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Wieviele Buchmessen braucht die Schweiz?

Quo vadis: BuchBasel stellt die Deutschschweizer und Deutschen Verlage vor die Gretchenfrage. Keystone

Seit 17 Jahren gibt es in Genf den Salon du Livre, die bisher einzige Schweizer Buchmesse. Nun macht Basel Genf Konkurrenz - und "sabotiere", so der Leiter des Genfer Buchsalons, die föderalistische Schweiz.

Ein offenes Geheimnis ist und war, dass die Deutschschweiz in Genf lange zu kurz kam.

Wieviele Buchmessen braucht ein so kleines und dazu mehrsprachiges Land wie die Schweiz? Das ist eine Frage, die sich derzeit viele stellen. Sowohl Leser, Literatinnen und Verlage. Denn in Basel wird diesen Frühling eine neue Buchmesse, die BuchBasel, eröffnet.

Das Brisante am Buchmessen-Streit zwischen Basel und Genf ist, dass die neue Basler Buchmesse just am gleichen Wochenende (2. – 4. Mai) stattfindet, wie der traditionelle Salon du Livre in Genf. Der Leiter des Salon du Livre, Pierre-Marcel Favre, sprach von “Sabotage” und von Deutschschweizer Arroganz.

Wenig Aufmerksamkeit für die Deutschschweiz

Dass die Deutschschweiz in Genf in den letzten Jahren weder viel Aufmerksamkeit erhielt noch viel Besucher beisteuerte, ist ein offenes Geheimnis im Land. Genf verzeichnete immer weniger Deutschschweizer Besucher. Immer weniger deutschsprachige Schweizer und deutsche Verlage waren in Genf präsent.

Einzig der Diogenes Verlag hat dem Salon du Livre über die Jahre die Treue gehalten. Andere grosse Schweizer Verlage wie der Zürcher Limmatverlag waren in den letzten Jahren nur noch über ihre Auslieferung in Genf präsent. Kleinere Verlage hatten sich schon länger vom Salon verabschiedet oder hatten ihre Präsenz, wie zum Beispiel der Berner Zytglogge-Verlag, je länger je mehr reduziert.

Sehr frankophone Angelegenheit geworden

Anne Riesen vom Zytglogge-Verlag: “Wir sind seit 15 Jahren in Genf und sind immer sehr gerne gegangen. Am Anfang hatten wir auch Besucher aus der Deutschschweiz. In den letzten Jahren wurde es aber immer mehr zur frankophonen Angelegenheit.” Die französischsprachigen Besucher seien an ihrem Stand nur vorbeigelaufen.

Die Gründe für den schrittweise Rückzug sind aber auch finanzieller Natur: Der Salon in Genf dauert vergleichsweise lange und ist deshalb gerade für kleinere Verlage umso mehr eine Personal- und Kostenfrage. Jedoch: Auch die grossen deutschen Verlage wie Suhrkamp und S. Fischer hatten sich schon länger von Genf zurückgezogen.

Aus Protest wurde Aktion

Der Unmut über die Deutschschweizer Unterpräsenz am Schweizer Salon du Livre in Genf war bereits vor einem Jahr so gross, dass eine Gruppe Intellektueller um den deutschsprachigen Literaturkritiker Charles Linsmayer gegen diese Misere ein Manifest verfassten.

Aus dem Manifest ist jedoch nichts geworden. Aus dem Protest wurde eine Ausstellung, der Kritiker Charles Lindsmayer wurde zum Akteur. Er konzipierte für den diesjährigen Salon eine umfassende Schau zur polyphonen Schweizer Literatur.

“4 x 1 = 1++++”

Die Ausstellung mit dem wortlosen Titel “4 x 1 = 1++++” will die (Sprach-) Vielfalt der Schweizer Literatur präsentieren, ohne sie aber zu definieren. Dabei werden die Autoren der Schweiz nicht direkt, sondern indirekt dem Publikum vorgestellt, via ihre jeweiligen Übersetzungen in die anderen Landessprachen. Also zum Beispiel Paul Nizon auf Deutsch und Ruth Schweikert auf Französisch. Insgesamt werden 51 Schweizer Autoren aus allen Sprachregionen vorgestellt.

Linsmayer will denn auch am Genfer Salon festhalten. Dass das Basler Buchfestival gerade am gleichen Wochenende wie der Salon stattfinde, sei nicht böse Absicht, ist Linsmayer überzeugt. Das sei BuchBasel-Initiant Mathias Jenny wohl einfach “passiert”.

Aufmischler mit Ideen

Matthyas Jenny – langjähriger Klein-Verleger, Vater der deutschsprachigen Schweizer Autorin Zoë Jenny und Konzepter der BuchBasel – spricht von einer Umfrage, die er bei Verlagen durchführen liess. Diese hätten alle Anfang Mai als bevorzugtes Durchführungsdatum für eine Buchmesse angegeben. Wenn sich Genf von Basel angegriffen fühle, sei dies sowieso kein gutes Zeichen für den Salon du Livre, moniert Jenny.

Warum aber gerade das gleiche Wochenende? Weil die Messe Basel eben auch nicht mehr an jedem Wochenende frei gewesen sei, drückt sich Jenny vor einer klaren Antwort. Wie auch immer: Basels Antworten auf diese kontroverse Frage fielen in den letzten Tagen vielseitig aus.

Gleiches Datum – unglücklicher Griff

Die Verleger distanzieren sich von Jennys Aussage, dass sie dies so gewünscht hätten. Jürg Zimmerli vom Limmatverlag: “Ich habe diesen Fragebogen auch ausgefüllt, und da stand nichts solches.”

Dass das gleiche Datum ein unglücklicher Griff ist, da sind sich alle einig, Literaturkritiker Linsmayer wie die verschiedenen Deutschschweizer Verlage. Glücklich war es für die Sache vielleicht insofern, dass der Aufschrei via Medien der Schweizer Literatur für mehr Aufmerksamkeit gesorgt hat.

Zukunft offen

Entschieden ist in der Frage Genf und/oder Basel noch nichts. Da dieses Jahr Zürich der Gastkanton am Genfer Salon du Livre ist, mussten sich viele Verlage auch nicht entscheiden, ob sie nach Genf oder nach Basel gehen.

Der Limmat-Verlag ist diesen Mai sowohl in Genf (via Gastkanton Zürich) wie in Basel anwesend – in Basel mit einem Gemeinschaftsstand und verschiedenen eigenen Themenabenden im Rahmen des Literaturfestivals von BuchBasel.

Zytglogge erstmals nicht in Genf

Zytglogge geht dieses Jahr zum ersten Mal nicht nach Genf, dafür nach Basel. Auch der Berner Kleinverlag gibt in Basel einen Autorenabend.

Sogar der Diogenes Verlag, der Genf jahrelang die Treue hielt, weiss noch nicht, wie es nächstes Jahr weitergeht: “Dieses Jahr sind wir in Genf, was nächstes Jahr ist, wissen wir noch nicht”, erläutert Ruth Geiger vom Diogenes Verlag. Man wolle nun zuerst schauen, wie sich Basel entwickle.

swissinfo, Anita Hugi

Seit 17 Jahren gibt es in Genf den Salon du Livre.
In den letzten Jahren war die Deutschschweiz immer weniger vertreten.
In Basel hat nun Mathyas Jenny eine neue Buchmesse lanciert.
Die BuchBasel findet am gleichen Datum wie der Salon du Livre statt.

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