
Monumentale Momente

Er ist umstritten und bedeutend: Anselm Kiefer darf im grossen, durch Naturlicht erhellten Saal der Fondation Beyeler 25 monumentale Bilder zeigen. "Die sieben Himmelspaläste 1973 - 2001."
Ist das Werk gross, erscheint der Mensch klein und erinnert gleichzeitig daran, dass Mensch das Werk geschaffen hat. Doch Grösse allein schafft keine Kunst, dazu bedarf es des Inhalts, der Zeichen. Der deutsche Künstler Anselm Kiefer verband schon früh beides. Kleine unscheinbare Arbeiten waren und sind sein Ding nicht: Kiefer, 1945 in Baden Württemberg geboren, polarisierte von Anfang an.
Erste Aufmerksamkeit erzielte Kiefer mit seiner bekannten Fotoserie «Besetzungen», in welcher er sich mit dem Hitlergruss vor europäischen Kulturstätten zeigt. Ein Raunen zog durchs Deutsche Land, denn die Vergangenheits-Bewältigung hat ihre eigenen Rituale.
In der Folge wurde seine wiederkehrende Auseinandersetzung mit Geschichts- und Kulturräumen immer wieder willkommenes Kritikerfutter – ganz im Gegensatz zu den Rezensionen aus Amerika. Dort versteht man den Künstler deutscher Geburt seit den 70er Jahren als einen Nachkriegssohn, der sich ernsthaft mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinandersetzt.
«Grösse ist relativ»
Ab wann ist ein Bild gross? Dazu Kiefer in einem Interview des Kunstmagazins art: «Grösse ist immer relativ. Und fürs Einzelbild hatte ich noch nie eine Vorliebe. Das ist Kunst, die man übers Sofa hängt, die den Raum ausschmückt. Mich hat immer die Situation interessiert, nicht das einzelne Bild.» Grosse Situationen zeigt nun die Ausstellung in Basel.
Die vier ausgesuchten Werkgruppen mit insgesamt 25, teilweise riesigen Bildern – das grösste ist 470 x 900 cm gross und heisst: «Dein und mein Alter und das Alter der Welt», aus dem Jahre 1997 – lassen viel von Kiefers Kunst-Universen erahnen. Die Bilder und 11 Gouachen sind ein Versuch der Entwicklungslinie in Kiefers Werk entlang zu gehen.
Da sind die «Dachboden-Bilder» aus den frühen 70er Jahren. Dachbalken, Schwerter und der Schriftzug Parsifal erwecken die Helden aus alter Sage. Es folgen die «Steinernen Hallen». Säulen stützen, unterstützen, beziehen sich auf die faschistische Architektur. In den aktuellen «Kosmos- und Sternenbildern» gelangen wir in die Weite des Universums.
Französische Heimat
Anselm Kiefer, der Deutschland 1992 verliess und eine dreijährige Malpause einlegte, lebt heute in Frankreich. In einer ehemaligen Seidenfabrik am Fusse der Cévennen entsteht ein Ateliergelände mit einem weitverzweigten System von Gewächshäusern, Archiven, Material- und Bildspeichern. Hier lässt Kiefer seinen Kunstpark «Zweistromland» wachsen, welcher dereinst dem Publikum zugänglich sein soll.
Mythen, Quellen, Deutung, Kultur und Geschichte – der ehemalige Beuys-Schüler überschreitet, durchdringt Grenzen. Er arbeitet immer im Bewusstsein der Paradoxe: hier die Leere, das Nichts, da die Fülle, das Ganze. Kiefers riesige Bilder fragen nach uns: Wo ist der Mensch? Schon da, schon dort schon fort? Kiefer sucht, schafft und wird nie finden. Irgendwie tröstlich.
Brigitta Javurek

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