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“Rauchverbot” – Wort des Jahres 2006

Fliegen erlaubt - Rauchen verboten. Keystone

Schweizer Kantone und Institutionen führen zunehmend Rauchverbote ein. "Rauchverbot" steht symbolisch für andere Verbote in der öffentlichen Diskussion, wie Minarett- oder Kampfhundeverbote.

Das Wort des Jahres 2006 hat eine Jury aus 2500 Vorschlägen ausgewählt.

“Mit der Wahl versuchen wir auch, das Jahr einzufangen”, erzählt Jury-Mitglied Paul Schneeberger swissinfo. Rauchverbote sind in der öffentlichen Diskussion ein wichtiges Thema. Kürzlich hat der Kanton Solothurn in einer Volksabstimmung ein Rauchverbot in Gaststätten und öffentlichen Gebäuden beschlossen. “Deshalb wurde das Wort bei den Vorschlägen aus der Bevölkerung auch entsprechend oft genannt.”

Die Öffentlichkeit in der deutschen Schweiz kann über das Internet der siebenköpfigen Jury Vorschläge unterbreiten. “Das ist für uns eine Art Ideenbörse”, erklärt Schneeberger. “Für die Wahl ist die Jury jedoch unabhängig und allein zuständig.”

“Wir wählen im Dezember. Da spielen Begriffe eine grössere Rolle, welche in der zweiten Jahreshälfte in der Diskussion sind”, erklärt Schneeberger. “Wenn die Fussball-WM nicht schon im Juni stattgefunden hätte, wären sichere andere Begriffe stärker im Mittelpunkt gestanden.”

Konkret: “Köbi” – steht als Symbol der Schweizerinnen und Schweizer für den Fussball-Nationaltrainer Jakob Kuhn. “Köbi” wurde dennoch weniger oft genannt, als “Rauchverbot” und zählt damit lediglich zu den wichtigen Wörtern des Jahres.

“Migrationshintergrund” und “Plämpu”

“Rauchverbot” steht laut der Jury auch symbolisch für diverse andere Verbote, die im Jahr 2006 für Schlagzeilen gesorgt haben. Ob Minarettverbot, Kampfhundeverbot, Handyverbot, Weihnachtsverbot oder Waffenverbot – offenbar sei das gesellschaftliche Zusammenleben ohne Verbote nicht mehr zu regeln, hält die Jury fest.

Zu weiteren wichtigen Wörtern des Jahres bestimmt wurden auch “Migrationshintergrund”, “Pensionskassenverwalter” oder “Plämpu”.

“Migrationshintergrund” steht für die politische Korrektheit, wenn es um Einwanderer oder Ausländer geht. Zunehmend werde das Wort aber auch negativ gebraucht, hält die Jury fest. “Nach den sexuellen Übergriffen in Zürich Seebach wurde der Migrationshintergrund der Beteiligten als politisches Argument instrumentalisiert.”

Im Zusammenhang mit der Affäre um die Pensionskasse Swissfirst machte “der frechste Pensionskassenverwalter” Schlagzeilen in den Medien. Das habe der Bevölkerung klar gemacht, dass Profitgier auch bei gut schweizerischen Institutionen wie Pensionskassen vorkomme, begründet die Jury die Wahl des Wortes “Pensionskassenverwalter”.

Es sei eben “scho no geil, sonä Plämpu”, sagte die Snowboarderin Tanja Frieden nach dem Gewinn der Goldmedaille an den olympischen Spielen in Turin. Noch vor kurzer Zeit, wäre es nicht vorgekommen, dass eine Spitzensportlerin eine Goldmedaille so salopp bezeichnet hätte. “Plämpu”stehe auch für das neue Selbstbewusstsein einer jungen, erfolgreichen Wintersportgeneration, begründet die Jury ihre Wahl.

“Ein klarer sprachlicher Missgriff”

Zum Unwort des Jahres wurde “erweiterter Selbstmord” erkoren. Der Begriff kursierte in den Medien und auch bei Experten, nachdem die ehemalige Skirennfahrerin Corinne Rey-Bellet und ihr Bruder von ihrem Ehemann erschossen worden waren und dieser anschliessend Suizid begangen hatte.

Das Wort sei ein “klarer sprachlicher Missgriff”, kritisiert die Jury. “Er verschleiert und verharmlost den Begriff des Mordes und ist ein Widerspruch in sich, da ein Selbstmord nur eine Person treffen kann.”

Als Satz des Jahres machte “Ich kann das!” – die Erklärung von
Doris Leuthard vor ihrer Wahl zur Bundesrätin – das Rennen.

2005 war “Aldisierung” das Wort des Jahres gewesen, 2004 die Aufforderung in einer Fernsehsendung zu “Meh Dräck” und 2003 “Scheininvalide”.

Von Deutschland in die Schweiz

Das Wort des Jahres wird in der Schweiz seit 2003 ausgewählt. In Deutschland erkürt es die Gesellschaft für deutsche Sprache seit 1977. Österreich kennt die Wahl seit 1999. “Mir ist aufgefallen, dass in Liechtenstein und der Schweiz andere Wörter eine zentrale Rolle spielen”, erzählt Daniel Quaderer im Gespräch mit swissinfo.

Der Liechtensteiner Verleger war der Initiant des Schweizer Wortes des Jahres. “‘Rauchverbot’ haut keinen um, das stimmt. Aber mit der Wahl wollen wir auch eine Chronistenfunktion einnehmen. In zwei bis drei Jahren gehört das Wort wahrscheinlich zum Standard jeder Gemeindeverwaltung.”

swissinfo, Andreas Keiser

1. Rauchverbot
2. Migrationshintergrund
3. Köbi
4. Pensionskassenverwalter
5. Plämpu
6. Vize-Miss
7. Karikaturenstreit

Emil Egger (Publizist)
Paul Schneeberger (NZZ)
Günther Meier (Publizist)
Bettina Walch (Radio DRS 3)
Bänz Friedli (Journalist)
Daniel Quaderer (Verlagsleiter)
Umberto Ferrari (St. Galler Tagblatt)

1. Fanmeile
2. Generation Praktikum
3. Karikaturenstreit
4. Rechtschreibfrieden
5. Prekariat
6. Bezahlstudium
7. Problembär
8. Poloniumspuren
9. Klinsmänner
10. schwarz-rot-geil!

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