vergangen.” Es gebe heute eine neue Generation von Ländler-Musikerinnen und -Musikern. “Sie spielen für die Freude, nicht für die Ideologie.”

Ländlermusik ist Weltmusik

Auch die Verteidiger der traditionellen Werte müssen zugeben, dass die neugeweckte Begeisterung für Schweizer Volksmusik zu einem guten Teil mit dem Erfolg der Weltmusik zusammen hängt.

“Gruppen die früher baltische oder keltische Musik spielten, haben entdeckt, dass es auch fröhliche und authentische Melodien mit Schweizer Wurzeln gibt”, sagt Richard.

“Wir leben in einer Zeit, wo Ethno Mode ist: Wir konsumieren Ländlermusik im gleichen Stil, wie wir ein T-Shirt mit Schweizer Kreuz anziehen.”

swissinfo, Vanda Janka
(Aus dem Französischen von Philippe Kropf)

Eidgenössisches Ländlermusikfest:
Bulle, 5. – 7. September.

Am diesjährigen eidgenössischen Ländlermusikfest nehmen 250 Formationen mit insgesamt 1115 Musikerinnen und Musikern teil.

Das Budget des Fests beträgt 2003 ca. 1 Mio. Franken, davon sind 70% Sponsoring-Gelder.

Das Festival findet alle 4 Jahre statt. Alle 16 Jahre findet es in der Romandie statt – zum letzten Mal 1987 in Martigny.

Die “Gesellschaft für die Volksmusik in der Schweiz” zählt 13’000 Mitglieder, davon 1500 aus der Romandie.

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